1. Unter wessen neutraler Leitung werden welche Teilnehmerinnen und Teilnehmer dem Gesprächsarbeitskreis angehören?
2. An wen wurde zwischenzeitlich das Forschungsprojekt zur wissenschaftlichen Aufarbeitung der früheren Heimerziehung in Niedersachsen vergeben?
3. Welche Aktivitäten zur möglichst schnellen und umfassenden Sicherung, Sichtung und Offenlegung der Akten hat das Land bislang in die Wege geleitet?
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem erschütternden und traurigen Schicksal von früheren Heimkindern und ihren Anliegen hat sich der Landtag in zwei sehr würdig geführten Beratungen befasst. Ehemalige Heimkinder der 50er- und 60er-Jahre haben nach vielen Jahrzehnten ihr Schweigen beendet und sich auch gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Sozialministeriums geöffnet. Mit ihren erschütternden Berichten verbinden die Betroffenen auch konkrete Erwartungen, nämlich auf die Einsicht in noch vorhandene Akten, um ihre ganz persönlichen Heimbiografien individuell aufarbeiten zu können, auf die historische Aufarbeitung der Zeit, auf therapeutische Unterstützung, Rehabilitation und Entschädigung.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es geht hier um Schicksale der betroffenen Heimkinder, die diese bundesweit erfahren haben. Deshalb können für viele Fragen auch nur bundeseinheitliche Lösungen gefunden werden.
Aber: Etliche Erwartungen der Heimkinder beispielsweise auf Akteneinsicht und Aufbereitung der Geschichte sind auch an die Landesebenen gerichtet. Diese Wünsche haben den Landtag bewogen, am 17. Juni 2009 gemeinsam die Entschließung „Endlich Verantwortung für das Schicksal früherer Heimkinder übernehmen - aufklären, unterstützen, entschädigen“ anzunehmen und Arbeitsaufträge an die Landesregierung zu formulieren.
Ich begrüße die große Bereitschaft der in Niedersachsen Verantwortung tragenden Institutionen, der Behörden, der Gerichte sowie der Träger der früheren Heime, mitzuwirken. Zum Teil haben sie schon vor Verabschiedung der von mir eben genannten Landtagsentschließung notwendige Arbeiten aufgenommen. Niedersachsen, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist im Verhältnis der westdeutschen Bundesländer bei der umfassenden Aktensicherung und Zeiterforschung bereits sehr weit fortgeschritten.
dem Sozialministerium übertragen. Wie im Landtagsbeschluss ausdrücklich genannt, sind neben weiteren fachlichen Experten folgende Teilnehmer einzuladen: Vertreter aus dem Kreis der Betroffenen, Vertreter der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände Niedersachsens, Vertreter der Landesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege, Vertreter des Diakonischen Werkes der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers e. V., Vertreter der Caritas-Verbände und das Landessozialamt als Heimaufsichtsbehörde. Der von der Landesregierung bereits initiierte und begonnene Dialog wird mit den genannten Teilnehmern am 5. Oktober 2009 fortgeführt.
Zu Frage 2: In der Sitzung des Gesprächsarbeitskreises am 5. Oktober wird u. a. das Forschungsprojekt abschließend abgestimmt. Vor dem Hintergrund bereits vergebener Forschungsaufträge niedersächsischer Einrichtungsträger sowie der jeweiligen Aktenbestände ist eine Abstimmung meines Erachtens mit dem eingesetzten Gremium unverzichtbar. Aus Landessicht soll der Forschungsgegenstand zwei Komplexe beinhalten: zum einen eine Bestandsaufnahme in Bezug auf die Trägerstrukturen, die vorhandenen Einrichtungen, die Strukturen der Unterbringung und Aufsicht, auf Beschwerden und besondere Vorkommnisse.
Der zweite Komplex wird die Frage nach der Verantwortung des Landes im Hinblick auf die Fürsorgeerziehung, die Heimaufsicht, das Landesjugendheim Göttingen beinhalten. Die Experten und Betroffenen im Gesprächsarbeitskreis müssen aus meiner Sicht an diesen notwendigen Entscheidungen beteiligt sein. Ich denke, das ist auch der Sinn der Einrichtung eines Arbeitskreises auf Landesebene.
Zu Frage 3: In dem von der Landesregierung am 8. Juni 2009 einberufenen Fachgespräch hat das Land für seine Behörden und Gerichte die Sicherung, Sichtung und Offenlegung der noch vorhandenen Akten zugesagt. Das Niedersächsische Landesarchiv sichert und sichtet die Akten an allen sieben Archivstandorten aus den Beständen der ehemaligen Bezirksregierungen bzw. Landesjugendämter. Für die vormundschaftsgerichtlichen Akten hat das Niedersächsische Justizministerium eine Abfrage in seinem nachgeordneten Geschäftsbereich durchgeführt. Daneben führen die Staatsarchive in allen 79 Amtsgerichten des Landes eigene Vor-Ort-Ermittlungen durch. Die bei diesen Maßnahmen vorgefundenen und vor der Vernichtung gesicherten vormundschaftsgerichtli
chen Akten werden in das Archiv übernommen. Dies ist zum Teil schon geschehen. Ich gehe davon aus, dass die Überführung spätestens zum Jahresende abgeschlossen ist. Das Sichern und Zusammenführen der Akten im Archiv ermöglicht den Betroffenen eine zentrale Offenlegung der Akten. - So weit die Beantwortung.
Meine Damen und Herren, zum Schluss noch eine persönliche Anmerkung von mir: Erlittene Kränkungen und Demütigungen können wir nicht mehr ungeschehen machen. Aber durch Anerkennung des ihnen widerfahrenen Leids und der Demütigungen können wir es vielleicht ein wenig abmildern. Ich glaube, wir alle - besonders ich - haben zutiefst bedauert, was den Heimkindern auch vor dem Hintergrund unserer Verfassung, unseres Artikels 1 des Grundgesetzes - „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ -, widerfahren ist. Ich habe zu Beginn daran erinnert, dass sich der Landtag in sehr würdigen Debatten mit diesem ergreifenden Thema befasst hat. Ich möchte würdevoll und unaufgeregt, aber zielgerichtet weiter mit diesem ernsten Thema umgehen.
Meine Damen und Herren, die erste Zusatzfrage wird von Herrn Humke-Focks von der Fraktion DIE LINKE gestellt. Bitte!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, ich möchte zu möglichen Entschädigungen zwei Fragen stellen.
Meine erste Frage lautet: Mit welchen Methoden soll das individuell erfahrene Unrecht in Niedersachsen quantifiziert und gemessen werden, und welches Gremium soll hierzu eine Bewertung und Evaluierung vornehmen?
Die zweite Frage: Angesichts der Altersjahrgänge der betroffenen Menschen, die das hier in Rede stehende Leid erlitten haben, frage ich die Landesregierung, wie sie eine möglichst unbürokratische und schnelle Entschädigung und Aufarbeitung gegebenenfalls unterstützen will.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Humke-Focks, ich habe zu Beginn meiner Antwort auf die Dringliche Anfrage gesagt, dass die Entschädigung für das erlittene Unrecht keine allein niedersächsische Frage ist, sondern Heimkinder haben in allen westdeutschen wie auch in den ostdeutschen Bundesländern Unrecht erlitten. Weil dies so ist, hat der Petitionsausschuss des Bundestages auf Bundesebene einen runden Tisch eingerichtet. An diesem runden Tisch, der ganz konkrete Arbeitsaufträge hat, werden diese Fragen besprochen. Die Länder sind an diesem runden Tisch mit zwei Vertretern beteiligt, nämlich mit je einem Vertreter aus Schleswig-Holstein und aus NordrheinWestfalen. Es finden auch mit den übrigen Ländervertretern regelmäßig Gespräche statt.
Zu der zweiten Frage, zu der Aufarbeitung des Schicksals früherer Heimkinder im Rahmen des Forschungsauftrages: Ich glaube, es wird zunächst ganz entscheidend sein, nach so vielen Jahren den Bestand der Akten überhaupt zu sichern. Ich bin sehr froh darüber, dass wir noch einen großen Aktenbestand haben; denn die Aktenaufbewahrungspflicht beträgt nach meiner Kenntnis für Hauptakten 30 Jahre und für Nebenakten fünf Jahre. Damit sind die Mindestaufbewahrungsfristen längst abgelaufen. Das heißt aber nicht, dass Akten dann vernichtet werden müssen; vielmehr werden Akten zum großen Teil auch weiterhin aufbewahrt. Mein erstes Ziel war es, zu einem möglichst frühen Zeitpunkt dafür Sorge zu tragen, dass die Akten umfangreich gesichtet und gesichert werden, damit sie nicht vernichtet werden.
Des Weiteren ist mir sehr wichtig, dass die Akten an den sieben Archivstandorten unseres Landesarchivs zentral zusammengeführt werden, damit Betroffene, möglichst vermittelt über einen einheitlichen Ansprechpartner, schnell und unbürokratisch Einsicht in ihre Akten nehmen können. Denn für die Aufarbeitung des erlittenen Unrechts ist es für viele Menschen wichtig, erst einmal ihre eigene Geschichte bzw. ihre eigene Identität zu kennen. Wir dürfen aber auch nicht vergessen, dass das Lesen der Akten für diese Menschen eine große emotionale Last sein kann. Häufig wissen sie nicht, warum sie in ein Heim gekommen sind und wer es veranlasst hat. Deshalb ist es mir ein Anliegen, dass man den betroffenen Heimkindern nahelegt, jemanden zu bitten, sie bei der Akteneinsicht zu begleiten, und dass wir jemandem, der keine Ver
Vielen Dank. - Die nächste Zusatzfrage wird von Frau Staudte von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gestellt.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin, anknüpfend an das, was Herr HumkeFocks gerade gefragt hat, würde ich gerne wissen, ob der Landesregierung Erkenntnisse darüber vorliegen, wie viele ehemalige Heimkinder nicht mehr von Entschädigungen profitieren werden, wenn die Entschädigungsmodalitäten nicht in den nächsten fünf oder zehn Jahren geklärt werden.
Ich möchte eingangs an eines erinnern: Der Landtag hat eine Entschließung gefasst, die Arbeitsaufträge an die Landesregierung enthält. In diese Entschließung ist die Frage der Entschädigung von Ihnen allen ganz bewusst nicht aufgenommen worden.
Wir begleiten als Land Niedersachsen selbstverständlich den runden Tisch auf Bundesebene. Von diesem runden Tisch erwarten die Länder und natürlich auch der Bund Vorschläge. Bestandteil des Forschungsprojektes wird sein, erst einmal überhaupt die gesamten Zahlen und Daten verlässlich zu ermitteln. Das wird eine ausgesprochen umfangreiche Arbeit sein. Uns liegt eine Kleine Anfrage mit 17 Fragen vor, die sich auch auf die statistischen Zahlen beziehen. Wir haben um eine Verlängerung der Antwortfrist gebeten; denn aus den uns vorliegenden Daten können verlässliche Zahlen so schnell nicht zusammengestellt werden,
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung, welche finanziellen Mittel in welcher Höhe für das vom Landtag angestrebte Forschungsprojekt zur Verfügung gestellt werden. Wie hoch sind die vom Land bereitgestellten Mittel dafür, oder gibt es noch andere Partner, die dafür in Anspruch genommen werden?
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben uns mit dem MWK, dem Kollegen Lutz Stratmann, zusammengeschlossen und sehr genau überlegt, wie wir das Forschungsvorhaben angehen können. Wir haben gemeinsam mit dem MWK einen Vorschlag erarbeitet. Wir haben uns an die Universität Göttingen gewandt und werden dort über die Graduiertenförderung gehen. Gemeinsam mit Frau Professorin Kraul wollen wir den Forschungsauftrag weiter ausarbeiten. Die Gespräche mit dem MWK sind insofern außerordentlich erfolgreich verlaufen. Nach meinem Kenntnisstand können zwei Stipendien vergeben werden. Das MWK wird dafür wohl 90 000 Euro zur Verfügung stellen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Ministerin, ich frage die Landesregierung, ob sie uns, nachdem sie sich nun schon seit einiger Zeit mit der Thematik befasst und sich über den Forschungsauftrag und Aktensammlungen in die Thematik einarbeitet, sagen kann, um wie viele betroffene Jungen und Mädchen es in Niedersach