Protokoll der Sitzung vom 29.10.2009

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Man muss sich einmal darüber Gedanken machen, wie man ein Eintrittspreissystem wirklich intelligent gestalten kann. Das ist der Grund, warum wir im Ausschuss von Anfang an gesagt haben: Ja, wir wollen sachorientiert mitdiskutieren. - Uns fehlen schlichtweg die Zahlen. Wir haben in Niedersachsen einen eintrittsfreien Freitagnachmittag, aber niemand konnte mir im Ausschuss sagen, ob an diesem eintrittsfreien Freitagnachmittag mehr Kinder und Jugendliche kommen oder ob sie aus sozial schwachen Familien kommen. Ich finde Ihren Vorschlag mit dem Kennzahlensystem gar nicht schlecht. Sie haben im Ausschuss aber auch noch andere Vorschläge gemacht, beispielsweise die Einbeziehung der einschlägigen Fachbereiche unserer Museen. Ich gehe davon aus, dass diese Bringschuld noch erbracht wird.

Zusammenfassend ist zu sagen: Letztendlich müssen wir in erster Linie dafür sorgen, dass die Erlebniswelt Museum qualitativ verbessert wird. Wir können dann, wenn die Zahlen vorliegen, sicherlich auch einmal darüber reden, wie man das Eintrittspreissystem intelligent verändern kann.

Von der Landesregierung erwarte ich eigentlich nur eines, nämlich dass sie, nachdem sie diese Bringschuld bezüglich der Zahlen erfüllt hat, nicht ganz so lapidar auf das Thema antwortet, wie es die rot-grüne Vorgängerregierung getan hat. Sie hat nämlich am 28. November 1996

(Helge Limburg [GRÜNE]: Das war eine rote Alleinregierung!)

- Entschuldigung, Herr Limburg, dann war es die rote Alleinregierung; sagen wir: die SPD-geführte Vorgängerregierung - auf eine entsprechende Anfrage meiner Kollegin Mundlos nach den Eintrittsgeldern ganz lapidar geantwortet:

„Die Landesregierung wird an der Erhebung der Eintrittsgelder an staatlichen Museen festhalten.“

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Grascha von der FDP-Fraktion hat sich zu Wort gemeldet. Bitte!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Tat - da möchte ich dem Kollegen Töpfer ausdrücklich recht geben - waren die Ausschussberatungen insofern etwas ernüchternd, als die Datenbasis tatsächlich gefehlt hat, auf deren Grundlage man entsprechende Schritte einleiten könnte. Insofern ist das natürlich auch ein Punkt, an dem wir in Zukunft weiter arbeiten müssen. Die einzelnen Einrichtungen, also die Landesmuseen, sind gefragt, eine Datenbasis zu schaffen. Sie müssen sich die Fragen stellen: Wer geht eigentlich in die Museen? Wie entwickeln sich bestimmte Aktionen wie z. B. ein familienfreundlicher Tag? Welche neuen Zielgruppen kann man mit solchen Aktionen für unsere Museen gewinnen?

Das Ziel, Kinder und Jugendliche zum Besuch der Landesmuseen zu motivieren, ist sicherlich ehrenwert. Das ist unstrittig. Aber wir sind genauso wie die CDU-Fraktion der Auffassung, dass lediglich ein kostenloser Zugang diesem Ziel nicht gerecht wird. Während die Grünen sehr differenziert argumentieren - das hatten wir schon im Ausschuss gesagt, Frau Heinen-Kljajić -, was wir gut finden, weil in ihrem Antrag der museumspädagogische Teil entsprechend berücksichtigt wird, greift der Antrag der SPD aus unserer Sicht einfach zu kurz.

Entscheidend ist aus unserer Sicht, dass die Qualität der museumspädagogischen Angebote weiterentwickelt und verbessert wird. Das schafft die Motivation, auch tatsächlich ein Landesmuseum zu besuchen. Der entscheidende Punkt ist aber, dass wir diese Angebote nicht allein auf die Kinder abstellen, sondern insbesondere die Familienfreundlichkeit unserer Einrichtungen in den Mittelpunkt stellen. Wir wollen den Landesmuseen natürlich

auch die Freiheit lassen, das Ziel der Familienfreundlichkeit selbst auszugestalten, und wollen es in der Zielvereinbarung verankern, sodass dieses Ziel tatsächlich erreicht werden kann.

Ich möchte noch auf einen Punkt eingehen, der ebenfalls im SPD-Antrag erwähnt wird, nämlich auf die Frage: Wie gehen eigentlich unsere Kommunen damit um? - Die Kommunen sind selbst verantwortlich, vor Ort Kooperationen mit Schulen, mit Kindertagesstätten, mit Vereinen, mit Verbänden und mit wem auch immer einzugehen, um das Thema der Kulturbildung weiter voranzubringen. Die Kommunen haben hier einen Standortvorteil, und deswegen ist es im Interesse jeder einzelnen Kommune, dieses Thema weiter voranzubringen.

Wir wollen auf jeden Fall unsere Landesmuseen weiter familienfreundlich gestalten. Es gibt schon heute verschiedene Angebote, von denen insbesondere Schülergruppen profitieren. Es gibt auch bereits Familienangebote. Solche Angebote müssen wir weiterentwickeln, und daran werden wir weiter arbeiten.

Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herrn Perli von der Fraktion DIE LINKE erteile ich das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Zugang junger Menschen zu kulturellen Gütern ist von herausragender Bedeutung für die Förderung der kulturellen Bildung.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn das Interesse an Geschichte, Kunst und Kultur erst geweckt wurde, bestehen gute Chancen, dass Museen und Denkmäler, Literatur und Malerei, bildende Künste, Musik, Theater und soziokulturelle Zentren auch später wertgeschätzt und regelmäßig besucht bzw. konsumiert werden. Museen atmen eine Atmosphäre des Geistes und Interesses an der Welt und sind deswegen für die Besucherinnen und Besucher fast immer eine Bereicherung. Sie regen im besten Fall auch zur kritischen Auseinandersetzung mit dem Gegenstand an.

Die Politik muss in diesem Zusammenhang fragen: Weshalb nehmen Kinder und Jugendliche die kulturellen Angebote immer noch unterdurchschnitt

lich in Anspruch? Was hält sie vom Besuch ab? Mit welchen Maßnahmen kann die kulturelle Teilhabe junger Menschen gesteigert werden? - Die Hildesheimer Kulturwissenschaftlerin Birgit Mandel z. B. hat wiederholt darauf hingewiesen, dass neben den finanziellen Barrieren und einem Mangel an Angeboten häufig auch soziale und psychische Barrieren Hinderungsgründe für die Kulturnutzung darstellen. Hierzu können z. B. ein fehlendes Vorverständnis zählen, ebenso die Sorge, als Kulturnutzer in den eigenen sozialen Kreisen als sonderbar zu gelten, oder das Gefühl, nicht dazu zu gehören. Deshalb ist völlig klar, dass wir allein mit der Abschaffung der Eintrittsgebühren noch lange nicht das gesellschaftspolitische Ziel erreicht hätten, dass kulturelle Angebote von der Mehrheit der Menschen genutzt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Anträge von SPD und Grünen wollen Maßnahmen auf den Weg bringen, um bei Kindern und Jugendlichen materielle und habituelle Hürden beim Zugang zu Museen abzuschaffen bzw. abzusenken. Die Fraktion DIE LINKE begrüßt diese Schritte als in die richtige Richtung gehend. Wir wollen die gesellschaftliche und kulturelle Teilhabe für alle Menschen ermöglichen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Deshalb sollten nicht nur Kinder und Jugendliche von Eintrittsgeldern für Museen befreit werden. Es bleibt nämlich Ausgrenzung - Herr Töpfer hat darauf hingewiesen -, wenn eine 15-Jährige zwar kostenlos ins Museum darf, ihre Eltern, die von Hartz IV leben, oder ihre Großeltern, die nur eine kleine Rente bekommen, an dieser Stelle aber sparen müssen und draußen bleiben. Gemäß den Hartz-IV-Regelleistungen stehen Kindern bis zum Alter von 13 Jahren 4,57 Euro pro Monat für Sport- und Kulturveranstaltungen zur Verfügung, für Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren sind es 5,22 Euro pro Monat und für einen Erwachsenen 6,53 Euro. Diese Zahlen verdeutlichen nicht nur, dass es Zeit wird, Eintrittsgebühren nicht nur für Kinder und Jugendliche in vielen öffentlichen Kultureinrichtungen abzuschaffen, weil sie eine soziale Ausgrenzung darstellen, sondern sie auch für erwachsene Menschen abzuschaffen. Dazu kommt: Diese Eintrittspreise decken nur einen kleinen Teil der Kosten ab.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Politik kann und muss sich in die Preisgestaltung einmischen, weil es sich um öffentliches Ei

gentum handelt. Die durch eine Neuregelung entstehenden Ausfälle, die in einem überschaubaren Rahmen bleiben, könnten dann von der Landesseite ausgeglichen werden. Das, was CDU und FDP hier stattdessen vorschlagen, ignoriert wie so oft die Entwicklung in anderen Bundesländern und im europäischen Ausland. In Frankreich haben Kinder und Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr einen kostenlosen Eintritt in staatliche Museen. In England gilt das für alle Bürgerinnen und Bürger. Das ist richtig so; denn was allen gehört, soll auch allen zugänglich sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren von FDP und CDU, wenn Sie sagen, dass die Anträge von SPD und Grünen zu kurz greifen, dann frage ich Sie: Wo sind denn Ihre weitergehenden Schritte? - Da ist totale Fehlanzeige. Wenn Sie die schwarz-gelben Scheuklappen schon nicht ablegen wollen, dann schauen Sie bei dieser kulturpolitischen Frage doch einmal nach Sachsen. Dort heißt es im neuen schwarz-gelben Koalitionsvertrag zwischen ganz vielen ziemlich schlechten Maßnahmen immerhin: „Wir setzen uns für einen freien Eintritt von Jugendlichen bis 16 Jahren in die staatlichen Museen ein.“ Die können es also besser, was auch daran liegt, dass sie dort auch Geld für Kultur in die Hand nehmen.

(Zustimmung von Kreszentia Flauger [LINKE])

Ich fasse zusammen: Die Schwellen beim Zugang zu Kultur müssen in schnellen Schritten gesenkt werden. Besonders für Kinder und Jugendliche dürfen sie nicht finanzieller Art sein.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Minister Stratmann, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Perli, fragen Sie einmal Herrn Schulz, der als Intendant von Hannover nach Sachsen gewechselt ist, wie sich die finanziellen Bedingungen in den sächsischen Kultureinrichtungen im Vergleich zu Niedersachsen darstellen. Dann werden Sie hören, dass da die Bäume keineswegs in den Himmel wachsen, was ja auch nicht verwundert, wenn man sich die Haushaltssi

tuation der einzelnen Länder genauer anschaut. Das nur als Eingangsbemerkung.

Herr Minister, gestatten Sie eine Frage von Herrn Perli?

Herr Perli möchte mich etwas fragen?

Ja. - Bitte!

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Meistens wartet man ja erst einen Redebeitrag ab!)

Herr Minister, ich habe den geschätzten Kollegen noch nicht fragen können. Ist Ihnen denn bekannt, dass das Bundesland Sachsen im Vergleich zu allen anderen Flächenbundesländern in Deutschland die höchsten Kulturausgaben pro Einwohner hat?

Das ist mir bekannt, ganz abgesehen davon, dass u. a. auch Niedersachsen mit dazu beiträgt, dass Sachsen es sich überhaupt leisten kann, diese Kosten zu schultern.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Als Vertreter eines Landes wie Niedersachsen stellt man sich schon die Frage, ob das alles so richtig ist. Ich weise natürlich auch darauf hin, dass es eine Schande wäre, wenn sich ein Land wie Sachsen, das derartige Kulturgüter wie etwa Dresden aufzuweisen hat, nicht in angemessener Form um diese Kulturgüter kümmern würde, so wie wir das in Niedersachsen mit unseren Kulturgütern ja auch tun. Jeder, der Dresden kennt, weiß natürlich, welche Verantwortung damit einhergeht und dass das sehr viel Geld kostet.

Meine Damen und Herren, jetzt zum Thema: Ich möchte mich eingangs dafür bedanken, dass diese Debatte doch einigermaßen differenziert geführt wurde; denn natürlich ist das Einfordern von vermeintlich einfachen Lösungen etwas sehr Verführerisches. Ich stelle fest, dass keiner der Redner hier die Behauptung aufgestellt hat, allein durch

den Wegfall der Eintrittsgelder seien alle Probleme gelöst.

Auch der Hinweis auf andere Länder hilft überhaupt nicht weiter. Wir alle sind mittlerweile international aufgestellt und reisen viel herum. Ich denke, dass vor allem die Kulturpolitiker schon einmal Museen in anderen Ländern besucht haben und deshalb wissen, dass dort, wo unter Umständen für Kinder und Jugendliche keine Eintrittsgebühren verlangt werden, Erwachsene im Vergleich zu Deutschland exorbitant hohe Eintrittspreise zahlen müssen. Ich denke da etwa an Großbritannien oder an die Vereinigten Staaten und auch an einige französische Museen. Das ist ein Weg, über den man in Niedersachsen nachdenken kann. Ich bin mir aber ziemlich sicher, liebe Frau Behrens, dass wir auch dann, wenn wir einen solchen Vorschlag unterbreiten würden, bei Ihnen nicht auf Zustimmung und Begeisterung stoßen würden.