In dem Zusammenhang stehen auch keine Forderungen nach Studiengebühren und steht auch nicht der Hinweis auf reiche Eltern. Die Studierenden haben erlebt, was der Bologna-Prozess auch hier bei uns in Niedersachsen bewirkt hat. Die Akteure und die Hochschulgremien sind aktiv geworden, und auch die Landesregierung hat erkannt, dass Lösungen gefunden werden müssen.
Die Kultusministerkonferenz im Oktober 2009 hat bereits einen umfangreichen Forderungskatalog formuliert und die Hochschulen aufgefordert zu handeln.
Das Bachelorstudium muss viel besser der Berufsqualifizierung dienen. Die Lehrinhalte müssen entfrachtet werden. Die Anzahl und die zeitliche Abfolge von Prüfungsklausuren sind zu reduzieren. Die Lehre soll viel mehr berufspraktischen Bezug haben, damit die Studenten berufliche Kompetenz erwerben. Ganz wichtig ist: Die von Bologna geforderte Mobilität muss lebbar sein.
Mein Verständnis: Ein Prozess beinhaltet in sich, dass er kein starres Gebilde ist. Deshalb ist es auch nicht erstaunlich, dass es viele Verbesserungsoptionen gibt. Qualitätssicherung der Lehre ist für mich das richtige Stichwort. Lehre ist nicht das Anhängsel der Forschung. Lehre hat mit Bologna einen ganz anderen Stellenwert bekommen.
Dass sich die Studierenden im ersten Schritt mit Veränderungsprozessen beschäftigen, ist genau folgerichtig. Keine Maßnahme ohne Analyse - das ist schon längst mein Credo bei anstehenden Veränderungsprozessen.
Ich halte es für ausgesprochen wichtig, Studierende in die Diskussion einzubeziehen. Herr Minister Stratmann hat bereits das Signal gegeben, den notwendigen Reformkurs zu führen. Der FDP liegt sein Thesenpapier aus dem August 2009 vor. Ein Diskurs mit den Hochschulen ist erforderlich. Ohne
Entsprechend habe ich mich schon in einer Pressemitteilung geäußert. Diese Forderung will ich an dieser Stelle in aller Deutlichkeit wiederholen.
Nun zu den Studentenprotesten: Ich habe die Demonstration in Hannover gesehen: Das waren ca. 200 Studierende, deren Ziele sehr unterschiedlicher Natur waren. Hörsäle wurden übrigens an vielen Orten besetzt, aber nicht überall dort werden Studiengebühren erhoben. Die Studiengebühren sind im Zusammenhang mit dem geforderten Reformprozess kein Argument von allgemeiner Bedeutung.
Hier in Hannover wurden Hörsäle besetzt; das erzeugte die nötige Aufmerksamkeit. Aber als diese erreicht war und der Präsident in den Dialog mit den Studierenden eintrat, wurde die Besetzung plötzlich zum Selbstzweck - schade.
Ich habe mit studentischen Vertretern in Braunschweig das Gespräch gesucht und war über das dortige Demokratieverständnis erstaunt: Gespräche mit der Politik waren dort nämlich nicht erwünscht. Ganz anders gestern in Göttingen: Dort fand ein sehr sachliches und ausführliches Gespräch statt, in dem greifbare und gute Ansätze vorgebracht wurden. Von dieser Stelle aus noch einmal danke an diese Gruppe in Göttingen.
Zum Schluss möchte ich noch einmal den Wunsch der FDP unterstreichen, die Studenten unbedingt in die weitere Umsetzung des Bologna-Reformprozesses einzubinden.
Noch kurz vorweg: Ich erspare es mir, vom Präsidium aus einzelne Redner darauf hinzuweisen, dass die Reden frei zu halten sind, und zwar vor dem Hintergrund der Tatsache, dass sich die Ge
schäftsordnung in diesem Punkt sowieso ändern wird. Darauf hat sich schon meine Eingangsbemerkung zu Beginn des heutigen Tages bezogen. Insofern bitte ich um Verständnis dafür, dass wir das im Präsidium sozusagen schon vorab etwas großzügiger handhaben.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister Stratmann, ich stimme Ihnen uneingeschränkt zu, dass Bologna alternativlos war. Aber ich glaube, wir dürfen nicht den Fehler machen, die Stellschrauben zur Behebung der Fehler, die im Rahmen der Umsetzung entstanden sind, ausschließlich bei den Hochschulen zu sehen. Diese Einschränkung sollten wir nicht machen.
Sie haben auf die Studiengebühren verwiesen, die die Situation angeblich - Ihrer Meinung nach - verbessert hätten. Aber warum stimmt dann landauf, landab jeder - inklusive Bildungsministerin Schavan und Hochschulrektorenkonferenz - mit der Position der Studierenden überein und sagt „In der Lehre gibt es Defizite“? - Wenn diese Defizite durch die Studiengebühren behoben worden wären, gäbe es diese Proteste gar nicht. Sie haben selbst gesagt, dass nur 50 % der Einnahmen aus Studiengebühren in die Lehre fließen. Aber sie fließen nicht in zusätzliche Veranstaltungen, die zum Pflichtcurriculum gehören, sondern in Tutorien und Ähnliches; denn anders können die Hochschulen die Studiengebühren gar nicht verwenden - Stichwort „Kapazitätsverordnung“. Auch will man an der Stelle nicht flexible Mittel, die in die Hochschulen fließen, personell oder kostenmäßig binden.
Des Weiteren ist daraus die Konsequenz zu ziehen, dass wir als Politik, als Landtag mehr Mittel in die Lehre geben müssen. Die Fraktion der Grünen hat in einem entsprechenden Antrag vorgeschlagen, zumindest ein Anreizprogramm für bessere Lehre aufzulegen, das den Landesetat nicht weiter belasten würde, indem im Förderetat des VWVorab eine Förderlinie „Gute Lehre“ geschaffen würde. Das wäre eine Möglichkeit, endlich das Ungleichgewicht zwischen Forschung und Lehre - natürlich ist Forschung attraktiv, bringt Reputation
Wir brauchen mehr Mittel für die Lehre; denn die Kapazitäten, die wir hier aufbauen wollen, können die Hochschulen unter den gegebenen Bedingungen überhaupt nicht schaffen. Allein schon aufgrund des Hochschulpaktes haben Sie den Hochschulen per Verordnung vorgeschrieben, dass sie keine Studienplätze, keine Kapazitäten abbauen dürfen. Das finden wir richtig. Das bedeutet aber logischerweise, dass die Hochschulen überhaupt keine Möglichkeiten haben, ihr Lehrangebot aus eigener Kraft auszuweiten.
Eine letzte Anmerkung zu den Stipendien, Herr Minister Stratmann: Natürlich werden inzwischen auch Stipendien für die Studierenden zur Verfügung gestellt, aber sie werden im Wesentlichen aus den Studiengebühren finanziert, die die Studierenden zahlen müssen. Das Stipendienmodell, das jetzt auf Bundesebene angedacht ist, ist doch letztendlich nichts anderes als eine Art Selbstbedienungsprogramm für bildungsnahe Schichten.
Denn wenn Sie an 10 % der leistungsstärksten Studierenden Stipendien vergeben, dann heißt das - das belegen alle Untersuchungen -, dass diese Mittel bei denjenigen ankommen, die sich ohnehin schon auf der Siegerspur befinden.
- Ich möchte vorher aber darum bitten, dass im Plenum mehr Ruhe einkehrt. - Bitte schön, Herr Kollege!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht ein paar kurze Anmerkungen zu dem, was hier von den Kollegen vorgetragen wurde.
Zum einen glaube ich, dass es falsch ist, die aktuellen Protestaktionen darauf zurückzuführen, dass Studienbeiträge erhoben werden. Jeder versucht natürlich, im Rahmen dieser Proteste seine politische Position unterzubringen. Aber wir müssen feststellen, dass in ganz Deutschland - beispielsweise auch in Berlin - Proteste stattfinden und dass sie sich im Wesentlichen auf den BolognaProzess und auf die Studienbedingungen konzentrieren.
Ich bestreite nicht, dass die Abschaffung der Studienbeiträge eine Forderung der Studierenden ist. Aber der wesentliche Kern der Proteste bezieht sich auf die Studienbedingungen.
Ich möchte kurz auf den Antrag zu sprechen kommen, liebe Frau Kollegin Heinen-Kljajić, den Sie in den Ausschuss eingebracht haben und der sich mit genau dieser Frage beschäftigt. Er ist praktisch zeitgleich mit dem Zehn-Punkte-Programm von Minister Stratmann auf den Weg gebracht worden.
Wir haben uns im Ausschuss gemeinsam darauf geeinigt, die Beschlüsse der KMK und der Hochschulrektorenkonferenz von heute abzuwarten und Herrn Minister Stratmann oder Herrn Staatssekretär Lange zu bitten, sie uns darzustellen. Denn wir können uns bei diesem Thema möglicherweise einig werden. Frau Dr. Andretta, wir liegen in der Analyse dessen, was wir für richtig oder verbesserungsbedürftig halten, ja nicht weit auseinander.
Frau Heinen-Kljajić, Sie sind Herrn Minister Stratmann gerade angegangen und haben gesagt, dass sich seine Vorschläge im Wesentlichen an die Hochschulen richten. Wenn man sich Ihren Antrag anschaut, dann wird man im Ergebnis feststellen, dass auch Sie Appelle an die Hochschulen formulieren.
Sie wollen einen Arbeitskreis, eine Gesprächsrunde einrichten, in der das Ministerium gemeinsam mit den Hochschulen und Studierenden klären soll, was verbessert werden kann. Was ist das anderes als ein Appell an die Hochschulen?
Sie wollen weiter Anreize für die Bereitstellung von Drittmitteln schaffen. Das ist der „goldene Zügel“, den wir häufig kritisieren. Sie wollen die Mittel aus
der Forschungsförderung herausnehmen und in die Lehre verlagern. Darüber kann man diskutieren, aber man muss auch feststellen, dass dieselben Mittel den Hochschulen schon heute zufließen.