Protokoll der Sitzung vom 29.10.2009

Deswegen waren wir auch sehr froh, als CDU und FDP gesagt haben, sie wollten sich auch damit beschäftigen und einen eigenen Vorschlag vorlegen. Dieser Vorschlag liegt Ihnen nun als Beschlussempfehlung des Ausschusses vor. Diese lässt sich auf einen Satz reduzieren: Der Landtag bittet die Landesregierung, die Museumspädagogik an den Landesmuseen zu unterstützen. In Zielvereinbarungen soll das dann weiter gestärkt werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, indem Sie sich so mutlos, so unentschlossen verhalten und ohne Konkretisierung diesen lapidaren Satz zur Annahme empfehlen, der weit hinter dem zurückbleibt, was wir jetzt schon haben, werden Sie der Debatte nicht gerecht. Das wird auch unserem Anspruch nicht gerecht. Ich finde, da hätten Sie sich schon mehr anstrengen können.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Ich komme zum Schluss. Ich glaube, der Landtag würde mit der Annahme des SPD-Antrages tatsächlich ein Signal setzen. Mit der Annahme des Vorschlags von CDU und FDP kommen wir keinen Schritt weiter. Ganz im Gegenteil, wir geben weniger zu, als wir jetzt schon machen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Als Nächstes hat sich Frau Dr. Heinen-Kljajić zu Wort gemeldet. Sie haben das Wort. Bitte!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die soziale Schieflage im Bildungssystem spiegelt sich im Kulturbereich eins zu eins wider. Frau Behrens hat die Zahlen für den Bereich der Museen eben schon genannt. Deshalb ist es auch nur folgerichtig, wenn die Enquetekommission „Kultur in Deutschland“ im Bundestag gefordert hat, zum Abbau der Zugangsbarrieren eintrittsfreie

Angebote für Jugendliche unter 16 in Museen vorzuhalten.

In dem Bericht der Enquetekommission wird aber auch gesagt - an dieser Stelle greift der Antrag der SPD aus unserer Sicht zu kurz -, dass freier Eintritt alleine nicht reicht, um Hürden abzubauen. Es werden deshalb ausdrücklich speziell entwickelte Vermittlungsangebote gefordert, um Besucher aus sogenannten museumsfernen Schichten aktiv anzusprechen. Diese Angebote sollen vor allem nicht nur die Kinder ansprechen, sondern auch deren Ansprechpartner, also Großeltern, Eltern, Geschwister usw. Die generelle Abschaffung der Eintrittsgelder für Kinder und Jugendliche mag zwar einen Anstieg der Besucherzahlen zur Folge haben. Aber die Praxis lehrt, dass dieser Effekt nur deshalb zustande kommt, weil diejenigen, die ohnehin regelmäßig ins Museum gehen, dann noch häufiger dorthin gehen. Eine sozial gerechte Teilhabe jedenfalls erreicht man damit aller Erfahrung nach nicht. Deshalb verfehlt der Antrag der SPD an dieser Stelle das selbst gesteckte Ziel.

Einen niedrigschwelligen Museumseintritt erreicht man nur, wenn man durch zielgruppenspezifische Angebote Anreize setzt, die auch die Familien ansprechen, bei denen der Besuch eines Museums nun einmal nicht zum alltäglichen Freizeitverhalten gehört. Das können spezielle Programme sein. Das kann zielgruppenspezifische Öffentlichkeitsarbeit sein. Das kann Kooperation regionaler Museen sein, die gemeinsam einen Familientag anbieten. Wichtig war uns bei unserem Antrag, den Fokus nicht allein auf die Eintrittsbefreiung zu legen. Wir wollen lieber nur bestimmte Tage für Kinder und Jugendliche eintrittsfrei halten, diese dann aber mit klugen Konzepten bewerben.

Eine Erstattung von Einnahmeausfällen hätte an dieser Stelle sicherlich Anreize für die Museen geschaffen, solche Angebote vorzuhalten. Voraussetzung dafür wäre allerdings gewesen, dass man die Besucherzahlen erhoben hätte. Aber selbst dieser Forderung haben sich die Kollegen von CDU und FDP leider verwehrt, obwohl das Fehlen dieser Daten als klares Manko in der Ausschussberatung festgehalten wurde.

Liebe Kollegen von CDU und FDP, Ihre Beschlussempfehlung hat bedauerlicherweise keinen der genannten Punkte aufgegriffen. Stattdessen beschließen wir jetzt eine nichtssagende Phrase: Die Landesregierung möge die Museumspädagogik unterstützen und in Zielvereinbarungen absichern.

Der Beschlusstext wird dann in seiner semantischen Schlichtheit noch einmal getoppt: In der Begründung haben Sie sich darauf berufen, dass wissenschaftlich nicht belegt sei, dass Eintrittsgelder einkommensschwache Familien vom Museumsbesuch abhalten. - Meine Damen und Herren von CDU und FDP, das ist vor dem Hintergrund der Tatsache, dass es überhaupt keine wissenschaftliche Datenerhebung zu dieser Frage gibt,

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Gewagt!)

eine ziemlich billige Begründung. Geradezu absurd wird es, wenn Sie dann im weiteren Text konstatieren: „Der Eintritt stellt keinen Hinderungsgrund dar.“ Wir empfehlen an dieser Stelle, beim Fehlen wissenschaftlicher Expertise einfach einmal den gesunden Menschenverstand einzuschalten.

Meine Damen und Herren, der hierzu passende Beschlusstext müsste korrekterweise lauten: Der Landtag stellt fest, CDU und FDP ist zu diesem Thema schlicht nichts eingefallen.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Für die CDU-Fraktion spricht Herr Toepffer. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei aller sachlichen und auch freundlichen Debatte im Ausschuss dürfen wir eines nicht vergessen - das muss hier zumindest am Rande erwähnt werden -: Im Kern geht es heute darum, etwas abzuschaffen, was die SPD-geführte Vorgängerregierung erst 1995 eingeführt hat; denn bis dahin war der Eintritt in alle niedersächsischen Landesmuseen frei.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Gleichwohl ist es natürlich ehrenwert und begrüßenswert, darüber zu diskutieren, wie man die kulturelle Teilhabe von Kindern und Jugendlichen sichern kann. Die Frage ist doch nur, ob man nicht die Diskussion über den Bedarf voranstellen sollte, also die Frage stellen sollte, ob es wirklich so ist, dass Kinder und Jugendliche zuhauf in unsere Museen drängen und nur durch den Eintrittspreis zurückgeschreckt werden.

Wir alle wissen: Wenn wir in unsere Museen gehen, finden wir dort Kinder und Jugendliche in allzu geringer Zahl. Wenn man sie trifft, dann meistens

im Schulklassen- oder Familienverband, aber ganz selten alleine. Man muss hier ehrlicherweise einmal die Frage stellen, warum das so ist. Ich denke, das hängt vielfach mit der Art und Weise zusammen, wie in unseren Museen Kultur präsentiert wird.

Wenn ich mit meinem siebenjährigen Sohn einen Dinosaurier sehen will, fahre ich eben nicht ins Landesmuseum nach Hannover, sondern in einen Erlebnispark nach Münchehagen, weil Dinosaurier da ganz anders präsentiert werden als in unseren Museen: Da können Kinder mitmachen, da können Kinder Kultur erleben, da sieht man übrigens auch viel mehr als einen Dinosaurier. Das ist auf jeden Fall ein besseres Angebot.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Ein teu- reres auch!)

Ich denke, der Eintrittspreis ist für die Frage, ob Kinder und Jugendliche unsere Museen in ausreichender Zahl besuchen, tatsächlich von untergeordneter Bedeutung.

(Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Das ist ja unglaublich! - Kreszentia Flauger [LINKE]: Weltfremd!)

- Es ist so.

(Anhaltende Zurufe von der LINKEN)

- Wenn Sie eine Zwischenfrage stellen wollen, bitte schön, jederzeit! - Ich bleibe dabei, der Eintrittspreis ist ein völlig untergeordneter Faktor, wenn es um die Attraktivität unserer Museen für Kinder und Jugendliche geht. Die Qualität, in der Kultur präsentiert wird, ist hier der entscheidende Faktor.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Toepffer, Herr Borngräber bittet, eine Zwischenfrage stellen zu dürfen.

Gerne, Herr Borngräber.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Kollege Toepffer, könnten Sie freundlicherweise den Unterschied zwischen einem Museum und einem Freizeitpark definieren?

Nein. Ich kann den Unterschied zwischen einem Museum und einem Erlebnispark definieren. Ein

Museum hat auch die Verpflichtung, Kultur zu sammeln und zu forschen. All das finden Sie in einem Erlebnispark nicht. Ich will auch nicht, dass jedes Museum zu einem Erlebnispark mutiert.

(Zustimmung bei der CDU)

Das ist überhaupt nicht das Ziel des Ganzen. Aber ich denke, man kann von Erlebnisparks lernen. Fahren Sie nach Wolfsburg, und gucken Sie sich das Phaeno an, ein Naturkundemuseum, in dem Kinder mitmachen können, in dem Kinder wirklich erleben, wie Kultur aussieht! Dann sehen Sie, was ich meine. Dann sind wir auf dem richtigen Weg.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Es reicht heute einfach nicht mehr, Artefakte auszustellen, sie in einem Glaskasten zu packen, ein kleines Schild daneben zu stellen und zu denken, das werde alle begeistern, sodass die Leute kommen, ob es etwas kostet oder nicht.

Ein schönes Beispiel sind die Schöninger Speere, wunderbare Kulturgüter, die lange Zeit überhaupt nicht ausgestellt worden sind. In der Tat müssen wir uns Gedanken machen, ob es ausreichen wird, sie in irgendeine finstere Ecke eines Museums zu stellen, oder wie wir diese Artefakte so ausstellen können, dass Kultur erlebt werden kann.

(Zustimmung bei der CDU)

Natürlich gehört zu dieser Art einer kinder- und jugendgerechten Präsentation von Kultur auch Museumspädagogik. Das ist vollkommen richtig. Da wird in niedersächsischen Museen bereits Großartiges geleistet. Ich weise nur auf die Kinderscouts in unseren Landesmuseen hin. Das muss ausgebaut werden.

Frau Heinen-Kljajić, Sie sagen, unsere Beschlussempfehlung sei da zu dürftig. Aber wir wollen den Museen da keine Fesseln anlegen. Für uns ist wichtig, dass Museumspädagogik stattfindet. Wir wollen die Museen an ihren Zielen messen, aber nicht an der Art und Weise, wie diese Museumspädagogik stattfindet. Deswegen beschränken wir uns auf die Forderung nach Zielvereinbarungen und gehen davon aus, dass diese eingehalten werden.

Nun zurück zu den Eintrittspreisen: Man kann auch über Eintrittspreise reden. Ich will gar nicht ausschließen, dass Eintrittspreise irgendwann, wenn der Bedarf wirklich so groß ist, tatsächlich die letzte Hürde darstellen, die Kinder und Jugendliche vom Museumsbesuch abhält.

(Aha! bei den GRÜNEN)

Aber vor Schnellschüssen möchte ich doch warnen.

(Zustimmung bei der CDU)

Was ich damit meine, wird an folgendem Punkt deutlich: Frau Behrens, Sie fordern, dass die Eintrittsgelder für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren abgeschafft werden. Stellen wir uns das einmal praktisch vor: Da kommt die sozial schwache Familie ins Landesmuseum, Vater, Mutter und zwei Kinder von sieben und acht Jahren. Der Vater und die Mutter müssen die Kinder dann abgeben, weil sich die Eltern selbst das Eintrittsgeld immer noch nicht leisten können, sodass die Kinder allein ins Museum gehen. - Das kann es nicht sein! Für uns ist und bleibt ein Museumsbesuch ein Familienerlebnis.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)