Als wir uns dafür entschieden haben, das zu machen - im Rahmen der Verwaltungsmodernisierung wurde das ja diskutiert -, haben wir gesagt, dass wir das Thema evaluieren lassen wollen. Der Kollege Briese hat schon darauf hingewiesen, dass von den 174 Bereichen nur wenige Bereiche vorgeschlagen worden sind, bei denen man erwägen sollte, die Widerspruchsverfahren wieder einzuführen. Dies ist im Wesentlichen mit den gleichen Argumenten begründet worden, meine Damen und
(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Da- mals habt ihr euch entschieden, den Menschen die Freiheit zu nehmen!)
Wir haben, Herr Kollege Bachmann, in Einzelfällen sicherlich den Effekt, den der Kollege Krogmann beschrieben hat, nämlich dass ein Ansteigen der Zahl der Gerichtsverfahren zu verzeichnen gewesen ist; das ist korrekt. Aber manchmal, Herr Kollege Krogmann, gibt es Gründe, die in einzelnen Fachgebieten mit bestimmten Einzelphänomene zusammenhängen und die nicht dauerhaft zum Tragen kommen werden.
Ich möchte Ihnen hier - dies habe ich schon in der Ausschussberatung gemacht - ein Thema aus meinem anderen Fachbereich zu Gemüte führen, das aus meiner Sicht exemplarisch dafür ist:
Im Rahmen der Verwaltungsmodernisierung wurde die Bearbeitung der Antragsverfahren für landwirtschaftliche Beihilfen von den Ämtern für Agrarstruktur auf die Landwirtschaftskammern übertragen. Die Landwirtschaftskammern haben damals einen großen Block an nicht abgearbeiteten Altverfahren übernommen - Stichwort „Bullenprämie 1995“. Alle Kolleginnen und Kollegen, die im Agrarausschuss sind, kennen und wissen das.
Diese Altverfahren sind abgewickelt worden. Natürlich sind viele davon vor Gericht gelandet. Weil es aber Altverfahren sind, bei denen man nicht sagen kann, dass das auf Dauer so sein wird, verehrte Kolleginnen und Kollegen, kann man aus einem solchen Grund beispielsweise für den Bereich der Landwirtschaft, der ja vom Gutachter auch vorgeschlagen worden ist, nicht darauf schließen, dass es eine richtige Maßnahme gewesen wäre, die Widerspruchsverfahren wieder einzuführen.
Von daher sage ich: Man muss sich die Materie zunächst ganz genau und im Detail angucken und kann erst dann beurteilen, verehrte Damen und Herren, ob es richtig oder falsch ist.
Ich möchte dem Kollegen Briese noch etwas sagen, weil ein bisschen der Eindruck erweckt wurde, dass die Anhörung für die Regierungsfraktionen katastrophal gewesen wäre und dass nur dabei herausgekommen wäre, dass wir alles falsch machten.
Ich möchte Ihnen zum Thema Bürokratie etwas zitieren, was die kommunalen Spitzenverbände dazu ausgeführt haben. Die Stellungnahme der kommunalen Spitzenverbände ist in der Vorlage 6 zur Drs. 16/1414 verteilt worden. Ich zitiere aus dieser Vorlage:
„Dieses Vorhaben ist die konsequente Folgerung aus den positiven Erfahrungen, die die kommunale Praxis in den vergangenen Jahren gemacht hat. Die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens entspricht einer langjährigen Forderung der kommunalen Spitzenverbände zum Bürokratieabbau und der Entlastung der Verwaltungen.“
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das sagt doch wohl alles. Deswegen werden wir diesem Gesetzentwurf zustimmen.
Artikel 1. - Hierzu liegt eine Änderungsempfehlung des Ausschusses vor. Wer möchte ihr zustimmen? - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Änderungsempfehlung des Ausschusses gefolgt.
Artikel 2. - Auch hierzu liegt eine Änderungsempfehlung des Ausschusses vor. Wer stimmt ihr zu? - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Auch hier ist der Änderungsempfehlung des Ausschusses gefolgt worden.
Wir kommen zur Schlussabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Gibt es Stimmenthaltungen? - Damit ist das Gesetz so beschlossen.
Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen und damit den Antrag der Fraktion der SPD in der Drs. 16/1209 ablehnen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Beschlussempfehlung des Ausschusses gefolgt worden.
Zweite Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Informationsfreiheit in Niedersachsen - Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/1474 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres, Sport und Integration - Drs. 16/1850 - Schriftlicher Bericht - Drs. 16/1883
Ich eröffne die Aussprache. Von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich Herr Kollege Limburg zu Wort gemeldet. Bitte schön, Sie haben das Wort!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Transparenz oder geschlossener Aktendeckel, moderner Bürgerstaat oder verstaubter Obrigkeitsstaat, ein Staat, der seine Bürgerinnen und Bürger zum Mitwirken und zu echter Beteiligung auffordert und ermutigt, oder ein Staat, der seinen Bürgerinnen und Bürgern misstraut und sie sich vom Leib halten möchte? Über diese Fragen entscheiden wir heute, wenn wir gleich über das Informationsfreiheitsgesetz abstimmen.
Wir Grünen wollen mit diesem Gesetzentwurf den Aktendeckel öffnen. Wir wollen einen modernen, transparenten Staat, der grundsätzlich volle Einsicht in Aktenvorgänge ermöglicht, der echte demokratische Teilhabe durch freien Zugang zu Informationen gestattet.
Wir wollen das Prinzip des Amtsgeheimnisses umkehren. Nicht mehr der Bürger muss sich rechtfertigen, wenn er Einblick in staatliche Akten haben möchte, sondern die Behörde muss sich rechtfertigen, wenn sie einen solchen Informationszugangsanspruch ausnahmsweise ablehnen möchte.
Wir stehen also für einen Wechsel im Staatsverständnis. Das ist eigentlich gar nicht so neu. Schauen wir doch einmal über die Grenzen unseres Bundeslandes hinaus: nach Bremen, nach Hamburg, nach Schleswig-Holstein, nach Mecklenburg-Vorpommern, nach Sachsen-Anhalt, nach Nordrhein-Westfalen oder auch in die Niederlande. Dann werden wir sehen, dass wir - mit Ausnahme von Hessen - von Ländern umzingelt sind, die jeweils Informationsfreiheitsgesetze haben. Warum, Herr Schünemann, liebe CDU, soll in Niedersachsen nicht gelten, was in Hamburg oder Mecklenburg-Vorpommern längst Standard ist?
Warum reden Sie hier immer wieder davon, ein Informationsfreiheitsgesetz schaffe überflüssige Bürokratie, wenn wir aus MecklenburgVorpommern oder Hamburg - beides Länder mit CDU-Innenministern - nichts Derartiges hören? Gerade Sie, Herr Schünemann, der fleißigste Datensammler hier im Land - gut zuhören kann er nicht, aber das ist egal -, der für alles und jeden Daten sammelt und Dateien anlegt, der möglichst viele Informationen über die Bürgerinnen und Bürger sammelt, der immer neue Gesetze und immer neue Eingriffsermächtigungen schafft, sollten anerkennen, dass auch die Bürgerinnen und Bürger einen Anspruch darauf haben - Sie sollten zuhören -, Informationen über staatliche Aktivitäten zu erhalten.
Es gab hier im Landtag eine Anhörung zu diesem Gesetzentwurf. Das Ergebnis der Anhörung ist eindeutig: Bis auf einen haben alle Anzuhörenden den Gesetzentwurf gelobt und seine Umsetzung empfohlen. Es gab hier und da Kritik im Detail; das will ich nicht verschweigen. Ich habe für meine Fraktion bereits im Ausschuss ganz deutlich gemacht: Wenn es diese Einzelpunkte sind, die Ihnen, meine Damen und Herren von CDU und FDP, die Zustimmung erschweren, dann benennen Sie die einzelnen Punkte und lassen Sie uns gemein
sam konstruktiv an einem guten Informationsfreiheitsgesetz arbeiten! Ziehen Sie sich aber nicht auf eine reine Verhinderungspolitik zurück, meine Damen und Herren!
In der Ausschussanhörung gab es bei sechs Anzuhörenden nicht eine einzige Nachfrage von der FDP. Herr Kollege Oetjen, entweder sind Sie so überzeugt von diesem Gesetzentwurf, dass Sie keine Nachfragen brauchten, oder Sie haben sich konstruktiver politischer Arbeit schlicht verweigert.
Die bisherigen Untersuchungen - sowohl national als auch international - zeigen, dass Transparenz z. B. durch Informationsfreiheitsgesetze ein wichtiger Beitrag zur Korruptionsprävention ist. Die wirksamste Kontrolle z. B. im Rahmen von Vergabeverfahren ist doch, wenn den handelnden Personen bewusst ist, dass jede Bürgerin und jeder Bürger jederzeit Einblick in die Akten nehmen kann und sich jederzeit selbst einen Überblick über die zugrunde gelegten Kriterien verschaffen kann. Das ist echte Korruptionsprävention durch Transparenz.
Ich bin auf die Rede von Herrn Oetjen von der FDP gespannt. In Ihren vor der Landtagswahl 2008 auf Anfrage von Transparency International vorgelegten Wahlprüfsteinen haben Sie ganz klar und deutlich gesagt, dass Sie für ein Informationsfreiheitsgesetz auf Landesebene sind. Herr Kollege Oetjen, wenn Sie diesen Gesetzentwurf ablehnen, wäre es am ehrlichsten, wenn Sie hier vorne sagten: „Eigentlich finden wir das Gesetzesvorhaben gut, aber aus Koalitionsräson stimmen wir dagegen.“ Koalitionsräson wäre doch der einzige Grund, weswegen Sie es ablehnen. Alles andere wäre an den Haaren herbeigezogen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie Niedersachsen in Sachen Informationsfreiheit international und auch national nicht länger den Außenseiter spielen! Diese Rolle des Abgehängten oder Nachzüglers passt nicht zu unserem schönen Bundesland. Gehen Sie mit uns einen Schritt in Richtung mehr Transparenz, mehr Offenheit und mehr Demokratie! Stimmen Sie dem Gesetzentwurf zu!
Herzlichen Dank. - Für die Fraktion DIE LINKE hat sich Frau Zimmermann zu Wort gemeldet. Bitte schön!