Protokoll der Sitzung vom 14.12.2009

(David McAllister [CDU]: Kenne ich nicht!)

- Ja genau, Augen zu, dann sieht man die Probleme und die Realität nicht, Herr Fraktionsvorsitzender.

Wir haben mit Genugtuung zur Kenntnis genommen, dass die Regierungsfraktionen etwas draufgelegt haben.

(Heinz Rolfes [CDU]: Wie viel habt ihr denn damals ausgegeben?)

Das ist in Ordnung. Aber, meine Damen und Herren, der Text des Landesrechnungshofes lautet anders. Deswegen haben wir noch etwas draufgepackt, weil in diesem Bereich ein ungeheurer Investitionsstau durch Unterlassung aufgelaufen ist. Wir haben die Mittel noch mal erhöht und eine Verpflichtungsermächtigung für die nächsten zwei Jahre ausgebracht, damit dieser Investitionsstau endlich abgebaut wird. Wir wollen nicht zuschauen, wie das Landesvermögen verrottet. Das ist der Ansatzpunkt, unter dem wir arbeiten.

(Beifall bei der SPD)

Herr Wulff, bestimmte Dinge holen einen ja immer wieder ein. Ihre Rede aus dem Jahre 1999 über die Notwendigkeit einer zweistelligen Investitionsquote könnte weiter gelten. Wir stellen nur fest: In Ihrer Mittelfristigen Planung sind Sie im Jahre 2013 nicht bei 10 % angelangt - das haben Sie als Untergrenze genannt -, sondern bei 5,7 %, meine Damen und Herren.

(Gerd Ludwig Will [SPD]: Unerhört!)

Niedersachsen ist das Schlusslicht in Deutschland! Wer nicht investiert, der sichert keine Zukunftsfähigkeit, meine Damen und Herren. Das ist ein schwerwiegender Fehler, den Sie hier begehen.

(Beifall bei der SPD)

Der letzte Block aus unserem Haushaltsantrag hat mit der Leistungserbringung der Landesverwaltung zu tun. Wir dürfen nicht unterschätzen, meine Damen und Herren, in welcher Situation sich die 180 000 Beschäftigten im Land Niedersachsen befinden. Ich will dazu drei Problemkreise aufzeigen, die ich sehe. Das eine ist ein hochgradiges Motivationsproblem. Das hat übrigens sehr viel damit zu tun, dass Sie nach 2003 ausschließlich auf Kosten der Beschäftigten des Landes einen Konsolidierungsbeitrag entwickelt haben. Das ist so, das wirkt nach.

(Beifall bei der SPD)

Er wird übrigens dadurch ergänzt, dass Tausende keine sachgerechte Bezahlung erhalten, weil die entsprechenden Stellen nicht vorhanden sind; sie leisten die Arbeit, aber das Geld dafür bekommen sie nicht.

Das Zweite hat etwas mit Einnahmeverlusten aufgrund von Personalmangel zu tun. Das gilt insbesondere für die Steuerverwaltung.

Das Dritte - auch das haben wir im Land einige Male erlebt - ist: Es gibt eine Verfahrensverschleppung in der Justiz. Verfahrensverschleppungen in der Justiz sind nicht gut für die öffentliche Wahrnehmung. Wenn Ganoven länger frei herumlaufen, wenn Verfahren nicht zu Ende gebracht werden, wenn Verfahren aufgrund der vorherrschenden rechtlichen Bedingungen sogar abgebrochen werden müssen, dann wirkt sich das negativ auf die Wahrnehmung der Qualität öffentlicher Verwaltungen aus. Deshalb, meine Damen und Herren, haben wir in unserem Antrag mehr als 1 000 Stellenhebungen veranschlagt, 49 Stellen zusätzlich für die Justiz ausgebracht und 135 Anwärterstellen in

der Steuerverwaltung eingeplant - die finanzieren sich weiß Gott selbst und sind dringend notwendig.

(Beifall bei der SPD - Björn Thümler [CDU]: Na klar! Das kann man so aus dem Ärmel schütteln! Das ist kein Problem!)

Mit diesem Ihnen vorliegenden Antrag zu Umschichtungen in Höhe von gut 350 Millionen Euro setzen wir eigene Akzente, die gut für das Land und solide finanziert sind.

Meine Damen und Herren, wir haben Ihnen noch einen zweiten Antrag für ein zukunftsfähiges Niedersachsen vorgelegt. Darin sind unsere Vorstellungen formuliert, die über den Tag hinausgehen. Sie sind ohne konkrete Deckungsvorschläge; denn sie sollen eine Grundsatzdebatte auslösen - auch hier im Niedersächsischen Landtag.

Dazu möchte ich noch einige Anmerkungen machen. Was steht uns im Jahre 2011 bevor, wenn das Haushaltsjahr vorbei ist, über das wir in dieser Woche beschließen werden? - In Berlin wird es im Jahre 2011 eine Mindersausgabe von 10 Milliarden Euro geben, um die Schuldenbremse zu bedienen. Im Jahre 2012 werden es 20 Milliarden Euro sein, im Jahre 2013 30 Milliarden Euro. So geht das weiter. Außerdem beabsichtigt SchwarzGelb, die Steuern zu senken. Dadurch ergeben sich weitere Kosten in Höhe von 10 Milliarden Euro beim Bund, meine Damen und Herren.

In den heutigen Zeitungen kann man lesen, dass in Berlin in 2011 harte Verteilungskämpfe anstehen. Davon können Sie ausgehen: Es werden harte Verteilungskämpfe anstehen.

Wie sieht das in Niedersachsen aus? Im Jahre 2011 geht die Neuverschuldung nach Ihrer Planung um 1,95 Milliarden Euro hoch. Es gibt einen zusätzlichen Handlungsbedarf in Höhe von 800 Millionen Euro, bei dem ungeklärt ist, wie er gedeckt werden kann. Im Jahre 2012 wollen Sie die Neuverschuldung auf 1,6 Milliarden Euro reduzieren. Zum Ausgleich steigt dafür aber der Handlungsbedarf um 300 Millionen Euro. Das kommt immer aufs Gleiche raus. 2013 reduzieren Sie die Neuverschuldung, dafür geht dann der Handlungsbedarf auf 1,3 Milliarden Euro hoch, meine Damen und Herren. Die in Berlin vorgesehene Steuersenkung kostet das Land im Jahre 2011 1,02 Milliarden Euro. Über all das wird die Koalition bei der Klausur im Januar reden. Wir sind schon ganz gespannt, was dabei herauskommt.

Was aber heißt das für die Kommunen in Niedersachsen? Auch darüber sollten wir hier reden. Der Finanzausgleich bringt ihnen im Jahr 2011 eine Mindereinnahme von 480 Millionen Euro. Die eigenen Steuereinnahmen reduzieren sich im Jahre 2011 um 821 Millionen Euro. Die in Berlin vorgesehene Steuersenkung in 2011 kostet die niedersächsischen Kommunen 360 Millionen Euro, meine Damen und Herren. Den Anstieg der Arbeitslosenzahlen und die Kosten der Unterkunft habe ich noch gar nicht erwähnt, genauso wenig wie die Gewerbesteuer, die zur Disposition steht, und den Wegfall der Privilegierung kommunaler Unternehmen bei den Mehrwertsteuersätzen.

(Vizepräsident Hans-Werner Schwarz übernimmt den Vorsitz)

Zu gut Deutsch: Auf die Kommunen kommt ein Riesenpaket zu, meine Damen und Herren. Und Sie wollen uns hier erzählen, dass das alles ohne Auswirkungen bleibt, ohne Auswirkungen auf Bildung, Soziales, Kommune und Bedienstete des Landes? - Das glauben Sie doch selbst nicht!

(Beifall bei der SPD)

Vor diesem Szenario diskutieren wir in dieser Woche das sogenannte Wachstumsbeschleunigungsgesetz, ein Gesetz mit vier Schwerpunkten: Erstens. Die Konzerne verbessern ihre Bilanzen zulasten des deutschen Fiskus. Zweitens. Die Erbschaftsteuern dürften wieder verfassungswidrig sein. Sie kosten das Land im Zweifel bis zu 400 Millionen Euro im Jahr. Drittens. Das Kindergeld kommt den Begüterten sehr zugute, den Durchschnittsverdienern mit 20 Euro zugute und denen, die nichts haben, mit null zugute, meine Damen und Herren. Das ist ein Beitrag zur gesellschaftlichen Umverteilung, das will ich Ihnen einmal sagen!

(Beifall bei der SPD)

Viertens. Zum reduzierten Mehrwertsteuersatz im Hotelbereich gab es eine Anhörung. 15 Verbände haben gesagt: Ganz, ganz falsch! - Der 16. Verband hat gesagt: Sehr, sehr gut! - Das war der DEHOGA. Ich meine, es kann nicht deutlicher werden, wie Lobbyismus in dieser Gesellschaft funktioniert, meine Damen und Herren. Da haben Sie echt einen eingeschenkt.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb sagen wir: Dieses Gesetz gehört abgelehnt! - Jetzt kommen die Schlaumeier und sagen: Lasst uns doch eine Kompensation machen. -

Auch Herr Wulff hat sich an der Debatte beteiligt. Dazu kann ich Ihnen nur eines sagen: Mist bleibt Mist, selbst wenn der Bund finanziert und die Länder aus der Finanzierung heraus sind; denn dieses Gesetz mit seinen 8,5 Milliarden Euro wird über Neuverschuldung finanziert. Es ist für 80 Millionen Deutsche ziemlich egal, ob diese Neuverschuldung beim Land oder beim Bund ressortiert. Wir alle zahlen nämlich bei dieser Veranstaltung drauf.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Deshalb - das wird die Debatte sein - muss deutlich werden, welche unterschiedlichen Politikverständnisse es in dieser Gesellschaft gibt. Ein Teil der demokratischen Rechten - nicht alle; ich glaube, die Sozialausschüsse in der CDU sehen das ganz anders - ist der Meinung, der Staat sei eine Krake, die Steuern müssten runter, die Staatsquote müsse runter. Übrigens: Im Berliner Koalitionsvertrag taucht das Wort „Gemeinwohl“ kein einziges Mal auf. Es interessiert Schwarz-Gelb nicht, was Gemeinwohl in Deutschland ist, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD)

Wir setzen ein anderes Staatsverständnis dagegen. Der Staat - das sind wir alle, meine Damen und Herren. Dieser Staat gewährleistet uns allen Sicherheit und Ordnung. Deshalb braucht es eine Polizei, die gut ausgebildet ist und die auch personell entsprechend stark ist. Dieser Staat gewährt Bildungschancen, deshalb müssen die Gebäude intakt sein, die Lehrerinnen und Lehrer gut ausgebildet sein, und es muss genügend von ihnen geben. Dieser Staat gewährleistet sozialen Ausgleich als Rechtsanspruch, meine Damen und Herren, und er gewährleistet eine Infrastruktur von Schiene, Straße und jetzt auch Breitband; ganz richtig!

All das ist notwendig, um Gemeinwohl aufrechtzuerhalten und Lebensqualität in Deutschland zu sichern, meine Damen und Herren. Für diese Aufgaben, die wir als öffentliche Aufgaben definiert haben, braucht es eine aufgabengerechte Finanzausstattung.

(Beifall bei der SPD)

Was ich bei Ihnen sehe - ich spitze es nur ganz leicht zu - ist ein Dreierschritt. Erstens den Staat aushungern, zweitens die restlichen Mittel auch noch ungerecht verteilen, und drittens bei totalem Marktversagen durch öffentliche Neuverschuldung die Krise überwinden.

Dieses Konzept ist hoch gefährlich! Damit muss Schluss sein in Berlin, in Hannover und überall in der Welt.

(Zuruf von der FDP: Weltrevolution!)

Darauf kommt es an.

Meine Damen und Herren, dieses Land braucht eine bessere Politik, die an langfristiger Sicherheit, an Chancen, an sozialem Ausgleich und an Zukunftsfähigkeit orientiert ist. So eine Politik gibt es nur mit uns.

Vielen Dank.

(Starker, nicht enden wollender Beifall bei der SPD)

Nächster Redner ist Herr McAllister von der CDUFraktion. Bitte schön, ich erteile Ihnen das Wort.

(Björn Thümler [CDU] - zur SPD -: Zieht euch warm an!)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses, Herr Aller, hat für die diesjährige Aufstellung und Beratung des Landeshaushalts allen Beschäftigten der Regierung und der Landtagsverwaltung gedankt. Für meine Fraktion möchte ich mich ausdrücklich, ebenso wie auch mein Vorredner, dem Dank und dem Lob anschließen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich danke auch dem Oppositionsführer für seinen engagierten Debattenbeitrag. Uns einen hoffentlich zwei Ziele: erstens, zumindest subjektiv, das Beste für das Land zu wollen, aber zweitens auch, die Lage realistisch einzuschätzen und - insbesondere in diesen wahrlich nicht einfachen Zeiten - verantwortungsbewusst mit den öffentlichen Finanzen umzugehen. Meine Damen und Herren, beim zweiten Punkt hatte ich während der Rede von Herrn Jüttner erhebliche Zweifel.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)