Protokoll der Sitzung vom 29.10.2009

Wir als Sozialdemokraten bieten Ihnen an, mit den anderen Fraktionen in diesem Landtag das Modell Rheinland-Pfalz für Niedersachsen praktikabel zu machen. Erste Gespräche mit den kommunalen Spitzenverbänden haben deutlich gemacht, dass sie zwar nicht gejubelt haben, als sie gehört haben, dass wir den Vorschlag machen werden, ihn aber nicht durchweg ablehnen; denn sie erkennen durchaus, dass die Problematik in den Jahren 2010 und 2011 nicht beherrschbar ist, jedenfalls nicht mit kommunalen Mitteln. Wenn der Kommunalminister Schünemann die Kommunen im Regen stehen lässt, wie dies absehbar ist, dann haben wir vor Ort die Probleme, und das Land entzieht sich hier einer wichtigen Verpflichtung, nämlich den Kommunen ausreichend Geld für ihre Aufgaben zur Verfügung zu stellen.

Ich fasse abschließend zusammen: Der Antrag zielt auf drei ganz zentrale Punkte ab: erstens Verlässlichkeit bei den Einnahmen der Kommunen, zweitens Verstetigung und drittens fairer Umgang mit den Kommunen, wenn es darum geht, Zukunft zu planen. In diesem Sinne bitten wir in den Beratungen im Ausschuss erst einmal um Zuhören, dann um Mitwirken und letztlich um Zustimmung.

Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Herr Aller. - Für die CDU-Fraktion hat Herr Kollege Hiebing das Wort.

Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zweifelsohne befinden wir uns nach wie vor in einer schweren Wirtschafts- und Finanzkrise, nach Meinung vieler Experten in der schwersten Krise seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Viele Betriebe im Lande haben mit drastischen Auftragsrückgängen zu kämpfen. Vielerorts gelingt es nur noch mit

dem Instrument der Kurzarbeit, überhaupt auf Entlassungen zu verzichten. In einigen Bereichen waren diese jedoch schon unumgänglich.

Eines steht fest: Alle staatlichen Ebenen - Bund, Länder und Kommunen - sind von den Auswirkungen dieser Krise selbstverständlich ebenso in hohem Maße betroffen. Wie könnte das auch anders sein, sind doch die Einnahmen der staatlichen Ebenen in ihrer Mehrzahl zuerst von Gewinn und Umsatz bzw. von Einkommen und Einkünften überhaupt abhängig. Anders gesagt: Wenn es den Betrieben und den privaten Haushalten im Land schlechter geht, hat dies selbstverständlich auch Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte.

Gleichzeitig schlagen hier, meine Damen und Herren, die immensen Aufwendungen für Maßnahmen aus dem Konjunkturpaket zu Buche, deren Finanzierung für jede verantwortungsbewusste Politikerin und jeden verantwortungsbewussten Politiker klar mit dem Blick auf die Lasten nachkommender Generationen zu erfolgen hat. Selbstverständlich sind davon vielfach und sogar in besonderem Maße die Kommunen betroffen. Das ist unstrittig. Vielerorts wird mit großem Elan - ich denke, das ist gut so - an der Realisierung der Investitionsvorhaben gearbeitet, deren Finanzierung häufig überhaupt erst durch die Konjunkturpakete ermöglicht wurde.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Dabei sind in Niedersachsen die Finanzhilfen für zusätzliche Investitionen nicht nur zu den vom Bund geforderten 70 %, sondern sogar zu 78 % an die kommunale Ebene weitergegeben worden. Fast überall im Lande finden wir Baustellen für Neu- und Erweiterungsbauten an Schulen und Turnhallen, an Kindergärten und anderen kommunalen Gebäuden oder es geht dort um Renovierung und Sanierung, und zwar mit dem Ziel der energetischen Verbesserung von Gebäuden, die mit einer nachhaltigen Wirkung für Finanzen und Umwelt einhergeht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Eines ist dabei wichtig: Die Kommunen können im Rahmen der Vorgaben des Bundes weitgehend selbst entscheiden, wofür sie die Mittel ausgeben möchten. Das entspricht unserem Verständnis von kommunaler Selbstverwaltung, das genau das Gegenteil von dem beinhaltet, was Sie möglicherweise im Hinblick auf zentralstaatliche Regulierung gerne vorschlagen möchten.

Wir haben uns heute in erster Lesung mit dem vorliegenden Antrag zu befassen, bei dem man sich nicht des Gedankens erwehren kann, der Antragsteller wolle den Eindruck erwecken, dass die immensen Herausforderungen mit einer kurzen Entschließung des Landtages sehr schnell zu bewältigen seien. Das ist mitnichten so.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Also doch!)

- Das ist mitnichten so.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Ah ja!)

Ich gehe davon aus, Sie haben mich verstanden. Ich habe mich falsch ausgedrückt. Herr Jüttner, Sie sehen mir das hoffentlich nach.

Betrachten wir einmal genauer, was dem Antragsteller als Vorbild diente: In der Antragsbegründung wird explizit auf den dort so genannten Stabilisierungsfonds des Landes Rheinland-Pfalz Bezug genommen. Darin ist geregelt, dass das Land ungeachtet des tatsächlichen Steueraufkommens eine feste, mit vereinbarter Progression sogar ansteigende Summe aus dem Finanzausgleich bekommt. Das könnte sogar verlockend klingen, sollen doch die Einnahmen aus den Verbundzuweisungen nach dem Finanzausgleich weitestgehend von den konjunkturellen Schwankungen abgekoppelt werden. Die Wahrheit ist aber, dass diese Mittel als Darlehen zu verzinsen sind, und zwar zu Marktkonditionen. Mit anderen Worten: Die Kommunen übernehmen neben ihren eigenen Verbindlichkeiten gewissermaßen auch noch Kollektivschulden vom Land. Ich glaube, das wollen wir nicht.

(Beifall bei der CDU)

Dies hat weiterhin zur Folge, dass jede Kommune gemäß ihrem Anteil am Finanzausgleich an diesen Schulden beteiligt ist, und zwar ohne jeden Einfluss auf die Entscheidungen. So sieht zentralstaatlicher Dirigismus aus. Das entspricht nicht unseren Vorstellungen von einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit den Kommunen.

(Beifall bei der CDU)

Darüber hinaus hat sich der Niedersächsische Staatsgerichtshof bereits sehr eindeutig zur Frage der Lastenverteilung geäußert und den Grundsatz der Verteilungssymmetrie aufgestellt. Wie dies mit einer einseitigen Belastung des Landeshaushalts in wirtschaftlichen Krisenzeiten in Einklang zu bringen sein soll, müsste der Antragsteller vielleicht noch einmal erläutern. Auf jeden Fall ist festzustel

len - das hat auch die Verfassung so vorgesehen -, dass konjunkturelle Effekte nicht einseitig zulasten des Landes gehen sollten.

Die Zuweisungen aus dem kommunalen Finanzausgleich werden in diesem Jahr sogar um 3,8 % über denen des Vorjahres liegen. Die 3-MilliardenEuro-Schwelle wird erneut überschritten. Das Rekordniveau wird somit nochmals überschritten. Herr Kollege Aller, ich glaube, wir behandeln die Kommunen nicht stiefmütterlich. Gerade in den vergangenen Jahren ist viel getan worden, um die Einnahmesituation der Kommunen zu stabilisieren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich denke hier an die Gewerbesteuerumlage und an viele weitere Maßnahmen. Ich glaube, wir haben die Kommunen nicht im Regen stehen lassen. Im Gegenteil, wir haben alles getan, um sie zu stärken.

Die CDU-Fraktion steht weiterhin klar zum Konzept des Zukunftsvertrages für starke Kommunen. Der Vertrag soll noch in diesem Jahr mit den kommunalen Spitzenverbänden abgeschlossen werden. Darin werden neben einer weiteren Förderung der interkommunalen Zusammenarbeit und einer Erweiterung der Handlungsspielräume für die Kommunen auch Hilfen für Kommunen mit besonderen Problemen im Mittelpunkt stehen. Sie alle wissen, dass wir hier auf einem guten Wege sind.

Der Antragsteller bleibt uns - dies möchte ich hinzufügen - selbstverständlich und erwartungsgemäß eine Antwort auf die Frage schuldig, wie die in Rede stehenden 400 Millionen Euro zu finanzieren seien. Dass diese Frage dieser Tage in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung schon einmal unbeantwortet geblieben ist, spricht eigentlich für sich. Zusammenfassend kann man konstatieren, - - -

Einen letzten Satz gestatte ich Ihnen zur Zusammenfassung!

- - - dass der Antragsteller hier wohl den Nimbus einer kommunalfreundlichen Politik erhaschen wollte. Das geht aber gründlich daneben.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke schön, Herr Kollege Hiebing. - Für die Fraktion DIE LINKE hat nun Herr Dr. Sohn das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Hiebing, ich sage Ihnen jetzt einmal, was zentralstaatlicher Dirigismus in diesem Zusammenhang ist.

(Heinz Rolfes [CDU]: Da kennen Sie sich ja aus!)

Ich zitiere dabei Herrn Schünemann aus dem Protokoll über die 28. Plenarsitzung:

„Weiterhin notwendig ist eine grundlegende Reform der Gemeindefinanzen auf Bundesebene, damit die Einnahmen der Kommunen auf eine verlässliche und berechenbare Grundlage gestellt werden.“

(Björn Thümler [CDU]: Das ist aber kein zentralstaatlicher Dirigismus!)

Der Fonds dient dem Ziel - so habe ich den Antragsteller verstanden -, die im Moment herrschende völlige Unberechenbarkeit und die fehlende Verlässlichkeit hinsichtlich der Finanzen ab 2011 auszugleichen und insofern eine etwas stabilere Grundlage zu schaffen. Insoweit unterstützen wir diesen Antrag, den Herr Aller hier, wie ich finde, vernünftig begründet hat. Wir werden diesen Antrag deshalb zumindest in der Gesamttendenz - ich mache dazu gleich noch eine Bemerkung - unterstützen.

Meine erste Bemerkung ergänzt im Grunde das Vorgetragene. Es besteht insoweit auch gar kein Widerspruch zur Auffassung der Landesregierung. Dieser Antrag ersetzt natürlich nicht die Notwendigkeit, zu Regelungen zu kommen, die insgesamt und dauerhaft die kommunale Selbstverwaltung stärken, welche Ihre Politik zunehmend gefährdet, weil diese Politik die finanziellen Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung gefährdet. Dies sollte aus unserer Sicht sinnvollerweise als Perspektive über den Fonds hinausgehend in diesen Antrag eingearbeitet werden.

Ein Zweites. Die Schwäche, Herr Aller, die diese Stabilisierung notwendig macht, resultiert natürlich nicht erst aus der gegenwärtigen Krise. Sie hat tiefer liegende Ursachen, die leider nicht nur dieser Landesregierung anzulasten sind. Ich lese Ihnen einmal etwas aus einer Antwort vor, die das Mit

glied des Deutschen Bundestages Ulla Lötze, die der Fraktion DIE LINKE angehört, drei Tage vor der Bundestagswahl vom Bundesfinanzministerium auf ihre Frage erhalten hat, welche Auswirkungen eigentlich die verschiedenen Gesetze, die die Bundesregierung unter Ihrer Teilnahme verabschiedet hat, für die Kommunen gehabt haben. Die finanziellen Auswirkungen der zusammen mit der SPD verabschiedeten Gesetze werden auf zwischen 2,7 und 4,9 Milliarden Euro pro Jahr beziffert. Auch das muss redlicherweise hier einbezogen werden.

(Hartmut Möllring [CDU]: Stellt euch vor, die Kommunisten hätten mitre- giert!)

Im Kern ist dieser Fonds aber tatsächlich sinnvoll. Ich will in diesem Zusammenhang nochmals Herrn Schünemann ansprechen. Er hat in der bereits zitierten Erläuterung in der 28. Plenarsitzung weiterhin gesagt:

„Die Einbeziehung der kommunalen Steuern in eine grundlegende Steuerreform muss aus meiner Sicht eines der wichtigsten Ziele einer neuen Bundesregierung sein.“

Mich würde schon interessieren, wie dieses Ziel angesichts der Dürftigkeit der Koalitionsvereinbarung unter dem Gesichtspunkt der Jubelgesänge von gestern weiter verfolgt werden kann.

Schönen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Herzlichen Dank. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich Herr Briese zu Wort gemeldet. Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! - Wir werden in nächster Zeit ja sehen, wie sich die Einnahmesituation der Kommunen in Brandenburg entwickelt. Ich finde es gut, dass die Linkspartei auf Länderebene mit in die politische Verantwortung genommen wird. Wir werden sehen, ob der eine oder andere Blütentraum dort tatsächlich auch erwachsen wird oder ob sich das Ganze dann doch etwas relativiert. Also, ich finde es gut, wenn die Linkspartei mit in die Regierung kommt.