Protokoll der Sitzung vom 25.11.2009

Wir kommen zu den Tagesordnungspunkten 16, 17 und 18, die vereinbarungsgemäß zusammen aufgerufen werden:

Einzige (abschließende) Beratung: Ein neues NPD-Verbotsverfahren vorbereiten - Sämtliche V-Leute aus NPD-Gremien umgehend „abschalten“ - Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/1047 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres, Sport und Integration - Drs. 16/1831

Einzige (abschließende) Beratung: Erneutes NPD-Verbotsverfahren vorbereiten - V-Leute abschalten! - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/1048 - Beschlussemp

fehlung des Ausschusses für Inneres, Sport und Integration - Drs. 16/1832

Zweite Beratung: NPD-Verbotsverfahren jetzt einleiten! - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 16/1637 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres, Sport und Integration - Drs. 16/1833

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, alle drei Anträge abzulehnen.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Wir kommen zur Beratung. Zunächst hat Frau Zimmermann von der Fraktion DIE LINKE das Wort. Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem diese Anträge unendlich lange im Ausschuss geschoben worden sind, debattieren wir über diese heute im Landtag abschließend. Allerdings bin ich der festen Überzeugung, dass es nicht die letzte Diskussion über ein NPD-Verbot in diesem Hause und in dieser Legislaturperiode sein wird. Ich bin auch der festen Überzeugung, dass trotz des Todes des Neonazis und Mäzens der NPD, Jürgen Rieger, die NPD nicht an Gefährlichkeit verloren hat.

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung von Sigrid Leuschner [SPD] sowie von Helge Limburg [GRÜNE])

Meine Damen und Herren, Hintergrund für unsere Forderung zur Vorbereitung eines erneuten Antrags zum Verbot der NPD, die wir als Partei im Übrigen schon lange einfordern, war die Ankündigung einiger Bundesländer im März dieses Jahres, die Voraussetzungen für ein erneutes Verbotsverfahren zu schaffen. Dafür haben die Innenminister der Länder Berlin, Rheinland-Pfalz, Bremen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein einen Materialband mit dem Titel „Verfassungsfeind NPD. Dokumente eines Kampfes gegen die Demokratie“ vorgelegt. Eine intensive Lektüre kann ich Ihnen nur empfehlen. Der Freistaat Bayern hat im August - offensichtlich wahlkampfbedingt - angekündigt, sich einem neuen Verfahren nicht zu verschließen. Mal schauen, ob das auch heute noch der Fall ist.

Grundvoraussetzung für die Eröffnung eines neuen Verfahrens ist und bleibt die Maßgabe des Bundesverfassungsgerichts, dass alle führenden V-Leute aus NPD-Gremien abgeschaltet werden.

Das ist auch eine zentrale Forderung unseres Antrages.

(Beifall bei der LINKEN)

Wie verhält es sich nun seitdem mit der NPD? - Die NPD ist eine Partei, die sich seit ihrer Gründung einer rassistischen, antisemitischen und revisionistischen Politik verpflichtet hat. Die NPD ist eine Partei, die aggressiv gegen ihre Mitmenschen in diesem Lande hetzt, und dies nicht nur vom Stammtisch aus, sie tut dies aus deutschen Parlamenten heraus, wie das derzeit in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern der Fall ist.

Meine Damen und Herren, auch bleibt weiterhin der Fakt, dass die NPD aus strategischen Gründen im Namen einer Volksfront von rechts gemeinsame Sache mit gewalttätigen und offen gegen das politische System der Bundesrepublik agierenden sogenannten freien Kameradschaften macht. Auch in Niedersachsen ist das zunehmend zu beobachten.

Meine Damen und Herren, es steht hier ja wohl nicht zur Debatte, dass die NPD und ihre nationalsozialistische Programmatik, ihre offene Menschenfeindlichkeit und ihre Gewaltbereitschaft nicht mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung unseres Landes vereinbar sind.

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung von Helge Limburg [GRÜNE])

Zudem ist es unerträglich, dass die NPD Jahr für Jahr Millionen an Steuergeldern von Menschen kassiert. Was uns auch beunruhigen sollte, ist, dass die NPD in Sachsen zum zweiten Mal nacheinander ins Landesparlament eingezogen ist und dadurch die Möglichkeit hat, ihre Ideologien, über Stiftungsgelder finanziert, zu verbreiten.

Meine Damen und Herren, ich wiederhole auch an dieser Stelle: Der Vorschlag von Innenminister Schünemann, die NPD von der Parteienfinanzierung auszuschließen, ist aus unserer Sicht unbrauchbar und verstößt gegen das Grundgesetz.

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung von Helge Limburg [GRÜNE])

Deshalb fordern wir die Landesregierung nochmals auf, sich dem Vorstoß der Länder SchleswigHolstein, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Berlin und Bayern anzuschließen und den Weg für ein neues Verbotsverfahren freizumachen. Wir fordern, hierfür die Bedingungen zu schaffen und alle V-Leute aus den NPD-Gremien umgehend abzuschalten und ein mögliches neues Verbotsverfah

ren nach besten Möglichkeiten auf Bundesebene zu unterstützen.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, nächste Rednerin ist Frau Leuschner für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion fordert die Landesregierung auf, gemeinsam mit anderen Ländern in Kooperation ein NPD-Verbotsverfahren erneut anzustreben. Das ist keine neue Forderung für die SPDLandtagsfraktion. Sie wissen, dass wir einen Verbotsantrag gestellt hatten und das Bundesverfassungsgericht dem 2003 nicht entsprochen hat. Wir wollen jetzt die Prüfung sorgfältiger machen und auf dieser Grundlage des Urteils ein erneutes NPD-Verbotsverfahren anstreben. Ich glaube, dass das notwendig ist; denn die Partei nutzt ihr Parteienprivileg nach wie vor, um ihre rassistischen und menschenverachtenden Parolen in die Öffentlichkeit zu bringen. Das können wir nicht dulden!

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Die NPD verfügt seit Langem über eine breite Vernetzung zu autonomen gewaltbereiten Gruppen aus der rechten Szene. Es kann nicht hingenommen werden, dass diese Partei auch noch von Steuergeldern finanziert wird, um bundesweit weiteragieren zu können und um ihre antisemitischen Parolen weiterhin zu vertreten. Das lassen wir uns nicht bieten!

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, wir wissen, dass es schwierig ist, die Grundlage für ein erneutes NPDVerbotsverfahren - ich sage einmal - wasserdicht zu machen. Die Informantinnen und Informanten in den Führungsgremien müssen sozusagen abgeschaltet werden. Auf ihre Information darf nicht mehr zurückgegriffen werden. Das muss für einen längeren Zeitraum gelten.

Das ist natürlich ein Abwägungsprozess. Wir haben es uns in der SPD-Fraktion nicht einfach gemacht, diese Entscheidung zu treffen. Denn Sie wissen - das ist uns aus Fachkreisen entgegengehalten worden -: Man kriegt dann nicht mehr mit,

wann ein Übergang zur Gewaltbereitschaft stattfindet. - Aber wir glauben, dass auch der Zugang zu öffentlichen Quellen durchaus ausreicht, um eine zunehmende Gewaltbereitschaft im Grunde genommen zu erkennen und um dagegen vorzugehen. Dafür bedarf es keiner V-Leute. Deswegen sind wir für eine Abschaltung, um das Prüfverfahren auf gesicherten Boden zu bringen.

Die SPD-Innenminister der Länder haben im Mai eine gute Dokumentation über die Position der NPD vorgelegt. Dort ist exzellent aufgeführt, inwieweit diese Partei auch aus Sicht der Innenminister antidemokratisch vorgeht und auch den Holocaust leugnet. Das sollte uns allen zu denken geben, dieses Verbotsverfahren eben wieder voranzutreiben. Ich glaube, es ist notwendig, dass wir ad hoc handeln.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, jedem in diesem Raum ist klar, dass durch ein Verbot der NPD nicht die Ursachen für Rechtsextremismus beseitigt werden. Dafür müssen wir noch mehr Anstrengungen unternehmen. Ich will es hier jetzt nicht wiederholen. - Doch! Ich will es wiederholen: Sie haben die Landeszentrale für politische Bildung zerschlagen, die ein gutes Instrument war.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Da sie weg ist, brauchen wir ein interdisziplinäres Handlungskonzept, durch das auf vielen gesellschaftlichen Ebenen die Akteurinnen und Akteure unterstützt werden, die gegen Rechtsextremismus vorgehen. Das ist in erster Linie ein Bildungsproblem. Es muss aufgeklärt werden. Das muss nachhaltig wirken und auf Stetigkeit ausgerichtet werden.

Ich glaube, wir brauchen in unserer Gesellschaft neben dem NPD-Verbot mehr Informationen zu Menschenrechtsbildung. Das ist notwendiger denn je. Das muss gefördert werden. Ich glaube, dass sich jeder und jede hier im Plenarsaal unabhängig von seinem Glauben zu dieser Plattform bekennen kann. Das ist quasi der Code einer Weltgesellschaft. Ich zitiere in diesem Zusammenhang Stefan Gosepath, der gesagt hat:

„Wir müssen Menschenrechtsbildung ausbauen; denn sie ist der Code einer Weltgesellschaft. Daran kann jeder glauben und sich für ihren Erhalt und Ausbau einsetzen - als Buddhist, als

Moslem, als Jude, als Christ und als Atheist.“

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, als nächsten Redner rufe ich Herrn Limburg von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Rechtsextremismus ist eine Bedrohung für unsere Gesellschaft. Das haben wir in diesem Hause schon oft in vielen Reden betont. Ich bin froh darüber, dass zumindest in diesem Punkt quer durch die Fraktionen Einigkeit herrscht.

Aber wie bekämpfen wir den Rechtsextremismus? Wie gehen wir effektiv gegen Rassismus, gegen Antisemitismus, gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit vor? - An diesem Punkt gehen die Meinungen in diesem Hause, insbesondere zwischen Regierung und Opposition, weit auseinander. Das ist gerade deutlich geworden. Angesichts der rechtsextremen Umtriebe ist die NPD eine Partei, deren Führungspersonen fast komplett vorbestraft sind, eine Partei, bei deren Mitgliedern bei Razzien immer wieder Waffen gefunden werden - ich rede hier nicht nur von Messern, sondern von Maschinengewehren und Ähnlichem -, eine Partei, die z. B. in Baden-Württemberg direkte Verbindungen in die rechtsterroristische Szene hat.

Können wir es hinnehmen, dass eine solche Partei Gelder aus der staatlichen Parteienfinanzierung erhält? Können wir es hinnehmen, dass die Pastörs und Äpfel in deutschen Landtagen ihre Hetzreden, ihre menschenverachtenden Reden halten? Nehmen wir es hin, dass wir Diäten und Aufwandsentschädigungen an solche Leute zahlen?

Welchen Eindruck muss das auf Menschen machen, die direkt Opfer dieser Hetzreden und Hasskampagnen sind? Welchen Eindruck muss das auf türkischstämmige Mitbürgerinnen und Mitbürger, auf Menschen mit dunkler Hautfarbe, auf Deutsche jüdischen Glaubens machen? Welchen Eindruck macht es, wenn wir solche Hetzreden in unseren Parlamenten hören, ohne von der im Grundgesetz ausdrücklich vorgesehenen Möglichkeit, eine ver

fassungsfeindliche Partei verbieten zu lassen, Gebrauch zu machen?

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Wir Grünen, die SPD und die Linken sagen: Nein, diese Dinge können und wollen wir nicht länger akzeptieren. Diesen unerträglichen Zustand wollen wir nicht länger hinnehmen. Ein Parteienverbot würde die Landtagsmandate der NPD in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern erlöschen lassen. Ein Parteienverbot würde der NPD das Parteienprivileg rauben. Ein Verbot würde die NPD endgültig und sauber von der staatlichen Parteienfinanzierung ausschließen.