Protokoll der Sitzung vom 26.11.2009

müssen die Optionskommunen abgesichert und kommunalfreundlich ausgerichtet werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, gestern haben die Arbeits- und Sozialminister der Länder im Kamingespräch mit Minister Jung über mögliche Lösungen gesprochen.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Ist der denn noch im Amt? - Heiterkeit bei der SPD)

Es war ein ausgesprochen konstruktives, sehr offenes und sehr von Lösungsorientiertheit getragenes Gespräch. Minister Jung hat deutlich gemacht, die Optionskommunen entfristen zu wollen und über freiwillige Kooperationen der BA mit den Kommunen zu einer tragfähigen Lösung zu kommen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Uwe Schwarz [SPD]: Das geht doch überhaupt nicht! - Wolfgang Jüttner [SPD]: Auf welcher Rechtsgrundlage denn?)

Wichtig war ihm in diesem Zusammenhang auch, einen breiten Konsens herbeizuführen. Er hat zugesagt, sobald ein auf Bundesebene abgestimmtes Eckpapier vorliegt, gemeinsam mit den Ländern und Kommunen zügig hierüber zu beraten.

Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Adler?

Und, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich weiß aus zahlreichen Gesprächen, wie unendlich schwierig es ist, hier zu einer tragfähigen Lösung zu kommen. Deshalb müssen wir jetzt alle Kräfte bündeln und daran arbeiten, dass wir gemeinsam eine Lösung hinbekommen;

(Uwe Schwarz [SPD]: Das haben wir schon dreimal versucht! Das ist drei- mal gescheitert!)

denn das sind wir sowohl den Bürgerinnen und Bürgern, die auf Sozialhilfeleistungen angewiesen sind, als auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die diese Arbeit und Aufgabe tagein und tagaus erledigen, schuldig.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Wolfgang Jüttner [SPD]: Wenn ihr da klatscht, müssen euch doch die Hän- de abfallen!)

Meine Damen und Herren, zu Wort gemeldet hat sich Herr Watermann von der SPD-Fraktion. Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Ministerin, wir haben hier eine gemeinsame Entschließung gefasst. Diese gemeinsame Entschließung hat zum Inhalt, dass wir eine Verfassungsänderung anstreben. Ich habe Ihnen soeben gesagt, die SPD-Fraktion wird das, was vor der Bundestagswahl als Kompromiss vorlag, wieder einbringen. Das beinhaltet, dass es die Verfassungsänderung gibt und dass sowohl die Argen als auch die Optionskommunen eine Chance haben. Sie haben jetzt die große Chance, hier zu erklären, dass Sie sich dafür einsetzen und dass Sie das in den Mittelpunkt stellen; denn das wäre die Erfüllung dessen, was wir hier gewollt haben.

Sie stellen sich hier hin und erzählen, dass der Betroffene im Mittelpunkt steht. Sagen Sie mir doch einmal, worin für einen Betroffenen die gute Situation besteht, wenn er sich zukünftig mit zwei Gerichtsbarkeiten auseinandersetzen muss. Er muss sich mit der Verwaltungsgerichtsbarkeit und der Sozialgerichtsbarkeit auseinandersetzen. Das ist die Beschlusslage und entspricht den Vorlagen. Er befindet sich in einer Situation, die sich aus seiner Sicht dramatisch verschlechtert. Das ist doch eine Situation, die wir nicht wollen können. Wir stehen vor der Situation, Bürokratie aufzubauen.

Herr Ministerpräsident, Sie haben die Chance, das, was wir hier gewollt haben und was Sie mir mitgegeben haben, umzusetzen. Ich hoffe, dass wir das auch hinbekommen; denn das, was jetzt kommt, ist vor Ort für die, die nicht Optionskommunen sind, eine Katastrophe. Das darf nicht sein.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Ministerpräsident, Sie kommen natürlich jederzeit dran. Herr Matthiesen hatte sich aber zu einer Kurzintervention gemeldet. - Aber bitte schön!

Ich wollte nur den Hinweis von Frau RossLuttmann weitergeben, dass die Landesregierung die Einschätzung hat, dass die Verfassungsänderung nach zweijähriger Debatte gescheitert ist.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: An wem denn? An uns nicht!)

- Die Debatte ist nach Ihrer Meinung an uns gescheitert, nach unserer Meinung ist sie an Ihnen gescheitert.

(Zustimmung bei der CDU)

Für beide Meinungen gibt es hervorragende Argumente. Da ich die Gespräche selbst geführt habe, kann ich die Chronologie hier gern noch einmal in Erinnerung rufen.

Wir haben seit 2001/2002 die Meinung vertreten, dass die Arbeitsverwaltung und die Arbeitsvermittlung stärker in die örtliche Zuständigkeit gelangen müssen und nicht allein zentral von Nürnberg aus gesteuert werden dürfen. Daraufhin hat es in Niedersachsen bundesweit einzigartige Modellversuche gegeben, beispielsweise im Landkreis Emsland und im Landkreis Osnabrück, die in den Vorschlag der Union mündeten, diese Optionsgemeinden bundesweit einzuführen.

Das hat die Sozialdemokratie nie gewollt, weil sie diese Schwächung der Bundesagentur für Arbeit - zentral und dezentral - nie gewollt hat. Ich verkürze jetzt sehr, versuche aber, es sehr sachlich vorzutragen. Daraufhin wurde am Kamin im Bundesrat nachts um halb drei mit Bundeskanzler Schröder, dem damaligen Bundesaußenminister Joschka Fischer, der damaligen Oppositionsführerin Merkel, dem FDP-Fraktionsvorsitzenden Westerwelle und einigen anderen - zu Zehnt etwa haben wir verhandelt - ein Kompromiss ausgehandelt.

Eines der Ergebnisse war, dass die Bundesländer bis zu 69 Optionskommunen einrichten dürfen, davon die einzelnen Länder jeweils so viele, wie sie Bundesratsstimmen haben, also wir eigentlich sechs.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Als Modell- versuch!)

Wenn aber einzelne Bundesländer die auf sie entfallenden Zahlen nicht in Anspruch nehmen, dann können die anderen Länder ihre Zahl entsprechend aufstocken. Daraus ist diese für Niedersachsen einzigartige Situation entstanden, dass 13 Landkreise Optionsgemeinde werden wollten und 13 Optionsgemeinde werden durften.

Dass später dann Regionen wie die Region Hannover zu der Überzeugung gekommen sind, das wäre angesichts des unendlichen Ärgers mit der Bundesagentur für Arbeit für sie genau das Richtige gewesen, aber leider käme man zu spät und könne jetzt nicht mehr Optionsgemeinde werden, hat uns immer veranlasst zu sagen: Wir müssen auch für Herrn Jagau mit seiner heute richtigen Erkenntnis, Optionsgemeinde werden zu wollen, ein Türchen öffnen und die Erweiterung von 69 auf mehr Optionsgemeinden mit einer Grundgesetzänderung möglich machen.

Die Sozialdemokratie hat aber gesagt: Das Äußerste ist die Entfristung, das unbefristete Fortbestehen der 13 Optionsgemeinden in Niedersachsen, der 69 im Bund. - Herr Scholz hat mir gesagt: Eine Ausweitung ist mit uns Sozialdemokraten nicht möglich. Damit kriegen wir die SPDBundestagsfraktion nicht ins Boot. - Daran ist aus unserer Sicht die Verfassungsänderung gescheitert.

Dann folgten monatelange Verhandlungen - mal hat Rüttgers für uns verhandelt, mal Koch, mal ich, wir waren bei Scholz und bei anderen, haben auch mit Steinmeier geredet -, die am Ende gescheitert sind. Ihr Arbeitsminister Scholz hat über ein Jahr versucht, eine Lösung für dieses Problem zu finden, es aber nicht hingekriegt. Mit dieser Situation mussten wir dann in den Koalitionsverhandlungen in Berlin umgehen. Die Situation ist im Übrigen deshalb so schwierig, weil die Kommunen gegen das Modell der Arbeitsgemeinschaften geklagt haben. Wir dürfen auch manchmal den Verursacher des Problems nicht ganz aus dem Auge verlieren.

Normalerweise hätten jetzt die Arbeitsgemeinschaften von Agentur für Arbeit und Kommunen weiterarbeiten können, was wir ja wollen - mit einem Bescheid von einer Stelle, einer Zuständigkeit, wenig Bürokratie.

Aber dagegen sind die Kommunen zu Felde gezogen, jedenfalls einige, und sie haben unglücklicherweise auch noch recht bekommen vor dem Bundesverfassungsgericht, das gesagt hat: Das, was ihr euch da überlegt habt - ein Bescheid, eine Zuständigkeit, ein Verfahren -, ist ja schön, aber es ist mit der Verfassung nicht vereinbar.

Sie können mich und andere nun nicht zwingen, gegen die Verfassung zu verstoßen, also müssen wir dieses Urteil des Bundesverfassungsgerichts jetzt umsetzen. Das geht nun einmal nur so, dass wir erst einmal hoffen, dass Karlsruhe uns die 69

Optionsgemeinden nicht kaputt macht - auch darüber gibt es ja unterschiedliche Auffassungen -, und dass wir sagen: Das ist von dem Urteil wohl gedeckt, die dürfen weiterarbeiten wie bisher. Für die anderen Kommunen in Deutschland müssen wir unter Berücksichtigung der Vorgaben des Verfassungsgerichts eine Lösung finden, mit der wir aber trotzdem so viel Einheitlichkeit wie möglich schaffen: One-stop-Strategie, eine Zuständigkeitsstelle, ein abschließender Bescheid in zwei Formen. Denn sonst würden wir Karlsruhe brechen. Das müssen wir jetzt organisieren.

Der neue Bundesarbeitsminister, Herr Jung, will nun bundesweit einheitliche Verträge für freiwillige Abschlüsse zwischen der jeweiligen Agentur für Arbeit und der jeweiligen Kreisverwaltung entwickeln. Das müssen wir weiter verfolgen. Ob solche Abschlüsse gelingen, ob man bei der Sozialministerkonferenz gestern Abend in Berchtesgaden in diesem Bereich vorangekommen ist, das müssen die nächsten Tage zeigen. Wir reden heute Abend in Berlin mit der Bundeskanzlerin wieder über das Thema. In diese Richtung muss jetzt gearbeitet werden.

Wenn die Bemühungen scheitern, wäre das eine schlichte Katastrophe, und zwar für alle, die Herr Watermann hier beschrieben hat: für die Mitarbeiter, die sich in den Argen stark engagieren und hochgradige Kompetenzen erworben haben, die sie auch weiter einsetzen wollen, und auch für die Gemeinden, zu denen dann Leute zurückkommen, die sie gar nicht beschäftigen können und für deren Bezahlung sie gar keine Mittel im Haushaltsplan haben. Es wird auch eine Katastrophe für die betroffenen Arbeitslosen und Langzeitarbeitslosen, die erwarten können, dass sie an einer Stelle umfassend und kompetent beraten werden, dass sie von einer Stelle die Bescheide, das Geld und die Vermittlungschance bekommen.

Es geht hier um ein großes Problem, das seit Jahren ungelöst ist, und wir machen uns jetzt daran, im Rahmen der Verfassungsrechtsprechung für die Betroffenen eine angemessene Lösung zu finden. Natürlich können wir uns hier noch stundenlang darüber aufregen. Aber das führt für die Betroffenen zu keiner Lösung.

(Filiz Polat [GRÜNE]: Dann stimmen Sie doch unserem Antrag zu!)

- Nein, ich kann Ihrem Antrag nicht zustimmen, weil Ihr Antrag im Grunde genommen ein Aufbrühen von Dingen ist, die seit zwei Jahren nicht zum Ziel geführt haben. Wir arbeiten in die Zukunft

hinein; denn in der werden wir leben und nicht in der Vergangenheit.

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, es liegen jetzt drei Wortmeldungen vor und ein Wunsch nach einer Kurzintervention. Da sich die Wortmeldungen mit Ausnahme der letzten von Herrn Jüttner nicht auf den Redebeitrag des Ministerpräsidenten beziehen, halte ich die Kollegin Helmhold und die Kollegen Adler und Dr. Matthiesen für damit einverstanden, dass zunächst Herr Jüttner in der Replik auf Herrn Wulff spricht. Können wir das einvernehmlich so regeln? - Danke schön.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Wulff, vor dem Hintergrund, dass Sie gesagt haben, dieser Antrag sei seit zwei Jahren obsolet, taucht natürlich die Frage auf, warum wir vor sechs Monaten einstimmig den gleichen Wortlaut hier beschlossen haben.

Ich kann Ihnen in dem, was Sie vorgetragen haben, gar nicht widersprechen. Es muss allerdings um ein paar Aspekte ergänzt werden.

Richtig ist: Damals war es ein Kompromiss. Die SPD auf Bundesebene hat diesen Optionsgedanken relativ strikt abgelehnt - das haben Sie richtig beschrieben -, und auf CDU-Seite war man sehr auf Option orientiert. Und dann war es wie so oft in der Politik, vor allem dann, wenn man eine Zweidrittelmehrheit braucht - das war hier nicht der Fall -: Es gab einen Kompromiss, der beinhaltet: Das Normale sollen die Arbeitsgemeinschaften sein, also eine neue Form der Kooperation, für die wir uns auch stark gemacht haben, weil sie verwaltungsvereinfachend ist, und als Entgegenkommen gegenüber der damaligen Opposition CDU/CSU wurden befristet Optionskommunen eingeräumt. Dabei war vollkommen klar, dass es nach der Befristung einer neuen Rechtsgrundlage bedarf und die Regelung sonst auslaufen würde. So war damals die Situation.

In der Zwischenzeit hat sich einiges geändert, übrigens auch in unserer Position. In den letzten Monaten haben wir - Uli Watermann und meine gesamte Fraktion - dafür gekämpft, dass die Position, die im Niedersächsischen Landkreistag entwickelt worden ist, nämlich einen Kompromiss von

damals zu einem Kompromiss von heute zu entwickeln, im ganzen Bundesgebiet durchgesetzt wird.

Was wir hier miteinander beschlossen haben, ist genau die Position des Niedersächsischen Landkreistages. Wir haben gesagt: Wir helfen allen Beteiligten, allerdings nicht allen in allen Punkten - auch das ist üblich bei einem Kompromiss -, indem wir miteinander verabreden, dass wir die Verfassung ändern und damit eine Rechtsgrundlage schaffen, auf der für alle Betroffenen eine einheitliche Gerichtsbarkeit und ein einheitlicher Ansprechpartner möglich sind, also eine verfassungsfeste Dauerregelung für die Arbeitsgemeinschaften, und im Gegenzug gibt es eine Dauerregelung für die bestehenden 69 Optionskommunen.

Das war die Verabredung hier. Dass das Teilen der kommunalen Seite nicht weit genug ging, ist richtig. Aber so ist es bei einem Kompromiss: Jeder gibt etwas her.

Dann wurde verhandelt - und da waren Sie, glaube ich, nicht ganz sauber in Ihrer Argumentation -, und Ende letzten Jahres - im November/Dezember - wurde ein Kompromiss genau auf dieser Basis erzielt.