Protokoll der Sitzung vom 25.11.2009

Meine Damen und Herren, im Mai haben wir den Entschließungsantrag mit der Überschrift „Neue Chancen der maritimen Wirtschaft in Norddeutschland nutzen“ eingebracht. Als Vorsitzender des Unterausschusses „Häfen und Schifffahrt“ habe ich mich sehr darüber gefreut, dass die Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion im September einen ähnlichen Antrag mit der Überschrift „Maritime Wirtschaft in der Krise zukunftsfähig gestalten“ formuliert haben. Auch wenn die Anträge zum Teil unterschiedlich sind, konnte der Interessierte dennoch erkennen, dass parteiübergreifend die Chancen und die Zukunft unserer maritimen Wirtschaft im Vordergrund standen.

Meine Damen und Herren, nach Absprache mit den hafenpolitischen Sprechern sollte die kürzlich stattgefundene Brüssel-Reise des Unterausschusses auch dazu genutzt werden, einen fraktionsübergreifenden Antrag für die heutige Plenarsitzung vorzubereiten. In der Debatte im Unterausschuss verständigten sich die großen Fraktionen sehr schnell darauf, dass in der Überschrift der Hinweis „Jetzt ist der Norden dran“ gegeben wird. Sehr richtig; denn der Bund ist wegen der nationalen Bedeutung der norddeutschen Häfen in diesem Kontext in einer besonderen Verantwortung.

Die Nr. 6 in unserem Antrag drängt insbesondere den Bund dazu, den Ausbau der seewärtigen Zu

fahrten und Hafenhinterlandanbindungen voranzutreiben und endlich dort genügend Finanzmittel vorzuhalten, wo die Häfen sind, nämlich in Norddeutschland.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - David McAllister [CDU]: Richtig!)

Ich erinnere daran, dass es allein in Niedersachsen neun seetüchtige Häfen gibt: in Papenburg, Leer, Emden, Wilhelmshaven, Oldenburg, Nordenham, Brake, Cuxhaven und Stade-Bützfleth.

In der Ausschusssitzung in Brüssel, meine Damen und Herren, kam es dann aber doch anders, und ein gemeinsamer Antrag scheiterte. Obwohl die SPD-Fraktion in ihrem Antrag z. B. in der Nr. 7 die Landesregierung dazu auffordert, die weitere Entwicklung der niedersächsischen Häfen rechtzeitig anzugehen, wurde auf einmal gebremst und gesagt, erst in ein paar Monaten könne man eventuell einen gemeinsamen Antrag formulieren. Für uns war völlig unerklärlich, warum die SPDFraktion 14 Tage vor der Bundestagswahl noch von „rechtzeitig“ sprach, dieses Ziel aber einige Wochen nach der Bundestagswahl und damit mögliche fraktionsübergreifende Gemeinsamkeiten aufgab. Oder lässt es sich vielleicht doch erklären? - Das unterschiedliche Abstimmungsverhalten der SPD-Fraktion im Ausschuss dokumentiert dies. Meine Damen und Herren, für parteipolitische Spielchen oder persönliche Profilierungen ist keine Zeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das hat unsere maritime Wirtschaft nicht verdient!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Wilhelm Heidemann [CDU]: Richtig!)

Meine Damen und Herren, wir alle sind dazu aufgerufen, jetzt beim Bund die möglichen Mittel z. B. für die Hafenhinterlandanbindung, für Schiene, Straße und Binnengewässer einzufordern.

(Olaf Lies [SPD]: Wir haben ja gese- hen, wie das funktioniert!)

Wir alle sind dazu aufgerufen, jetzt z. B. die Werften und ihre Zulieferindustrie ausreichend zu unterstützen. Wir alle sind dazu aufgerufen, jetzt den zukünftigen Erfolg des einzigen deutschen Tiefwasserhafens sicherzustellen und dem JadeWeserPort mit Planungen für die zweite Ausbauphase zu helfen. Wir sind jetzt dazu aufgerufen, die beträchtlichen Potenziale von Zukunftsbereichen wie z. B. der Offshorewindenergie zu erschließen.

Meine Damen und Herren, in den zwölf Punkten unseres Entschließungsantrags stellen wir heraus, warum die maritime Wirtschaft gerade in Niedersachsen eine Schlüsselindustrie ist. Wir freuen uns sehr darüber, dass die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unserem Entschließungsantrag offensichtlich sehr viel abgewinnen kann. Beim vergleichenden Lesen Ihres Änderungsantrags von gestern mit unserem Antrag sind zumindest nur wenige Unterschiede festzustellen.

(Enno Hagenah [GRÜNE]: Aber ent- scheidende!)

Meine Damen und Herren, der SPD-Fraktion sagen wir deshalb: Rechtzeitig ist jetzt. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, neue Chancen der maritimen Wirtschaft in Norddeutschland zu nutzen. Heute, acht Wochen nach der Bundestagswahl, sagen wir hier im Niedersächsischen Landtag: Jetzt ist der Norden dran! Stimmen Sie alle jetzt unserem Antrag zu!

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP - David McAllister [CDU]: Bravo!)

Danke schön, Herr Kollege Ahlers. - Von der SPDFraktion hat sich jetzt Herr Kollege Lies zu Wort gemeldet. Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir wollen den Kopf nicht in den Sand stecken. Aber ich will einmal im Bereich der maritimen Sprache bleiben: Es hilft auch nicht, den Kopf unter Wasser zu lassen. Es hilft nur, miteinander zu reden und zu diskutieren. Ich glaube, das ist hier abhandengekommen.

Wir haben nicht Probleme mit den Inhalten - das will ich gleich zu Beginn sagen -, sondern wir haben Probleme im Umgang mit den Anträgen und mit der Beratung, die wir geführt haben. Ich will hier darauf eingehen. Wir haben natürlich gesagt, dass es unser Ziel ist, einen gemeinsamen Antrag zu entwickeln, aber bitte einen Antrag mit Inhalt, mit Substanz, einen Antrag, der in die Tiefe geht und auch wirklich Wege aufzeigt. Der uns vorliegende Antrag ist nichts anderes als oberflächliche Form mit einer Überschrift darüber.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wir brauchen Zeit für die Beratung. Wir brauchen keine alten Anträge. Einige der alten Anträge will ich hier einmal auflisten. 2007 wurde von der CDU ein Antrag mit dem Titel „Die maritime Wirtschaft in Niedersachsen stärken und ausbauen“ vorgelegt. Im Oktober 2008 folgte der Antrag mit der Überschrift „Maritime Wirtschaft in Niedersachsen - Neue Chancen“. Das war gewissermaßen ein Positionspapier. Im Mai folgte ein weiterer Antrag. Die Anträge hatten alle denselben Tenor. Es wurde aber an keiner Stelle berücksichtigt, dass sich die Welt um uns herum verändert hat.

Wir sind in einer sehr schweren wirtschaftlichen Krise, die sich natürlich auch auf die maritime Wirtschaft auswirkt. Deshalb muss der Blick nach vorn gerichtet sein. Der Blick darf allerdings nicht von Ignoranz geprägt sein, sondern es müssen die Themen in den Blick genommen werden, die behandelt werden müssen, um die Zukunft zu stabilisieren.

Lassen Sie mich einige Beispiele dafür nennen. Das erste Beispiel ist die Verkehrsinfrastruktur. Unter dem einschlägigen Punkt Ihres Antrages finde ich überhaupt keinen konkreten Inhalt. Sie sprechen von einer Stärkung der Hafenhinterlandanbindung. Wir sind gerade mitten in einer Diskussion mit Verkehrsminister Ramsauer. Dieser hat als Erstes die Umfahrung von Köln - ein sehr wichtiges Projekt - vor. Er will darüber hinaus das Projekt Stuttgart 21 mit über 5 Milliarden Euro realisieren. Ansonsten hören wir zur Y-Trasse, dass es große Probleme gibt, überhaupt die Planungsmittel zur Verfügung zu stellen.

(Beifall bei der SPD)

Wenn die Planungsmittel dann gewährt werden, reichen die Gelder nicht für die Realisierung. Das ist doch das Problem. Insofern wird es bei Ihnen nicht funktionieren.

(Beifall bei der SPD)

Wenn es schon bei den Planungsmitteln nicht funktioniert, wird es bei den Realisierungsmitteln erst recht scheitern. Ich glaube nicht, dass viel Gefühl für den Norden da ist.

Lassen Sie mich ein zweites Beispiel nennen, nämlich den JadeWeserPort. Die Forderung ist vollkommen richtig. Sie ist auch in unserem Antrag enthalten. Müssen wir aber nicht zuerst einmal die Istsituation betrachten? - Wenn wir uns die Entwicklung der Containerwirtschaft in Bremerhaven anschauen, stellen wir fest, dass es dramatische Einbrüche gibt. Allein im Containerverkehr beläuft

sich der Einbruch auf über 50 %. Es gibt Überkapazitäten, und es findet Preisdumping, also ein Preiskampf statt. Wir sollten uns - wir waren in Brüssel - einmal die Frage stellen, warum in Rotterdam solche Dumpingpreise überhaupt gemacht werden können. Im Interesse unserer maritimen Wirtschaft müssen wir darauf schauen, was andere Länder tun. Wir registrieren neue Direktverkehre. Es gibt Verkehre von China direkt nach Polen. Welche Auswirkungen hat das auf die Planungen, die wir bisher vollzogen haben? - Wir haben eine Stilllegung in Ust Luga. Eurogate ist mit 20 % an diesem Hafen beteiligt. Dieser Hafen wird stillgelegt.

Und dann haben wir Ihren Ministerpräsidenten.

(David McAllister [CDU]: Ein sehr gu- ter Mann! - Beifall bei der CDU)

- Ein sehr guter Mann. Ich kann ja Ihre Freude über ihn verstehen. - Dieser Mann war am Montag in Wilhelmshaven. In Wilhelmshaven hat er einen wunderbaren Vortrag zur maritimen Wirtschaft gehalten.

(Zuruf von der CDU)

- Hören Sie doch einmal zu, damit Sie auch antworten können. Man darf nicht nur mit dem Mund, sondern muss auch mit den Ohren arbeiten können. - In seinem Vortrag hat der Ministerpräsident gesagt: Der Vertrag, der mit Eurogate geschlossen wurde, hat Handschlagqualität. - Wer den Begriff der Handschlagqualität verwendet, mag ja viel Vertrauen in einen Vertrag setzen. Ich glaube, wir haben heute Morgen eines gemerkt: Dieser Vertrag, an dem das Land Niedersachsen sehr intensiv beteiligt war, bedeutet einen Schaden für das Land Niedersachsen. Wir werden das im Einzelnen nicht erfahren, weil die entscheidenden Informationen vom Minister zurückgehalten werden. Ich glaube, dieses Thema wird uns einholen. Sie drücken sich vor einer klaren Aussage. Sie drücken sich vor der Einsicht. Sie werden erkennen, dass ein so schlechter Vertrag zwischen einem Land und einem Hafenbetreiber wie Eurogate wahrscheinlich noch nie geschlossen wurde. Das ist die große Sorge, die ich habe.

(Beifall bei der SPD)

Das macht aber offensichtlich nichts; denn der Ministerpräsident hat ja gesagt: Auf die Landesregierung können Sie sich verlassen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - David McAllister [CDU]: Genau!)

Ich glaube, zumindest bei dem zweiten Satz, den er gesagt hat, nämlich dass in seiner Zeit der Hafen fertig werde, ist deutlich geworden, dass er die Unwahrheit gesagt hat. Allen ist inzwischen schließlich bewusst, und es ist auch öffentlich bekannt, dass es zu Bauverzögerungen kommen wird. Deswegen wird der Hafen nicht in seiner Zeit fertig werden. Wir können für die Erreichung dieses Ziels vielleicht mit Nachdruck arbeiten. Aber der Minister könnte nicht auch nur ansatzweise entgegnen, dass es nicht zu Verzögerungen kommen wird.

Es stellen sich weitere Fragen: Wie steht es um die Notwendigkeit der Elbvertiefung? Wie steht es um die Notwendigkeit des weiteren Ausbaus? - Herr Ahlers, ich erinnere an die Absprachen zwischen uns. Unsere Idee war es, uns gemeinsam zu informieren und gemeinsam einen Antrag auf den Weg zu bringen, der Substanz hat und auf das Ziel ausgerichtet ist, die niedersächsische Hafenwirtschaft zu stärken. Der vorliegende Antrag bleibt hingegen an der Oberfläche.

Ich komme auf das dritte Beispiel zu sprechen, nämlich auf die Situation der Werften und Reeder. Ich bin sehr froh, dass Sie diesen Punkt in Ihren Antrag aufgenommen haben. Wo sind aber die konkreten Vorschläge zur Stärkung der Werften und der Reeder? - Es gibt dazu keinen einzigen substanziellen Vorschlag. Herr Ahlers, unser Ansatz war zu sagen: Ja, wir wollen einen gemeinsamen Antrag, aber einen Antrag mit Substanz und mit Vorschlägen, die umgesetzt werden können. Wir wollen Gespräche mit der maritimen Wirtschaft, mit den Reedern, mit den Werften und auch mit den Gewerkschaften führen, aber nichts passiert in dieser Hinsicht. Stattdessen fährt man nach Brüssel, und in einer Nachtsitzung wird gesagt: Wir wollen den Beschluss heute schon fassen - ohne Grund, ohne Zweck, ohne Notwendigkeit.

Die Überschrift des vorliegenden Antrages lautet: „Neue Chancen der maritimen Wirtschaft … nutzen“. Dies veranlasst mich, ehrlich gesagt, zu folgender Feststellung, die ich an Ihre Adresse richte: Angesichts der Bedrohung von Arbeitsplätzen im Bereich der maritimen Wirtschaft und angesichts der vielen Fragezeichen, die im Raum stehen, ist es nahezu zynisch, von neuen Chancen zu reden. Es muss darum gehen, die Wirtschaft in der Krise zu stärken.

Das war unser Ansatz. Dies hätte auch der inhaltliche Schwerpunkt Ihres Antrages sein müssen.

(Beifall bei der SPD)

Nun zu dem vierten Beispiel, und zwar zu gezielten Investitionen in die Häfen: Wir wollten prüfen, an welcher Stelle in Niedersachsen in unseren Seehäfen, aber auch in unseren Binnenhäfen Bedarf an Investitionen besteht. Wir haben im Ausschuss den Antrag gestellt, Informationen darüber zu bekommen, welche weiteren Planungen vorliegen und welche konkreten Projekte angegangen werden. Es geht dabei nicht nur um Planungen, die uns vorgelegt werden, sondern auch um solche, die in den Hafenstädten tatsächlich eine Rolle spielen. Diese Informationen sind uns bisher verwehrt worden. Ich hätte mir gewünscht, dass auch die CDU und die FDP einmal den Mut haben, zu sagen: Ja, wir lassen uns genau diese Projekte vorlegen. - Das aber ist nicht geschehen.

(Glocke der Präsidentin)

Warum haben Sie sich nicht die Zeit genommen, wie wir das gemeinsam besprochen haben, sondern jetzt im November-Plenum - - -

Herr Kollege Lies, das Problem besteht darin, dass auch Sie keine Zeit mehr haben. Einen letzten Satz gestatte ich Ihnen.

Ein letzter Satz! Ich komme sofort zum Ende. - Wir werden uns bei der Abstimmung über diesen Antrag der Stimme enthalten, weil Sie sich diese Zeit nicht genommen haben. Ich bin aber sehr froh, dass wir über unseren Antrag, den wir in der Substanz mit Ihrer Hilfe sicherlich noch weiter ausbauen können und der in der Substanz weiter geht als der Antrag von CDU und FDP, im Ausschuss beraten werden. Wir können über die vorliegenden Anträge im Ausschuss gemeinsam beraten. Ich lade Sie zu dieser Beratung herzlich ein. Wir werden Sie - anders, als Sie es mit uns getan haben - an der Beratung teilhaben lassen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)