Protokoll der Sitzung vom 25.11.2009

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Frau Polat! Sie haben eine Redezeit von anderthalb Minuten. Bitte!

Herr Präsident! Zwei Punkte. Zunächst zu den zurückgehenden Asylbewerberzahlen, Herr Oetjen: Die meisten Flüchtlinge stellen einen Asylantrag. Die Zahlen sind seit Jahren rückläufig. Wir haben im Moment den historischen Tiefststand der letzten drei Jahre. Herr Biallas hat dies erwähnt. Vor zehn Jahren gab es zum Teil noch 100 000 Asylverfahren. Jetzt sind es gerade noch 20 000. Auch Frau Jahns hat es gesagt.

Die Flüchtlingszahlen gehen weltweit nicht zurück, sondern sie steigen sogar. Aber die Flüchtlinge erreichen Europa nicht mehr, bzw. sie werden in überforderten EU-Mitgliedsstaaten wie z. B. Italien, Malta, Zypern wieder zurückgewiesen, zum Teil sogar in Fällen mit Menschenrechtsverletzungen. Auch das Bundesverfassungsgericht hat dies bestätigt.

Von daher müssen wir, der Bund und Europa, Verantwortung übernehmen. Ich habe gesagt, dass Europa nur 6,7 % der Neuansiedlungskapazitäten zur Verfügung gestellt hat. Das reicht bei Weitem nicht aus.

Deutschland, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion, lieber Herr Innenminister Schünemann, diskutiert gerade eine Bundesratsdrucksache der Europäischen Kommission. Wir müssen uns dazu verhalten. Prüfen Sie bitte schnell, ob Niedersachsen im Bundesrat unterstützt, dass die

Bundesregierung ein kontinuierliches Resettlementprogramm einfordert und umsetzt.

Der Europäische Flüchtlingsfonds finanziert das Ganze. Für jeden aufgenommenen Flüchtling werden 4 000 Euro zur Verfügung gestellt. Ich glaube, dass bei dieser Aufnahme auch Mittel der EU fließen. Vielleicht kann der Innenminister noch etwas dazu sagen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ihre Kurzintervention galt aber dem Redebeitrag von Herrn Oetjen! - Herr Oetjen hat keinen Bedarf zu antworten.

Bevor ich Herrn Minister Schünemann das Wort erteile, möchte ich Ihnen mitteilen, dass sich Frau Kollegin Zimmermann wegen eines Zwischenrufs an das Präsidium gewandt hat. Frau Zimmermann, ich würde das gerne anhand des Protokolls prüfen lassen, um dann dazu Stellung zu nehmen. Ist das in Ordnung?

(Pia-Beate Zimmermann [LINKE]: Okay!)

- Okay.

Ich erteile nun Herrn Innenminister Schünemann das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich freue mich sehr darüber, dass durch diesen Entschließungsantrag den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Friedland und Bramsche gedankt wird, aber auch den Wohlfahrtsverbänden, den Kirchen - all denjenigen, die dazu beigetragen haben, dass die irakischen Flüchtlinge hier hervorragend aufgenommen worden sind. Das ist eine wichtige Geste gewesen. Insofern darf ich mich dafür bedanken, dass diese Geste durch das Parlament unterstützt wird.

Ich sage das auch deshalb, weil gerade im Vorfeld von einer Fraktion hier im Landtag, u. a. von Frau Polat, der Eindruck erweckt worden ist, dass man die irakischen Flüchtlinge in Bramsche nicht vernünftig aufnehmen könnte und dass es dort zu großen Problemen führen könnte. Genau das Gegenteil ist der Fall: Dort laufen im Moment fünf Integrationskurse, gerade für das niedersächsische Kontingent. Aber auch für andere Bereiche werden

ja in Friedland Integrationskurse angeboten. Es hat sich gezeigt, dass gerade Bramsche hervorragend geeignet ist und dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort einen hervorragenden Job machen. Insofern darf ich mich dafür bedanken, dass das in dem Entschließungsantrag klargestellt wird.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Es geht darum, wie man die Flüchtlingsproblematik in Zukunft weiter behandeln kann. Deutschland hat traditionell sehr hohe Asylbewerberzahlen, auch wenn sie in den letzten Jahren zurückgegangen sind. In Deutschland ist es so, dass - anders als z. B. in den USA - traditionell sehr viele Menschen auf dem Wege über Asylverfahren zu uns kommen. In den USA ist traditionell Resettlement umgesetzt worden, und zwar vor dem Hintergrund, dass andere Formen des Zuzugs zahlenmäßig nicht so sehr ins Gewicht fallen.

Wenn es hier so dargestellt wird, dass wir nur jene 200 Menschen aus dem Irak, aus Syrien oder aus den angrenzenden Ländern aufgenommen haben, ist das nur die halbe Wahrheit. Es sind nämlich erheblich mehr Menschen auf dem Weg über das Asylverfahren hierhergekommen. Es ist sogar so, dass bei den Asylverfahren die Iraker immer an erster Stelle liegen. Deshalb ist es schlichtweg sehr verkürzt, wenn gesagt wird, wir hätten nur jene 200 Menschen aufgenommen.

Ich gebe zu, dass man über Resettlement den Zuzug unbürokratisch steuern und damit auch den Flüchtlingen helfen kann. Man kann dann auch sehr schnell mit Integrationsmaßnahmen ansetzen. Wenn man dadurch den Zuzug über Asylverfahren zahlenmäßig begrenzen könnte, wäre dies sogar ein Weg, den man insgesamt wirklich gehen könnte. Asylverfahren sind schließlich sehr aufwendig, sehr teuer und teilweise sehr schwierig. Die Anerkennungsquote ist ebenfalls bekannt.

Ich war extra beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und habe mit Herrn Präsidenten Dr. Schmid auch darüber gesprochen, ob es sinnvoll ist, ganz gezielt und verstärkt auf Resettlement zu setzen, um vielleicht auch bei den Asylverfahren Kosten zu sparen. Mir ist dazu dargelegt worden, dass dieses Programm bei den irakischen Flüchtlingen in keiner Weise dazu geführt hat, dass die Zahl der irakische Flüchtlinge betreffenden Asylverfahren abgenommen hat. Es ist jetzt natürlich viel zu früh, abschließend etwas dazu zu sagen. Auswirkungen auf die Asylverfahren hat das Resettlementprogramm in Deutschland aber auf jeden Fall nicht gehabt.

(Filiz Polat [GRÜNE]: Das sollte es ja auch gar nicht! Es ist ein zusätzliches Instrument für diejenigen, die es nicht schaffen, hierherzukommen!)

- Sie haben die USA selber genannt und gesagt, die USA führten hervorragende Resettlementprogramme durch. In den USA gibt es aber eine ganz andere Tradition. Bei uns hat der Bereich Resettlement traditionell - das gilt auch für die Vergangenheit - nicht im Vordergrund gestanden. Bei uns ist die Umsetzung über Asylverfahren erfolgt. Insofern muss man sich sehr genau anschauen, welche Auswirkungen es haben kann, wenn man Resettlement betreibt, d. h. ob es in diesem Zusammenhang dann wirklich weniger Asylverfahren gibt.

Ich halte es für richtig, dass auf europäischer Ebene darüber diskutiert wird. Deshalb habe ich auch von Anfang an gesagt: Bei diesem Programm, das jetzt aufgelegt worden ist, müssen wir eine europäische Lösung haben. Es kann nicht sein, dass Deutschland allein den Vorreiter spielt. Wir müssen vielmehr eine europäische Lösung haben. So ist dann auch verfahren worden. Deshalb werden wir auf Bundesratsebene, aber auch in der IMK die Auswirkungen des Resettlementprogramms für irakische Flüchtlinge genau prüfen, um beurteilen zu können, wie wir in der Zukunft damit umgehen und ob Resettlement tatsächlich positive Auswirkungen auch auf die Anzahl von Asylverfahren hat. Es ist natürlich günstiger, wenn man sehr viel früher Integrationsmaßnahmen ergreifen kann. Zum jetzigen Zeitpunkt kann man sich eine abschließende Meinung aber noch nicht bilden. Wir werden über dieses Thema in den Gremien weiter beraten, und zwar auch auf der Innenministerkonferenz in der nächsten Woche. Insofern können wir froh sein, dass wir die für Deutschland vorgesehene Aufnahme von 2 500 irakischen Flüchtlingen in Niedersachsen hervorragend umgesetzt haben. Das war meiner Ansicht nach auch richtig. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben gerade in Niedersachsen in dieser Hinsicht hervorragende Arbeit geleistet.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Minister, es gibt noch zwei Bitten um Zwischenfragen. Würden Sie diese noch zulassen? - Nein.

Herr Adler hat nach § 71 Abs. 3 der Geschäftsordnung um zusätzliche Redezeit gebeten. Er hat für anderthalb Minuten das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister, ich will nur auf ein Problem aufmerksam machen. Wenn hier immer von einem Rückgang der Zahl der Asylbewerber speziell aus dem Irak die Rede ist, muss man wissen, dass der Rückgang der Zahl ursächlich damit zusammenhängt, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge seine Anerkennungspraxis seit Sommer dieses Jahres drastisch geändert hat, und zwar hinsichtlich der religiösen Minderheiten. Es war bisher so, dass religiöse Minderheiten, speziell Christen und Jesiden, als gruppenverfolgt galten. Jetzt wird der Standpunkt vertreten, diese Gruppenverfolgung bestünde nicht mehr. In Wirklichkeit ist es so - ich kann Ihnen über viele Fälle berichten -, dass sich Angehörige der jesidischen Minderheit z. B. aus der Provinz Ninawa im Irak in die Hauptstadt Mosul überhaupt nicht mehr hineintrauen. Sie leben nur noch in den eigenen Dörfern halbwegs sicher. Selbst dort verbarrikadieren sie sich schon vor den muslimischen Fundamentalisten. Die meisten von ihnen fliehen nach Syrien. Das ist die Realität. Bei uns nimmt das Bundesamt sie nicht mehr auf. Das ist der Hintergrund, auf den ich hinweisen wollte.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Minister, bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Zahl der Asylbewerber aus dem Irak ist keineswegs zurückgegangen. Das habe ich auch nicht behauptet. Im Gegenteil: Im Jahr 2009 gab es bis zum 31. Oktober 5 600 Asylanträge. Allein im Oktober dieses Jahres waren es 600. Ich habe auch den Zusammenhang mit dem Resettlementprogramm hergestellt, indem ich gesagt habe, es wäre normalerweise sinnvoll, ein Resettlementprogramm durchzuführen, weil die Asylbewerberzahlen dann zurückgingen. Letzteres ist aber mitnichten der Fall. In den letzten Monaten ist die Zahl der Anträge sogar noch gestiegen. Was Sie hier dargestellt haben, nämlich dass es einen enormen Rückgang der Zahl der Asylbewerber aus dem Irak gegeben hat, ist mitnichten zutreffend. Aus der Statistik ist das deutlich abzulesen.

Herr Bachmann hat ebenfalls um zusätzliche Redezeit gebeten. Ich erteile ihm für zwei Minuten das Wort. Bitte schön, Herr Bachmann!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da der Herr Minister zum Schluss die Zwischenfragen nicht mehr zugelassen hat, muss ich für meine Ausführungen zusätzliche Redezeit in Anspruch nehmen.

Herr Minister Schünemann, ich frage mich nach Ihrer Rede, welchen rational nachvollziehbaren oder überzeugenden Grund es gibt, dem Antrag der Oppositionsfraktionen heute hier nicht zuzustimmen. Wir fordern, dass Sie im Bundesrat in dem hier angesprochenen Sinne initiativ werden und dass Sie der Bundesregierung gegenüber initiativ werden. Das, was Sie selber zu den Vorteilen des Resettlementprogramms gesagt haben, ist Geist unseres Antrages. Es gibt überhaupt keinen erkennbaren Grund dafür, dass es heute hier nicht zu einem einstimmigen Beschluss kommt, zumal wir in unserem Antrag und die Koalitionsfraktionen in ihrem Antrag die Dankesworte an die bisher Beteiligten gemeinsam formuliert haben. Nach Ihren Aussagen müssten hier im Landtag die Hände jetzt doch einstimmig gehoben werden.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Damit stehen wir am Ende der Beratung über diesen Tagesordnungspunkt.

Wir kommen zur Abstimmung.

Der auf Annahme in einer geänderten Fassung zielende Änderungsantrag entfernt sich inhaltlich vom ursprünglichen Antrag. Wir stimmen daher zunächst über diesen Änderungsantrag ab. Falls er abgelehnt wird, stimmen wir anschließend über die Beschlussempfehlung ab.

Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion DIE LINKE in der Drs. 16/1842 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Das Zweite war die Mehrheit. Diesem Änderungsantrag wurde also nicht gefolgt.

Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses. Wer der Be

schlussempfehlung des Ausschusses zustimmen und damit den Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP in der Drs. 16/1344 unverändert annehmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Das Erste war die Mehrheit. Es ist so beschlossen. Der Beschlussempfehlung ist damit gefolgt worden.

Vor der Mittagspause muss ich noch ein anderes Thema ansprechen. Es geht darum, dass während der Diskussion über den letzten Tagesordnungspunkt Begriffe gefallen sind, die bei Frau Zimmermann Unbehagen hervorgerufen haben.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Nicht nur bei ihr!)

Es gab zunächst einen Beitrag von Ihnen, Frau Flauger, den ich im Moment protokollarisch nicht nachvollziehen kann. Daraufhin sagte aber der Kollege McAllister: Das sagen die Antichristen! Unglaublich! - Dadurch fühlt sich Frau Zimmermann persönlich betroffen. Deshalb erteile ich Ihnen für Ihren Zuruf einen Ordnungsruf, Herr McAllister.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, damit sind wir am Ende der Tagesordnung für den Vormittag angelangt, und wir setzen die Sitzung um 15 Uhr fort.

(Unterbrechung der Sitzung von 13.41 Uhr bis 15.00 Uhr)

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die Sitzung wieder.

Wir kommen zu den Tagesordnungspunkten 16, 17 und 18, die vereinbarungsgemäß zusammen aufgerufen werden: