Anders, Herr Minister Ehlen, sind die Wischiwaschiantworten zu den Steuerungsmöglichkeiten für die Kommunen nicht zu interpretieren. Das mag vielleicht auch daran liegen, dass es in Niedersachsen noch keine weiteren vergleichbaren Regionen gibt. Ich sage aber bewusst: noch keine weiteren. Denn wie wir der Presse entnehmen konnten, bemüht sich das Ministerium ja sehr stark darum, weitere freie Regionen für die Ansiedlung von Mastbetrieben zu begeistern. Die Argumentation in der Presse lautete: Der Westen ist voll. - Eine bessere Bestätigung für die angespannte Situation bei uns vor Ort gibt es nicht.
Meine Damen und Herren, in den Landkreisen Emsland, Vechta und Cloppenburg, aber auch in anderen Regionen im westlichen Niedersachsen entwickelt sich eine Tierdichte, die die Grenzen des Wachstums erreicht, ja, in einigen Regionen sogar schon überschritten hat. Die Landesregierung sieht trotzdem keinen Handlungsbedarf. Ganz im Gegenteil: Mit einen gut gepolsterten Agrarinvestitionsprogramm werden fleißig Mittel für Stallbauten bereitgestellt - immer größer, immer mehr -,
ohne darauf zu achten, dass es eben Regionen gibt, in denen ein Mehr einfach nicht mehr zu verkraften ist.
Die Folge in den Regionen ist im Gegensatz zu den von Ihnen eben dargestellten Untersuchungen, dass die Akzeptanz der Landwirtschaft bei der Bevölkerung in den Veredelungsregionen ganz rasant schwindet. Mittlerweile werden die meisten Stallbauten von Bürgerinitiativen begleitet. Die Kommunen versuchen krampfhaft, über Veränderungssperren und Änderungen der Bauleitpläne Steuerungsinstrumente zu nutzen, allerdings - und das muss man deutlich sagen - mit sehr wenig Erfolg.
Im Block II der Großen Anfrage zu den Steuerungs- und Beteiligungsmöglichkeiten von Kommunen macht sich die Landesregierung einfach einen schlanken Fuß. Sie schreiben lapidar:
„Die bestehenden Instrumente zur räumlichen Steuerung von Tierhaltungsanlagen auf kommunaler Ebene werden aus landesplanerischer Sicht für ausreichend erachtet …“
Ich sage Ihnen ganz deutlich: Für die Menschen vor Ort klingt das wie Hohn, und Sie sind zu Recht wütend.
Landesplanerisch hat sich diese Landesregierung schon lange verabschiedet. Das überlässt sie großzügig der regionalen Raumordnung, den dazugehörigen Ärger natürlich auch. Das ist ja auch praktisch. In Sonntagsgesprächen werden Hilfen versprochen. Angekommen in Form von konkreten Vorschlägen oder Unterstützungsmaßnahmen ist davon allerdings noch nichts. Ganz im Gegenteil: Es wird sogar noch kritisiert, dass wir vor Ort durch entsprechende Vorgaben versuchen, den hier beschriebenen Stallbauboom in Grenzen zu halten.
Meine Damen und Herren, durch verschiedene Gutachten suchen wir nach weiteren Steuerungsmöglichkeiten für die Kommunen. Landesseitig werden diese Bemühungen in der Großen Anfrage noch nicht einmal erwähnt, obwohl sie allgemein bekannt sind. So gibt es z. B. das Söfker-Gutachten zur Privilegierung von gewerblichen Tierhaltungsbetrieben im Außenbereich. Dr. Söfker hinterfragt, inwieweit die Voraussetzungen des Privilegierungstatbestandes überhaupt immer gegeben sind. Kein Wort dazu in der Antwort auf die Große Anfrage!
Meine Damen und Herren, dass die Landesregierung und insbesondere der Landwirtschaftsminister auch bei der Frage der noch zumutbaren Tierdichte die Wirtschaft im Fokus hat, nicht jedoch die Probleme der Kommunen und der Bevölkerung, wird auch an einem Gutachten der Stadt Friesoythe, Umgebung Neuscharrel - ein Untersuchungsgebiet von 64 km 2 -, deutlich. Auch dieses Gutachten und der Sprengstoff, der in diesem Gutachten steckt, werden nicht erwähnt. Es handelt sich dabei um ein Gutachten des TÜV Nord zu Geruchsemissionen und -immissionen für fünf Ortschaften auf der Basis der aktuellen Fassung der Geruchsimmissionsrichtlinie des Bundes. Diese neue Geruchsimmissionsrichtlinie des Bundes vom Februar 2008 wurde in Niedersachsen erst vor ein paar Wochen umgesetzt. Das allein, meine Damen und Herren, ist schon ein Riesenskandal. Über ein Jahr wurde herausgeschunden, um nun auch noch auf der Basis der längst überholten Zahlen genehmigen zu können. So sieht die konkrete Hilfe der Landesregierung aus!
Der TÜV Nord kam in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, dass die Immissionsgrenzwerte in dem Untersuchungsraum flächendeckend überschritten werden. Das heißt: Keine Steigerung der Tierdichte, sondern nur noch eine Reduzierung ist vertretbar. - Die Ausweisung von Wohn-, Misch-, Gewerbe- oder Industriegebieten mit Wohnhäusern und/oder Arbeitsplätzen ist derzeit nicht möglich. Weiter heißt es:
„Eine ungebremste Entwicklung könnte auch einen deutlichen Abwertungseffekt für die umgebenden Ortschaften haben. Das könnte zu Abwanderung und dazu führen, dass die öffentlichen und privaten Versorgungseinrichtungen gefährdet würden. Somit werden auch in dieser Hinsicht öffentliche Belange absehbar berührt.“
Herr Minister Ehlen, so sieht die heutige Realität in den Veredlungsregionen aus! Die Welt ist eben nicht in Ordnung, auch wenn Sie in der Großen Anfrage diesen Eindruck erwecken wollen.
Meine Damen und Herren, dies alles ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Stadt Friesoythe bzw. der Landkreis Cloppenburg in den Jahren von 2003 bis 2005 zwölf B-Planverfahren zur Steuerung der Neuansiedlung von Intensivtierhaltung durchgeführt hat. Herr Meyer hat darauf hingewiesen, dass auch im Landkreis Emsland mittlerweile
ca. 30 Bauleitplanverfahren eingeleitet bzw. teilweise abgeschlossen sind. Insofern ist die unter Punkt 2.2 gegebene Antwort, dass die vorhandenen Steuerungsinstrumente ausreichen, überhaupt nicht zutreffend.
Die Ausweisung von Sondergebieten oder sogenannten Konzentrationsflächen muss gerade nach diesem Gutachten, nach dem Untersuchungsergebnis des TÜV Nord noch gründlich überprüft werden. Wir müssen zu einer Bewertung der Gesamtbelastung kommen und dürfen nicht nur Einzelfallbetrachtungen anstellen.
Meine Damen und Herren, die unzureichenden Steuerungsmöglichkeiten für die Intensivtierhaltung sind das größte Problem für die Kommunen. Darum habe ich darauf den Schwerpunkt gelegt und möchte nur noch einige Sätze zu den weiteren Punkten sagen.
Großställe und Seuchen: Nicht von der Hand zu weisen ist, dass die Tierhaltungsform, die Tierdichte und die Abstände der Ställe untereinander sehr wohl, wenn auch nicht ausschließlich, Seuchengefahren erhöhen. Ansonsten bräuchten wir keine Abstandsregelungen, wenn es zu Ausbrüchen kommt.
Gesundheitliche Auswirkungen: Es wurde im Jahr 2000 eine Studie über die gesundheitlichen Auswirkungen der Intensivtierhaltungsanlagen auf die Anwohner durchgeführt. Dann war Sendepause. Nichts mehr, keine weiteren Untersuchungen, keine Empfehlungen, obwohl aus der Studie Hinweise erkennbar sind, dass die Tierdichte die Anzahl der Atemwegserkrankungen erhöht.
Auf das Thema Umwelt, Klimawandel wird in diesen Antworten überhaupt nicht eingegangen. Wir werden auf das Jahr 2012 bzw. auf Maßnahmen vertröstet, die vielleicht Ende des Jahres vorgestellt werden. Das ist eine große Nullnummer.
Insofern liefern die Antworten eine ganze Menge Sprengstoff für weitere Diskussionen. Ich kann Ihnen versprechen, dass wir uns hier im Plenum noch häufiger damit beschäftigen werden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Behandlung der Großen Anfrage „Erneuter Stallbauboom und vermehrte Billigfleischproduktion in Niedersachsen zulasten der Bürgerinnen und Bürger sowie des Tier- und Umweltschutzes?“ tut not. Es stellt sich die Frage: Sind wir an die Grenzen des Wachstums gekommen? - Wir müssen uns fragen: Muss alles, was machbar ist, auch wirklich gemacht werden? Warum?
Es mehren sich die Klagen der Bürgerinnen und Bürger im Raum Cloppenburg/Emsland. Ich zähle es nicht noch einmal auf; Frau Stief-Kreihe hat das eben sehr ausführlich getan. Es bilden sich Bürgerinitiativen im Raum Holzminden, die die Massentierhaltung nicht möchten, und es bilden sich Bürgerinitiativen im Raum Wolfenbüttel. Wir lesen ihre Klagen. Sie möchten keinen großen Stallbauboom.
Die Große Anfrage der Grünen ist mit großer Sorgfalt erstellt worden. Sie hätte eine andere Behandlung verdient; denn die Antwort der Landesregierung ist zwar umfangreich, aber in keiner Hinsicht befriedigend.
Zum Thema Seuchen und deren Ursachen: Die ausweichende Antwort der Landesregierung auf die Frage nach Ursachen von Tierseuchen in Niedersachsen und der Begünstigung von Tierseuchen durch Massentierhaltung zeigt, dass Angst vor der Klärung dieser Frage besteht. Denn was passiert in Niedersachsen, wenn amtlich festgestellt würde, die Vogelpest mit dem Virus H5N3 in Niedersachsen wurde durch die die Art der Massentierhaltung bei der Putenzucht erst ermöglicht? - In den letzten Jahren wurde tatsächlich keine einzige H5N3-Wildvogelinfektion festgestellt.
Es wird mit keinem Wort auf die Frage eingegangen, wieso in einem eng begrenzten Raum wie Cloppenburg so viel hermetisch abgeriegelte Massenställe gleichzeitig von der Geflügelpest heimgesucht werden konnten. Es stellt sich daher die Frage, von welchen eigentlichen Ursachen mit der Stallpflicht abgelenkt wurde. Ob über Futter, Kükenaufzuchtställe oder Mistverschleppung eine Verbreitung stattgefunden hat, ist doch eigentlich für die ganze Landwirtschaft von zentraler Bedeutung.
Um noch einmal auf eines zurückzukommen: Von der Stallpflicht sind immer die Halter ganz enorm betroffen, die freilaufendes Geflügel halten. Es darf zu keiner Begünstigung der Geflügelhalter kommen, die diese Großställe betreiben.
Auch beim Thema Klimaschutz, das in der Landwirtschaft einen hohen Stellenwert einnehmen muss, wird um den heißen Brei herumgeredet bzw. wird geschwiegen. Auf die Frage: „Welche Maßnahmen für den Klimaschutz hat die Landesregierung bisher durchgeführt bzw. sind in Planung?“, antwortet die Landesregierung, dass eine Klimaschutzkommission einberufen worden ist, die bis zum Jahre 2011 arbeiten wird und Vorschläge für Maßnahmen entwickeln soll.
Was kann man aus dieser Antwort ableiten? - Ich sage einmal den schlimmsten Fall: Die Kommission arbeitet bis zum Jahre 2011 und wird dann Vorschläge vorlegen. Diese werden dann beraten und beschlossen werden, und irgendwann wird etwas umgesetzt.
Herr Minister Ehlen, ich stimme Ihnen ausdrücklich darin zu - so haben Sie es am 17. Juni hier im Plenum gesagt -, dass Hektik falsch ist und dass eine sorgsame Arbeit auch Zeit benötigt. Aber in der Antwort auf diese Anfrage der Grünen hätte man wenigstens auf den derzeitigen Planungsstand eingehen müssen. Es hätte darüber berichtet werden müssen, welche Aufgaben diese Kommission hat, und es hätte uns ein Termin zur Unterrichtung genannt werden können.
Klimaschutz kann doch nicht ein neues Projekt sein. Es ist seit 2007/2008 bekannt, und darüber wurde hier im Plenum auch geredet. In den Diskussionen um den Klimaschutz hier im Parlament wurde auch von CDU und FDP eingebracht, dass die Landesregierung umsichtig arbeitet, dass Klimaschutz schon jetzt berücksichtigt wird und dass bei jedem Projekt auch nach Klimaschutz geguckt wird. Wenn die Landesregierung so handelt, dann frage ich mich, warum wir das nicht einmal schriftlich bekommen.
Angesichts dessen, wie sich die Landesregierung dargestellt hat, würde jedem Laien, der diese Drucksache liest, klar: Wenn du nicht mehr weiterweißt, bilde einen Arbeitskreis. - Ich bitte Sie, das nächste Mal detaillierter zu antworten. So bleiben
noch viele Fragen offen. Diese Frage bleibt offen, weitere Fragen bleiben offen. Ich schließe mich insoweit meinen Vorrednern an. Wir haben heute nicht das letzte Mal darüber gesprochen. Es wird noch interessant.
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Antwort auf die Große Anfrage zum Boom innerhalb der niedersächsischen Landwirtschaft und der nachgelagerten Veredelungswirtschaft durch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen belegt, wie gut und wie zukunftsorientiert wir im Agrarland Nummer eins in Deutschland aufgestellt sind.
Der Tenor Ihrer Anfrage, dass Kommunen sowie Bürgerinnen und Bürger dem Stallbau ohnmächtig zusehen müssen, wurde gerade im Landkreis Celle - genauer gesagt: in Wietze - eindrucksvoll widerlegt. Parteiübergreifend - in dem Fall SPD, CDU und FDP -, natürlich mit Ausnahme der Grünen, freut man sich über den Willen eines Investors, dort mit einem neu anzusiedelnden Schlachtbetrieb vorerst 250, später sogar bis zu 1 000 Arbeitsplätze neu zu schaffen.
Meine Damen und Herren, das sind Arbeitsplätze im ländlichen Raum in einer strukturschwachen Gegend. Ich sage Ihnen sehr deutlich: CDU und FDP freuen sich über solche Investitionen in Niedersachsen!