Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Ministerin, ich frage die Landesregierung, ob sie uns, nachdem sie sich nun schon seit einiger Zeit mit der Thematik befasst und sich über den Forschungsauftrag und Aktensammlungen in die Thematik einarbeitet, sagen kann, um wie viele betroffene Jungen und Mädchen es in Niedersach
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Genaue Zahlen liegen mir gegenwärtig noch nicht vor. Deswegen hatte ich ganz bewusst gesagt: Dies wird Gegenstand des Forschungsvorhabens sein. Es wird auch nicht sehr einfach sein, diese Zahlen, Daten und Fakten zu ermitteln, weil wir in die betreffenden Aktenbestandteile hineingehen müssen.
Ich kann Ihnen nur kurz Folgendes darstellen: Einem Beitrag des Statistischen Monatshefts 11/1965 über die Erziehungshilfen im Rahmen der öffentlichen Jugendhilfe in Niedersachsen im Jahre 1964 lässt sich folgende Entwicklung seit 1950 entnehmen: Die Zahl der Minderjährigen in Fürsorgeerziehung hat beträchtlich abgenommen, und zwar von 5 664 Ende 1950 auf 2 779 Ende 1964. Im Gegensatz zur Fürsorgeerziehung hat die Gewährung von freiwilliger Erziehungshilfe - das ist eine Erziehungshilfe, die im Einverständnis mit den Personensorgeberechtigten angeordnet wird - in der Zeit von 1955 bis 1964 mit einer kleinen Unterbrechung im Jahre 1962 von Jahr zu Jahr zugenommen, und zwar von 1 177 Fällen auf 2 395 Fälle. Es vollzog sich somit eine Verlagerung von der Fürsorgeerziehung zur freiwilligen Erziehungshilfe.
Das ist nur ein kurzer Ausschnitt aus einem Beitrag eines Statistischen Monatshefts. Wir werden sehr genau in die Akten hineinschauen müssen. Deshalb ist es für mich so wichtig, dass der erste Komplex des Forschungsauftrages eine genaue Bestandserhebung ist, damit auch die in der Kleinen Anfrage gestellten Fragen möglichst detailgenau beantwortet werden können.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn ich die Antwort auf die erste Frage richtig deute, übernimmt die Leitung in diesem
Gesprächskreis das Sozialministerium oder übernehmen Sie sie als Ministerin persönlich. Wie kommen Sie angesichts dessen, dass die Betroffenen Schreckliches erlitten haben, zu der Auffassung, dass die Leitung ausgerechnet von jemandem übernommen werden soll, der die Heimaufsicht vertritt?
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In Umsetzung der Landtagsentschließung, in der es unter Nr. 6 heißt, der Arbeitskreis sei unter der Leitung des Sozialministeriums einzurichten, ist das natürlich eine Aufgabe, die sich an das Sozialministerium richtet.
Mir persönlich ist es unglaublich wichtig, dass das Leid, das diese Menschen erdulden mussten, aufgeklärt wird und dass verantwortlich gehandelt und überlegt wird, wie man das Unrecht, das sie erlitten haben, abmildern kann. Aus diesem Grunde habe ich damals, zu einem sehr frühen Zeitpunkt, eine Hotline eingerichtet, um ehemaligen Heimkindern die Möglichkeit zu geben, sich zu äußern und zu öffnen, und um konkret zu erfahren, welche Wünsche und Erwartungen sie an die Politik haben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Niedersachsen war das erste Bundesland mit einer Hotline. Es gab über 150 Anrufe. Auf Bundesebene ist ebenfalls eine Informations-Hotline geschaltet worden - nach meinem Kenntnisstand gab es dort 390 Anrufe -, in einigen anderen Bundesländern auch. Überall gab es deutlich weniger Anrufe. Es hat sich also gezeigt und als richtig bewahrheitet, dass wir hier im Lande Niedersachsen zu einem sehr frühen Zeitpunkt sehr entschlossen vorgegangen sind.
Ich bin auch den Kirchen für ihre umfangreichen wissenschaftlichen Untersuchungen in ihren eigenen Einrichtungen sehr dankbar. Ich meine, dass das Zusammentreffen aller Behörden und Institutionen, aber auch aller gesellschaftlichen Kräfte den Heimkindern Mut, Optimismus und Hoffnung gibt. Sie wissen auch, sehr geehrter Herr Watermann,
dass es die Vertretung der Heimkinder nicht gibt. Es gibt einige Heimkinder, die in Vereinen organisiert sind. Es gibt viele Heimkinder, die nicht organisiert sind. Von daher ist es sehr schwierig, in diesem Arbeitskreis Heimkinder so mit einzubinden, dass die gesamte Bandbreite der Wünsche der Heimkinder vertreten ist. Wenn Sie mir noch Namen von ehemaligen Heimkindern nennen können, von deren Wunsch nach Mitarbeit Sie erfahren haben, dann herzlich gern, sie sind herzlich willkommen.
Herr Präsident! Meine Frage an die Landesregierung bezieht sich auf einen Artikel in der Neuen Osnabrücker Zeitung. In deren Ausgabe vom 9. September - das ist noch nicht so lange her - musste ich lesen, dass sich der Pressesprecher des Ministeriums dahin geäußert hat, dass der Landtag keinen Gesprächsarbeitskreis beschlossen habe. Diese Aussage hat mich sehr irritiert. Trotz Ihrer Aussagen hier im Plenum möchte ich von Ihnen gerne die Bestätigung haben, dass der Landtag beschlossen hat, einen Gesprächsarbeitskreis einzurichten. Wie erklären Sie sich dann die Aussage Ihres eigenen Pressesprechers?
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir alle sind des Lesens kundig. Der Landtag hat beschlossen - ohne Wenn und Aber -, einen Gesprächskreis einzusetzen. Das tun wir.
(Beifall bei der CDU - Norbert Böhlke [CDU]: Es ist nicht immer richtig, was in der Zeitung steht! - Hans-Henning Adler [LINKE]: Das war doch keine Antwort auf die Frage! Es geht um den Pressesprecher!)
Meine Damen und Herren! Frau Ministerin, es war gefragt worden, wie der Pressesprecher zu dieser Aussage gekommen ist. Aber das bleibt dann eben offen.
(Wolfgang Jüttner [SPD]: Dass sie ih- ren Pressesprecher nicht in Schutz nimmt, ist schon ein heißes Signal!)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Ministerin, Sie haben eben gesagt, dass die Akten, die vorhanden sind, erhalten bleiben und zentral zusammengeführt werden sollen. Meine Frage ist, wie lange dieser Prozess noch andauern wird? Wann können die Betroffenen von ihrem Recht auf Akteneinsicht Gebrauch machen?
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich fange mit der Beantwortung Ihrer letzten Frage an.
Selbstverständlich können die Betroffenen schon jetzt von ihrer Akteneinsicht Gebrauch machen. Aber bevor wir nicht alle Akten, die wir auffinden, sichern und sichten können, ist natürlich nicht gewährleistet, dass die Akte des jeweils Betroffenen schon da ist.
Ich gehe davon aus, dass es uns gelingen wird, bis Ende des Jahres alle Akten, auf die die Landesregierung zurückgreifen kann, an den sieben Standorten des Landesarchivs zusammenzuführen. Man muss dabei bedenken, dass das die Vormundschaftsakten - in denen beispielsweise die Berichte des Jugendamtes, die Einweisungsbeschlüsse und gegebenenfalls auch Strafprozessakten sind -, die Akten über Heimzöglinge und Akten der Heimaufsicht über die jeweiligen Einrichtungen - soweit noch vorhanden - sind.
Ich meine, dass es im Interesse der Betroffenen ist, dass wir dieses umfangreiche Datenmaterial, über das wir Gott sei Dank noch verfügen, sichten und an zentralen Standorten zusammenführen. Dadurch wird vermieden, dass man als Betroffener weite Wege gehen muss. Wir möchten die Akten
Frau Ministerin, Sie haben sich hier mehrfach auf den einstimmigen Beschluss aller Fraktionen des Landtages bezogen. Darin haben wir, soweit ich mich erinnere, auch weitgehende Transparenz gegenüber allen Aktivitäten und der Unterstützung des runden Tisches in Berlin gefordert. Wenn ich alle die Fragen höre, die hier gestellt werden, habe ich das Gefühl, dass die Transparenz noch deutlich verbesserungsfähig ist. Meine Frage ist: Was tut die Landesregierung, um diese Transparenz zu gewährleisten? Gibt es z. B. eine Homepage, auf der die Betroffenen, die Öffentlichkeit und die Abgeordneten einsehen können, wie der Sachstand ist? Das wäre - außer einer Hotline - eigentlich die Mindestmaßnahme, die Sie treffen sollten.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Natürlich ist in diesem Fall die Transparenz oberstes Gebot. Ich meine, dass das ganz entscheidend ist. Zum einen hat der runde Tisch auf Bundesebene eine eigene Homepage. Außerdem stellt natürlich die Landesregierung unter unserem Label „MS“ Informationen ein. Selbstverständlich sind wir jederzeit auch bereit, im Sozialausschuss umfassend über alle weiteren Dinge zu informieren.
Aber ich meine - lieber Herr Jüttner, das ist meine Herangehensweise -, dass ich erst den Arbeitskreis einlade und die Punkte mit dem Arbeitskreis bespreche, bevor konkrete Ergebnisse an die Öf
fentlichkeit gelangen können. Ich möchte nämlich nicht den Eindruck erwecken, dass wir erst an die Öffentlichkeit gehen und erst dann mit dem Arbeitskreis sprechen. Ich meine, andersherum ist der richtige Weg.