Protokoll der Sitzung vom 28.10.2009

(Starker, lang anhaltender Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Geuter. - Für die CDUFraktion erteile ich nun Herrn Kollegen Hilbers das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir beraten hier zum zweiten Mal über den Dritten Nachtragshaushalt. Dieser Nachtragshaushalt ist notwendig, weil wir es aufgrund der Wirtschafts- und Finanzmarktkrise mit enormen Verwerfungen in Deutschland und damit auch in Niedersachsen zu tun haben. Die Rahmenbedingungen haben sich in kürzester Zeit derart verändert, dass die Veränderungen Schritte erforderlich machen, um die Finanzierung des Haushalts sicherzustellen.

Der Dritte Nachtragshaushalt wird in einer außergewöhnlichen Situation verabschiedet. Schon die Tatsache, dass wir den Dritten Nachtragshaushalt erarbeiten müssen, weist darauf hin, mit welchen Folgen wir zu kämpfen haben. Wir leben in einer von erheblichen Prognoseunsicherheiten geprägten Zeit. Aufgrund der Kurzfristigkeit der Prognosewahrscheinlichkeiten ist es wichtig, die Entwicklung ganzheitlich im Auge zu behalten und die Jahre 2009 und 2010 als Einheit zu verstehen, damit wir in der Krise in diesem Zeitraum gesichert handeln und auf guter Grundlage arbeiten können.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Der vorliegende Nachtragshaushaltsplan ist die Grundlage dafür, dass wir in der Krise weiterhin erfolgreich und handlungsfähig sein können und in Niedersachsen in der Krise gegensteuern können, wie es die Verantwortung von uns verlangt.

Wir bauen dabei auf den Zahlen der Steuerschätzung vom Mai 2009 auf. Sie gehen in der Prognose von einem Negativwachstum von 6 % aus. Auf dieser Grundlage fußen unsere Berechnungen. Nach diesen Berechnungen ergeben sich für Niedersachsen Steuermindereinnahmen in Höhe von 1,26 Milliarden Euro im Jahr 2009 und 2,39 Milliarden Euro im Jahr 2010. Das sind die Zahlen, mit denen wir rechnen. Das sind die Zahlen, die wir aus der Mai-Steuerschätzung übernehmen. Die Kassenlage ist eine etwas andere. Andere Planungszahlen haben wir aber nicht. Auf einer anderen Grundlage kann man seriös nicht rechnen. Wir gehen also von den Zahlen aus, die auch der Bund zutreffenderweise für sich reklamiert. Dass diese Einbußen auf der Einnahmenseite bei einem Haushaltsvolumen von 25 Milliarden Euro ihren Niederschlag finden, ist, wie ich glaube, selbstverständlich. Deshalb ist eines klar: Wir werden in der Krise gegensteuern müssen. Wir werden das verantwortungsvoll tun. Wir haben dieses Problem in der Vergangenheit meistern können. Wir haben es durch zwei Nachtragshaushaltspläne meistern können. Wir werden es auch jetzt meistern.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sie beklagen die Nettoneuverschuldung. Vor den Ferien haben Sie reklamiert, dass wir schleunigst einen Nachtragshaushaltsplan vorlegen sollten. Der Minister hat es schon gesagt: Jetzt ist der Nachtragshaushaltsplan vorgelegt worden, und der Inhalt passt Ihnen auch wieder nicht. Damals konnte die Neuverschuldung gar nicht hoch genug gehen, weil Sie die Krise an die Wand malen wollten. Heute sind Sie mit dem vorgelegten Plan aber wiederum nicht zufrieden.

(Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Belegen Sie das doch einmal!)

- Herr Dr. Sohn, Sie sollten vielleicht zunächst einmal Anträge stellen, die überhaupt beratungsreif sind. Wenn ich mir Ihren Antrag anschaue, stelle ich fest, dass er mit einer Unterdeckung von 1,01 Milliarden Euro versehen ist. Dieser Antrag ist gar nicht schlüssig und geht gar nicht auf. Sie sollten erst einmal ordentliche Anträge formulieren!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir haben heute mit dem erwähnten Negativwachstum zu kämpfen. Ich will die Zahlen von damals einmal in Relation zu denen stellen, mit denen wir es heute zu tun haben. Bei Ihnen gab es im Jahre 2002 eine Nettoneuverschuldung von 3 Milliarden Euro bei einem Negativwachstum von 1,1 %. Wir haben ein Negativwachstum von 6 % und kommen mit 2,3 Milliarden Euro Neuverschuldung aus. Dieses als Vergleich im Blick auf die Zeit, als Sie für die Haushaltspolitik verantwortlich waren.

Sie fordern ein Aussetzen der Haushaltsberatungen. Ich kann Ihnen nur sagen: Das ist unverantwortlich. Der Herr Minister hat darauf hingewiesen, was dann passieren würde. Wir haben die Pflicht, einen Haushalt vorzulegen, ihn in den Ausschüssen zu behandeln und sodann hier für 2010 zu beraten. Wenn Sie die Haushaltsberatungen aussetzen wollen, führt das dazu, dass wir einen Stillstand im Lande haben, dass wir nicht mehr handlungsfähig sind und dass wir vor allen Dingen das, was von uns verlangt wird, nämlich in der Krise gegenzusteuern, nicht mehr tun können. Was Sie tun, ist unverantwortlich. Das darf nicht durchgehen. Deswegen müssen wir die Beratungen weiterhin fortsetzen. Wenn Sie etwas ändern wollen, dann legen Sie Änderungsanträge vor! Verlangen Sie aber nicht ein Aussetzen der Beratungen!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zuruf von der SPD: Das glaubt der doch selber nicht!)

Sie kritisieren die Nettokreditaufnahme. Ich will Ihnen sagen, dass wir uns schwergetan haben, 2,3 Milliarden Euro Neuverschuldung für dieses Jahr und für 2010 überhaupt in den Entwurf aufzunehmen. Wir waren dem Ziel einer Nettoneuverschuldung von null so nahe wie nie zuvor. Wir hätten dieses Ziel erreicht, wenn uns die Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise nicht dazwischengekommen wäre. Diesen erfolgreichen Konsolidierungskurs werden wir auch in den nächsten Jahren fortsetzen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Eine Nettoneuverschuldung ist in dieser Zeit aber unausweichlich, um die Krise zu meistern. Die Krise verlangt von uns antizyklisches Handeln. Antizyklisches Handeln ist eben nur möglich, wenn wir es über Verschuldung darstellen. Wir dürfen aufgrund des Konjunkturpaketes die Investitionen nicht kürzen, und wir dürfen auch auf der Ausgabenseite nicht Gegenmaßnahmen ergreifen, weil solche Maßnahmen der Konjunktur noch weiter

entgegenwirken würden. Wir müssen also verantwortlich handeln und dürfen nicht die Fehler wiederholen, die am Anfang des letzten Jahrhunderts in der großen Weltwirtschaftskrise begangen wurden. Deswegen handeln wir so, wie wir handeln. Wir haben verantwortlich gehandelt. Wir haben proaktiv gehandelt. In Niedersachsen und in Deutschland sind wir mit diesem behutsamen Handeln bisher sehr gut gefahren. Das wollen wir auch weiterhin tun.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das Minus in der Kasse trifft Niedersachsen mit voller Wucht. Wir haben ab September Mindereinahmen in Höhe von 260 Millionen Euro. Wir haben dargelegt, dass wir 800 Millionen Euro in den Bund-Länder-Finanzausgleich einzahlen müssen. Das müssen wir nicht deshalb tun, weil es bei uns besonders gut läuft, sondern deshalb, weil wir es mit Verwerfungen bei einer Steuerart zu tun haben. Deshalb müssen wir in den Bund-LänderFinanzausgleich einzahlen. Das ist eine besondere Situation, die einzigartig ist. Wir sehen, dass das dicke Ende am Ende des Jahres kommt. Dafür müssen wir Vorsorge treffen.

Genau aus diesem Vorsorgegedanken heraus haben wir das getan, was wir tun mussten, nämlich uns in dieser Krise Spielräume dadurch zu erhalten, dass wir die beiden Haushaltsjahre 2009 und 2010 im Zusammenhang sehen.

Wir gehen fest davon aus und haben keinen Zweifel daran, dass der vorgelegte Dritte Nachtragshaushalt verfassungskonform ist. Ich will Ihnen hier sagen, dass der Rechnungshof nicht gesagt hat, der Haushaltsplan sei verfassungswidrig.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Sondern?)

Der Rechnungshof hat gesagt, er habe Zweifel, ob er verfassungsgemäß sei. Genau diese Abwägung haben wir vorgenommen. Wenn jemand Zweifel in irgendeiner Hinsicht hat, ist es ja wichtig, dass man sich mit der Materie auseinandersetzt. Genau das haben wir getan.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das unterscheidet nämlich plakatives Denken von verantwortungsvollem Verhalten, bei dem man sich hinsetzt, berät und sich mit den Problemen auseinandersetzt. Das haben wir getan. Der Haushaltsplanentwurf ist also verfassungskonform. Es ist offensichtlich, dass das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht - ich verweise auf Artikel 71 der Niedersächsischen Verfassung - nachhaltig gestört

ist. Dies wurde auch durch Beschluss des Bundestages zum Zweiten Nachtragshaushaltsplan für den Bund festgestellt. Die Gesetzesbegründung gibt dies eindeutig her. Die Schuldenaufnahme ist alternativlos und insofern Ultima Ratio.

Ferner übersteigt die Kreditaufnahme die Summe der eigenfinanzierten Investitionen nur um 998 Millionen Euro.

(Zuruf von den Grünen: Nur?)

- Lassen Sie es mich erklären! - Die übrige Kreditaufnahme entspricht den eigenfinanzierten Investitionen. Also sind auch nur die 998 Millionen Euro darauf abzuprüfen, ob sie Artikel 71 Satz 3 entsprechen. Die prognostizierten Steuermindereinnahmen belaufen sich auf 1,261 Milliarden Euro. Somit sind noch 260 Millionen Euro frei, die man im Grunde als Kredit verfassungskonform noch hätte aufnehmen können. Das ist die Betrachtung, die richtig ist. Im Übrigen gibt es keine Verfassungsnorm, die daran gekoppelt ist, wie hoch die Steuerausfälle sind, und die zur Kreditaufnahme insofern von Belang wäre. Eine solche Verbindung ist nicht gegeben.

Außerdem will ich die Frage der Rücklagen ansprechen. Es verbleibt bei den Rücklagen, weil wir die Rücklagen für die Schaffung von Spielräumen nutzen wollen. Es gibt keine rechtliche Verpflichtung, Rücklagen zu einer bestimmten Zeit einzusetzen und sie vorrangig vor Kreditaufnahmen zu berücksichtigen. Entsprechendes ist auch in der Vergangenheit nicht geschehen. Die Vorgängerregierungen haben dies in ihren Haushalten ebenfalls nicht getan. Es hat immer Rücklagenbildung gegeben. Es hat auch immer Rücklagen gegeben, obwohl Kredite aufgenommen worden sind.

Das gilt genauso für das Vermögen. Das Vermögen der NORD/LB stellt Vermögen des Landes dar. Man könnte genauso über andere Vermögensverwertungen diskutieren. Abwägungen in dieser Hinsicht sind folglich nicht am Platze.

Was das Jährlichkeitsprinzip angeht, so habe ich Ihnen bereits gesagt, dass es uns wichtig ist, die Jahre 2009 und 2010 zusammenzufassen, um in der Krise verantwortungsvoll handeln zu können.

Ich will Ihnen ganz deutlich sagen, dass wir diesen Weg auch weiterhin beschreiten wollen. In der Haushaltsklausur des Kabinetts 2010 wird nicht über den Haushalt 2010 beraten, von dem Sie meinen, er sei Makulatur, sondern dort werden die Weichen bereits frühzeitig für das Jahr 2011 gestellt. Das ist vorausschauende Politik. Wir wollen

uns auf diese Weise darauf einstellen, dass wir unser Ziel einer Nettoneuverschuldung von null nicht aus den Augen verlieren. Das ist und bleibt unser Ziel. Dafür wird die Mehrheit hier im Hause stehen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir stehen wie keine andere Mehrheit in diesem Hause zuvor für die Sanierung der Finanzen dieses Landes.

(Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Es wird schon noch eine andere Mehrheit kommen!)

Dieses Markenzeichen wird uns auch erhalten bleiben. Dieses Markenzeichen wird weiterhin Gegenstand unserer Politik sein, weil es gar nicht anders geht. Jetzt, in Krisenzeiten, die Verfolgung des Ziels, die Nettoneuverschuldung herunterzufahren, einmal auszusetzen, ist leider notwendig. Aber das Ziel ist damit nicht aufgegeben, sondern seine Verfolgung ist nur für eine Zeit ausgesetzt. Es wird dann weiterverfolgt, und wir werden es früher erreichen, als wir es erreichen müssen. Sie werden es sehen!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben es einmal geschafft,

(Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Ihr habt es noch nie geschafft! Wann habt ihr das schon geschafft?)

und ich garantiere Ihnen: Wir werden es wieder schaffen, dahin zu kommen. Die Nettoneuverschuldung null wird unser Ziel bleiben. Sie werden sehen: Wir machen nicht mehr Schulden als notwendig. Wir werden auch in dieser Finanzmarktkrise behutsam herangehen. Wir brauchen aber diese Spielräume, damit wir verantwortungsvoll handeln können. Wir werden dazu zurückkehren, dass wir die Nettoneuverschuldung in geregelten Schritten, wie in der mittelfristigen Finanzplanung ausgewiesen, weiter zurückführen, und dann unser Ziel direkt erreichen. Das haben wir stets vor Augen.

Ich sage Ihnen: Dieser Nachtragshaushaltsplan ist notwendig, um den Gegebenheiten der Krise entgegenzuwirken, um proaktiv handeln zu können. Wenn Sie in der Krise verantwortungsvoll handeln wollen, dann unterstützen Sie diesen Nachtragshaushaltsplan, damit Niedersachsen diesen Kurs

weiter fortsetzen kann, um erfolgreich aus der Krise herauszukommen.

Herzlichen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke schön, Herr Kollege Hilbers. - Zu einer Kurzintervention auf Ihren Redebeitrag hat sich von der SPD-Fraktion Frau Kollegin Geuter gemeldet. Sie haben das Wort für eineinhalb Minuten. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist richtig, dass auch vergangene Landesregierungen Rücklagen gebildet haben. Aber diese Rücklagen dürfen nur dann gebildet werden, wenn damit nicht die Gefahr besteht, dass der Landeshaushalt verfassungswidrig wird.

(Beifall bei der SPD)