Protokoll der Sitzung vom 07.05.2008

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der JadeWeserPort ist mit Sicherheit das erste Großbauvorhaben, bei dem es eine Prämie dafür gibt, dass der Bau ein Jahr später fertig wird, als der Planer - hier das Wirtschaftsministerium - es den Bauherren - in diesem Fall den Steuerzahlern - versprochen hat. Die zusätzlich eingeführte Mär, dass dafür die Gesamtfertigstellung im Jahr 2013 sogar früher als geplant möglich werde, ist angesichts der anders lautenden Aussagen im Untersuchungsausschuss ebenso reine Propaganda.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Im Januar hatte Eurogate doch klargemacht, dass mit zwei Reedereien schon Verträge für 2010 abgeschlossen seien und erhebliche Pönale bei einer verspäteten Fertigstellung drohen. Es ist offensichtlich, in welcher Zwickmühle die Landesregierung mit ihrer absurden Behauptung vor der Landtagswahl, die Fertigstellung sei noch vor 2010 gesichert, bis jetzt steckte.

Die politischen Treuhänder für das Milliardenprojekt - Wirtschaftsminister Hirche und sein Staatssekretär Werren - haben kläglich versagt. Nun sollen dafür auch noch die Steuerzahler die Zeche zahlen. Das ist ein absurdes Stück aus dem Tollhaus, Herr Ministerpräsident. Ihre jüngsten verbalen Angriffe und Drohungen gegen die Bremer zeigen doch, wie sehr diese Landesregierung durch die Fehler der eigenen verantwortlichen Akteure mit dem Rücken an der Wand steht.

Jetzt soll mit Steuergeld nachgeholfen werden, damit die wirtschaftlichen Verluste durch den verspäteten Betriebsbeginn im Hafen nicht noch größeren Schaden anrichten. Dass es hier auch keinen Grund in der Sache für die jüngst bekannt gewordene Turboprämie in Höhe von 8,5 Millionen Euro gibt, sondern es allein um die Schadensbegrenzung einer vor allem von niedersächsischen Verwaltungen zu verantwortenden Verzögerung geht, zeigt die Tatsache, dass Niedersachsen diese 8,5 Millionen Euro klaglos alleine zahlt. Wo bleibt dann bitte schön der 49-prozentige Anteil von Bremen? Warum haben Sie über dieses Geld nicht den offenen Streit mit Bremen gesucht, Herr Ministerpräsident? Stattdessen meckern Sie jetzt über Zitate aus merkwürdigen Online-Artikeln.

Sie benutzten die Angriffe einzelner Bremer Mitspieler gegen die zwar schuldhaft verzögerte, aber zuletzt rechtlich einwandfreie Beauftragung von Bunte, um das von Ihrer Regierung zu verantwortende zeitliche und finanzielle Desaster der Realisierung des JadeWeserPorts zu kaschieren.

Minister Hirche verdreht dabei in seiner Außendarstellung sogar Ursache und Wirkung, wenn er als Grund für die einseitige Kostenübernahme und die anhaltende Bremer Kritik anführt, die Landesregierung müsse nun zunächst die Scherben aus dem Untersuchungsausschuss gegenüber Bremen aufheben. - Da lachen doch die Hühner. Ich muss an dieser Stelle ausdrücklich den Kollegen Bode vor Minister Hirche in Schutz nehmen. Ich finde, Herr Bode hat hier gegenüber Bremen genauso wenig wie die anderen Vertreter und Sprecher im Untersuchungsausschuss falsche Beschuldigungen angeführt. Die waren alle grundsolide begründet. Also keine Scherben des Untersuchungsausschusses. Die Scherben haben Sie selbst gemacht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Dezember wurden uns der Austausch der Geschäftsführung angekündigt und ein Neuanfang versprochen. Im Februar wurde der Führungsposten ausgeschrieben. Offensichtlich haben Sie bis heute

keinen geeigneten Nachfolger für die Realisierungsgesellschaft gefunden, den Sie uns hätten präsentieren können. Ein Armutszeugnis. Herr Ministerpräsident, machen Sie Schluss mit den Mätzchen und bringen Sie endlich die finanzielle und die organisatorische Umsetzung dieses wichtigen Infrastrukturprojekts wieder in Ordnung! Lösen Sie die Führungsfrage, und verständigen Sie sich mit Bremen und mit der ausführenden Firma Bunte über die verzögerungsbedingten Mehrkosten! Es muss doch objektiv zu klären sein, ob der Bau wegen Zeitverzug nun 65 Millionen Euro oder aber nur 6 Millionen Euro teurer wird, wie die Bremer das nach außen hin behaupten. Anstatt öffentlich Bekenntnisse einzufordern, die niemand braucht, sollten Sie das Organisationschaos im eigenen Bereich beenden, Herr Wulff, und die dafür verantwortlichen Personen endlich auswechseln. Dann geht es mit dem JadeWeserPort auch wieder voran.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Wort hat nun Herr Sohn von der Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion teilt die Einschätzung der SPD, dass die Landesregierung mit dem JadeWeserPort ganz offensichtlich überfordert ist. In gewisser Weise kann man über diese Überforderung und die zeitlichen Verzögerungen sogar froh sein. Das ganze Verfahren erinnert nämlich ein bisschen an das Motto: Wir bauen erst einmal einen Hafen und gucken, was dann kommt.

Insgesamt gibt es in dieser gesamten Angelegenheit eine ganze Serie von Konzeptionslosigkeiten.

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Das fängt bei Ihrem Redebeitrag an!)

So fehlt - darauf hat die SPD hingewiesen - eine Planung, um einen reinen Containerumschlagplatz und den damit verbundenen möglichen Verlust von Arbeitsplätzen zu vermeiden. Dieser Punkt ist aber nur ein Mosaikstein einer fehlenden Konzeption insgesamt.

Gestatten Sie mir zusätzlich zu dem, was Herr Jüttner in diesem Zusammenhang bereits gesagt hat, drei Bemerkungen.

Erstens. Der WWF hat darauf hingewiesen, dass bis zum Jahre 2010 3,3 Milliarden Euro Steuergelder für verschiedene norddeutsche Hafenkonzepte ausgegeben werden, ohne dass ein norddeutsches Tiefseehafengesamtkonzept vorliegt. Das betrifft die Problematik der Elbe.

Herr Dr. Sohn, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, im Moment nicht. - Das betrifft die Problematik in Hamburg. Dort ist die CDU ja sehr für die Elbausbaggerung, was mit dem Hafenausbau dort zusammenhängt, während sie in anderen Bereichen dagegen ist. Die Grünen sind bekanntermaßen leider mit in dieses problematische Boot gestiegen. Das betrifft auch Bremerhaven. Insgesamt geht es um das Versenken von 3,3 Milliarden Euro Steuergeldern ohne eine Gesamtkonzeption in Bezug auf die dort verbauten Mittel.

Insofern lautet die erste Hauptforderung: Wir brauchen ein norddeutsches Tiefseehafenkonzept.

Unsere Partei hat unter Leitung der Bundestagsfraktion am 25. August 2007 den Versuch unternommen - mit dem die CDU gescheitert ist -, länderübergreifend durch eine Partei ein in sich geschlossenes Tiefseehafenkonzept vorzulegen. Diese Arbeit werden wir unter Federführung der niedersächsischen Fraktion fortsetzen.

Der zweite Punkt, an dem die Konzeptionslosigkeit deutlich wird, betrifft die Arbeitsplätze. Die Schaffung von Arbeitsplätzen ist natürlich das zentrale Argument für diesen Hafen. Aber auch hier wird ganz offensichtlich nach dem Motto verfahren: Wir bauen erst einmal einen Hafen; das mit den Arbeitsplätzen wird sich dann schon irgendwie finden.

Selbstverständlich wird sich das irgendwie finden. Wenn ein Hafen gebaut wird, werden natürlich auch Arbeitsplätze geschaffen. Wir wollen aber nicht irgendwelche Arbeitsplätze - befristete Arbeitsplätze, schlecht bezahlte Knochenjobs, Teilzeitkräfte, Zeitarbeit usw. Wir wollen - und dafür brauchen wir eine entsprechende Konzeption -, dass dort in Wilhelmshaven unbefristete, tariflich entlohnte Vollzeitstellen entstehen, und zwar vor allen Dingen für Menschen, die damit die notwendige Stabilität bekommen, um Kinder großziehen zu können, und nicht bangen müssen, vielleicht in zwei Jahren, wenn der Hype vorbei, schon wieder arbeitslos zu sein. Das ist das, was wir wollen.

(Beifall bei der LINKEN)

Zur Hafenplanung gehört daher auch die Planung der entsprechenden sozialen Rahmenbedingungen. Ich weiß, dass die FDP dann darauf verweist, das regele der Markt. Denn wenn ihr nichts einfällt, sagt die FDP ja immer: Markt, Markt, Markt.

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Marx? - Da- vid McAllister [CDU]: Marx?)

Wenn der Markt an diesem Punkt nicht regelnd wirkt, dann hilft eine vernünftige konzeptionelle Planung - die Sie nicht wollen. Stattdessen ziehen Sie sich auf das radikale ideologische Gerede „Markt, Markt, Markt“ zurück.

(Zuruf von der CDU: Marx, Marx, Marx!)

Insofern brauchen wir vonseiten der Landesregierung, vonseiten des Ministerpräsidenten Wulff, ein vernünftiges Konzept für die langfristigen sozialen Rahmenbedingungen, unter denen in diesem Hafenbereich gearbeitet werden kann. Das könnte - nur als Gedankenanregung - z. B. auch in Form einer Bundesratinitiative für den Mindestlohn, der dann auch dort gelten würde, vollzogen werden.

Drittens fehlt ein schlüssiges Konzept für den Abtransport der in Wilhelmshaven gelöschten Güter. Sie alle wissen, dass die Y-Trasse allein das Problem nicht löst. Deshalb bleibt Bremen der Engpass; da hat Herr Jüttner völlig recht.

(David McAllister [CDU]: Sind Sie für oder gegen die Y-Trasse?)

- Ich bin gegen die Y-Trasse; das können wir auch vertiefen.

(David McAllister [CDU]: Und dann werfen Sie uns vor, dass die Proble- me nicht gelöst werden!)

Deshalb muss man mit Bremen vernünftig reden und darf nicht so miteinander umgehen, wie das hier geschehen ist.

Insgesamt führt die Konzeptionslosigkeit des Abtransports der dort umgeschlagenen Güter über die Schiene zu einer Zunahme des Straßenverkehrs. Ich vermute fast, dass das Ihr heimliches Ziel ist. Das soll möglicherweise in der Tat das Ergebnis sein. Ich denke nur an das Lieblingsprojekt und -spielzeug von Herrn Hirche, die riesigen unmöglichen Schwertransporter.

Zusammengefasst: Wir brauchen ein norddeutsches Tiefseehafenkonzept. Wir brauchen ein

Sozialkonzept für den JadeWeserPort. Wir brauchen endlich ein vernünftiges Verkehrskonzept.

Schönen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Nun hat sich Herr Thümler von der CDU-Fraktion zu Wort gemeldet.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! „Täglich neue Pannenmeldungen“, so lautete die Überschrift Ihres Antrages zur Aktuellen Stunde. Ich habe mich gefragt, welche täglich neuen Pannenmeldungen Sie meinen. Leider haben Sie nicht aufgeklärt, was Sie damit im Detail überhaupt meinen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wenn ich „neue Pannenmeldungen“ allerdings so verstehen soll, dass das auf die ungeklärten und ungeordneten Verhältnisse Ihrer Partei zu beziehen ist, kann ich aber sagen: Das mag mittlerweile ja stimmen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Lieber Herr Jüttner, ich möchte hier einmal den Kollegen Siebels zitieren, der ja öfter zitiert wird, wenn es um wegweisende Worte geht. Er hat gesagt, es reiche nicht, nur zu meckern. Das ist in der Tat so. Es reicht nicht, nur zu meckern. Sie müssen hier schon einmal etwas mehr auf den Tisch bringen als nur die Kritik, was nach Ihrer Meinung alles schlecht läuft. So kann es nicht funktionieren.

Auf Ihre Aussage, wir hätten vom sofortigen Vollzug Gebrauch machen müssen, kann ich Ihnen erwidern, dass wir das machen. Nachdem wir das Verfahren in der Eilsache abgewartet haben, wie es der Respekt vor dem Gericht auch gebietet, ist jetzt der Vollzug vorgenommen worden.

(Gerd Ludwig Will [SPD]: Angst!)

- Nicht Angst, sondern Weisheit hat uns dazu geführt, lieber Herr Will. - Dementsprechend wird jetzt dort gebaut. Im Übrigen wird der Terminplan in Absprache mit Eurogate eingehalten. Es gibt überhaupt nichts daran zu deuteln, dass das Ganze funktioniert.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Nur der Wirtschaftsminister wusste nichts da- von!)