Protokoll der Sitzung vom 25.11.2009

Wir Grünen, die SPD und die Linken sagen: Nein, diese Dinge können und wollen wir nicht länger akzeptieren. Diesen unerträglichen Zustand wollen wir nicht länger hinnehmen. Ein Parteienverbot würde die Landtagsmandate der NPD in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern erlöschen lassen. Ein Parteienverbot würde der NPD das Parteienprivileg rauben. Ein Verbot würde die NPD endgültig und sauber von der staatlichen Parteienfinanzierung ausschließen.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der LINKEN)

Natürlich - das haben meine Kolleginnen Zimmermann und Leuschner schon angesprochen - löst ein Verbot der Partei nicht alle Probleme des Rechtsextremismus; das ist klar.

(Sigrid Leuschner [SPD]: Das ist klar!)

Aber - mit Verlaub - Herr Innenminister, Ihre V-Leute sind auch keine Lösung.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Es mag ja sein, dass Sie dadurch wichtige Informationen gewinnen. Aber erstens sind diese Informationen sehr teuer erkauft, nämlich mit Staatsgeldern, die ein Rechtsstaat an Nazis, an überzeugte Staatsfeinde bezahlt. Zweitens argumentieren Sie, Herr Innenminister, immer wieder damit, dass Sie über diese V-Leute wichtige Informationen über geplante und begangene Straftaten erhalten. Das muss man sich vorstellen: V-Leute aus Führungspositionen der NPD berichten dem Verfassungsschutz über Straftaten. Wenn es wahr ist, dass in Führungsgremien dieser Partei Straftaten geplant, diskutiert und vorbereitet werden, dann müssen wir diese Partei besser gestern als morgen verbieten, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Ich muss sagen - auch das hat Frau Leuschner schon ausgeführt -, nach Durchsicht ausschließlich öffentlich zugänglicher Quellen - also der Parteiprogramme, öffentlich gehaltener Reden, der Internetplattform der NPD - ist doch für jeden von uns klar: An der Verfassungsfeindlichkeit der NPD können keine Zweifel bestehen. Darum, Herr Schünemann: Beenden Sie die V-Mann-Einsätze!

Ermöglichen Sie ein NPD-Verbotsverfahren! Es ist Zeit dafür.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Sie haben einen alternativen Vorschlag eingebracht, um die NPD von der staatlichen Parteienfinanzierung auszuschließen. Sie wollen mal eben so schlopperdihopps das Grundgesetz ändern. Sie wollen dann eine Kommission beim Bundestagspräsidenten einrichten lassen, der die Parteien in gute und schlechte Parteien unterscheidet. Die guten Parteien bekommen weiterhin Geld, die nach Maßgabe dieser Kommission schlechten Parteien bekommen keines. Herr Innenminister, für diese Unterscheidung ist nach unserem Grundgesetz allein das Bundesverfassungsgericht zuständig. Das ist in einem Rechtsstaat auch gut so.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Das Bundesverfassungsgericht entscheidet, und es entscheidet sauber. Es gibt keine Grauzonen. Ist eine Partei legal, dann hat sie das volle Parteienprivileg. Oder sie ist illegal, dann gehört sie verboten. Wir sagen: Klare Kante gegen die NPD! Leiten Sie ein Verbotsverfahren ein!

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, nächster Redner ist Herr Oetjen von der FDP-Fraktion.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zu Beginn der Debatte für meine Fraktion klarstellen, dass wir rechtsextremistische Parteien inhaltlich bekämpfen müssen, dass wir uns mit ihnen auseinandersetzen müssen und dass solche Parteien in einem demokratischen Parlament keinen Platz haben.

Ich möchte daran erinnern, dass es bereits ein Verfahren zum Verbot der NPD gegeben hat. Zu Recht gibt es vor dem Hintergrund unserer Geschichte sehr hohe Hürden, die dafür sorgen, dass man Parteien nicht mal eben so verbieten kann. Das Bundesverfassungsgericht hat uns in seinem Urteil Maßnahmen auferlegt, die wir durchführen müssen, damit wir erneut ein Verfahren zum Verbot der NPD einleiten können.

Einer der Hauptpunkte - dies haben Sie in Ihren Anträgen gefordert - ist, die V-Leute abzuschalten oder - wie die Kollegin Zimmermann unzutreffend sagte - abzuziehen. Letzteres ist unzutreffend, weil man V-Leute nicht abziehen kann, die sich aus ihrer Gesinnung heraus in einer Partei engagieren. Vielmehr geht es darum, von denen keine Informationen mehr einzuholen. Es ist nicht so, dass wir Leute irgendwo hinschicken, damit sie dort rechtsextremistischen Tätigkeiten nachgehen.

Würden wir uns für den Weg entscheiden, den Sie hier vorschlagen, verehrte Kolleginnen und Kollegen, dann hätte das natürlich Folgen für uns. Darüber haben wir im Innenausschuss sehr ausführlich gesprochen. Das wurde von der Kollegin Leuschner und auch vom Kollegen Limburg gut aufgenommen. Ich finde es eigentlich schade, dass es bei der Kollegin Zimmermann im Vergleich zur Debatte im Rahmen der ersten Lesung keine Fortentwicklung ihrer Position gegeben hat. Wir haben im Innenausschuss gehört, welche Konsequenzen dies hat. Die Konsequenzen rechtfertigen es aus unserer Sicht nicht, diese V-Leute abzuschalten. Ich möchte sie Ihnen nennen.

Wenn wir die V-Leute abschalten, dann hätte das zur Folge, dass wir im Prinzip auf dem rechten Auge blind sind. Sowohl die Kollegin Leuschner als auch die Kollegin Zimmermann haben dargestellt, dass es sehr enge Verwebungen zwischen der rechtsextremistischen Kameradschaftsszene und der NPD gibt. Das heißt, wenn wir von den Personen, die sich in den verschiedenen Gremien engagieren, keine Informationen mehr bekommen, dann bekommen wir nicht nur keine Informationen mehr aus der NPD, sondern dann bekommen wir auch aus der rechten Kameradschaftsszene und möglicherweise aus der gesamten rechtsextremistischen Szene keine Informationen mehr. Meine Damen und Herren, das ist aus der Sicht der FDPFraktion unverantwortlich.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Wenn wir - einmal den Fall durchgespielt - die V-Leute abziehen und zwei Jahre lang nur Informationen aus öffentlichen Quellen sammeln, Frau Kollegin Leuschner, und in dieser Zeit akzeptieren, dass wir von dem, was in der rechten Szene im Untergrund passiert, nichts mitbekommen und dann nur auf Informationen aus öffentlichen Quellen basierend - ohne eigene Informationen - ein neues Verfahren einleiten, dann ist nach wie vor nicht erwiesen, dass wir dann die NPD verbieten

können. Das Bundesverfassungsgericht urteilt ja nur auf der Basis der Informationen, die neu gesammelt wurden, darüber, ob ein solches Verbot notwendig ist.

(Sigrid Leuschner [SPD]: Ja!)

Es kann natürlich sein - das ist wahrscheinlich -, dass die NPD-Funktionäre dann „Kreide fressen“ und wir möglicherweise nicht die erforderlichen Erkenntnisse bekommen. Aber selbst dann, wenn wir die NPD verbieten würden, verehrte Damen und Herren, hätte das eigentlich nur zur Folge, dass sich die Betreffenden in andere Organisationen verdrücken, dass es möglicherweise ein Erstarken der DVU oder Ähnliches gäbe und wir eigentlich nichts gewinnen.

Das alles lässt uns zu dem Schluss kommen, verehrte Kolleginnen und Kollegen, dass wir Ihrer Forderung nach dem Abzug bzw. Abschalten der V-Leute nicht folgen können, weil es für unsere innere Sicherheit notwendig ist, dass wir auch die rechte Seite des Parteienspektrums, die rechtsextremistische Szene, aufklären. Alles andere wäre unverantwortlich, verehrte Damen und Herren.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, für die CDU-Fraktion hat sich jetzt Herr Krumfuß gemeldet. Bitte!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind uns sicherlich alle einig - das war auch aus den Reden der Sprecher der einzelnen Fraktionen herauszuhören -, dass es sich bei der NPD um eine antisemitische, extremistische und rassistische Partei handelt, die die freiheitlichdemokratische Grundordnung unseres Grundgesetzes ablehnt, die parlamentarische Demokratie beseitigen möchte und offen das Ziel verfolgt - das kann man immer wieder lesen -, die Bundesrepublik Deutschland, wie sie sagt, abzuwickeln.

Der Kollege Oetjen hat schon darauf hingewiesen: Das Parteienverbot ist eine hohe Hürde. Die Parteienfreiheit darf natürlich nicht dazu missbraucht werden, die Freiheit anderer zu zerstören. Ich gehe davon aus, dass das uns allen klar ist. Zur Möglichkeit des Parteienverbotes nach Artikel 21 GG hat Kollege Oetjen schon etwas gesagt.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Rechtsprechung einige Punkte sehr deutlich angesprochen. Danach muss die Partei, nämlich die NPD, im Verbotsverfahren zum Zeitpunkt der Entscheidung entweder planvoll die Grundfesten unserer Demokratie, wie die Achtung der Menschenrechte, die Gewaltenteilung oder das Mehrparteienprinzip, beeinträchtigen mit dem Ziel, im weiteren Verlauf diese Ordnung selbst zu beseitigen, oder sie muss die territoriale Integrität und die politische Unabhängigkeit unseres Staates gefährden.

Außerdem muss eine aktive, kämpferische, aggressive Haltung hinzukommen. Gleichzeitig muss das Verhalten der Parteianhänger der Partei zugerechnet bzw. zugeordnet werden können. Ich sehe hierin Gefahren und Probleme für das Parteienverbot. Die NPD würde sich als brave und friedliche Partei zeigen. Daher benötigt man ohne Weiteres die Informationen aus der Partei selbst durch den Einsatz von V-Leuten, die auch aus dem inneren Zirkel berichten können. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes dürfen Informanten in der Partei nicht unmittelbar vor oder während des Verbotsverfahrens auf der Leitungsebene Informationen sammeln. Auch das ist ein sehr wichtiger Punkt. Auch auf Quellen außerhalb des Vorstandes, die Einfluss auf die Willensbildung und die Selbstdarstellung der Partei haben, darf die Antragsbegründung nicht gestützt werden.

Hier soll ein Verbotsantrag gestellt werden. Dann müssen die Informanten abgezogen werden; das haben wir schon einige Male gehört. Soll der Antrag Erfolg haben, müssen aber auch Informationen aus der Partei verfügbar sein. Ich frage mich, wie das möglich sein soll, wenn vorher die V-Leute abgezogen worden sind.

Soll der Antrag weiterhin erfolgreich laufen, gibt es die geheimen Quellen. Wenn man sie in die öffentlichen Verhandlungen einbezieht, besteht die große Gefahr, dass sich bei der Enttarnung von geheimen Quellen erhebliche Gefahren für Leib und Leben der Informanten ergeben. Auch das können wir nicht wollen.

Schließlich führt ein Parteienverbot zu einem Organisations-, aber nicht zu einem Gedankenverbot. Die rechten Gruppierungen - wie sie auch alle heißen - sind bereits genannt worden.

Deshalb ist das Parteienverbot das eine. Ich meine, dass die Landesregierung auf einem sehr guten Weg ist. Sie hat nämlich erkannt, dass der Rechtsextremismus in den Köpfen beginnt. Da

muss angesetzt werden. Dazu ist hier schon in unterschiedlichster Form etwas gesagt worden. Die Landesregierung hat in der gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung zu diesem Thema bereits sehr gute Arbeit geleistet.

(Pia-Beate Zimmermann [LINKE]: Deshalb kürzt man bei politischer Bil- dung!)

So setzt Niedersachsen auf eine nachhaltige Prävention und Aufklärungsarbeit. Hier leistet der Niedersächsische Verfassungsschutz schon seit einiger Zeit eine hervorragende Arbeit. Der Niedersächsischen Extremismus-Informationsstelle NEIS kommt hierbei eine wichtige Aufgabe zu. Sie ist die Anlaufstelle für Bürgerinnen und Bürger, für Verbände und Kommunen und, wenn es um Fragen des Extremismus geht, auch für andere, die diese Informationen benötigen. Es gibt Wanderausstellungen, Jugendkongresse, Multiplikatorenberatung an den Schulen und in der Erwachsenenbildung. Da schließt sich doch dieser Kreis. Frau Leuschner, Sie haben darauf hingewiesen, dass wir etwas abgeschafft hätten, was aus Ihrer Sicht unmittelbar wichtig sei.

(Johanne Modder [SPD]: Nicht nur aus unserer Sicht!)

Aber Sie sehen ja, dass es auch so funktionieren kann. Auch in der Erwachsenenbildung gibt es diese Möglichkeiten.

Die Möglichkeiten insbesondere für jüngere Bürgerinnen und Bürger, sich durch das Internet zu informieren, hat eine Riesenakzeptanz erfahren. Man kann bekanntlich messen, wie oft diese Seiten angelinkt werden.

Ein wichtiger Beitrag ist aber auch das, was Städte wie Verden, Delmenhorst, Oldenburg, Melle und Faßberg - um nur einige beispielhaft zu erwähnen - geleistet haben. Dabei haben unsere Kommunen bewiesen, dass sie auch mit Rechtsextremismus gut umgehen können. Es ist ein Präventionskonzept „Beste Praktiken“ - ich sage es einmal auf deutsch - entwickelt worden. Davon können andere Kommunen lernen und rechtzeitig eine Gegenstrategie entwickeln.

Ich habe schon in der ersten Beratung gesagt, dass die staatliche Parteienfinanzierung neu geregelt werden muss, weil das eine sehr gute Möglichkeit ist. Sie ist ein, wie ich meine, sehr neuralgischer Punkt.

(Präsident Hermann Dinkla übernimmt den Vorsitz)

Die NPD wird zu 40 % aus Steuermitteln finanziert. Das waren im Jahr 2007 rund 1,5 Millionen Euro.

(Dörthe Weddige-Degenhard [SPD]: Hört, hört!)

Es ist für die Bürgerinnen und Bürger nicht nachvollziehbar, wenn diejenigen aus Steuermitteln finanziert werden, die offensiv die Abschaffung der Demokratie anstreben.