Wie reagiert denn die CDU? - Beim Thema Elternwille kann man exemplarisch sehen, wie es zwischen den Regierungsfraktionen, der Staatskanzlei und den Häusern knirscht.
Wir haben gehört, Herr von Danwitz und Herr Klare haben nichts Eiligeres zu tun, als den Flurschaden zu begrenzen, den der kleine Koalitionspartner anrichtet. Sie versuchen zu beschwichtigen. Es heißt: „Der Elternwille bleibt frei“ oder „So etwas ist mit der CDU nicht zu machen“. Dazu kann ich nur sagen, meine Damen und Herren von der rechten Seite dieses Hauses: Hoffentlich halten Sie sich beide an die Aussagen, die Sie gestern noch gemacht haben.
Nachdem sich die Fraktion gerührt hat, teilt auch die Kultusministerin mit: „Der freie Elternwille steht nicht zur Disposition.“ Doch was macht der Ministerpräsident? - Er verspricht auf dem Philologentag in Goslar, dass man über differenzierte Lösungen nachdenke. Was heißt das denn? - Er stellt infrage - so zumindest erklärt es Herr Klare den dort anwesenden Journalisten -, dass sich die Schülerinnen und Schüler an einer weiterführenden Schule eben nicht mehr drei Jahre lang bewähren können. Stattdessen denkt er laut darüber nach, dass eine Abschulung vielleicht schon nach der 5. Klasse möglich sein soll.
(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN - Karl-Heinz Klare [CDU]: Sie waren doch dabei! Sie haben es doch gehört! Können Sie nicht einmal et- was differenzierter darstellen, ein bisschen differenzierter? - Heiner Bartling [SPD]: Klare und differenziert, zwei Welten begegnen sich!)
Statt solche Machtspielchen über uns ergehen zu lassen, sollten wir doch darüber reden, wie wir allen Kindern den gleichen Zugang zu Bildung ermöglichen und Bildung nicht vom Elternhaus abhängig machen, wie wir flexible Lösungen vor Ort kreieren können,
damit Schulträger gemeinsam mit Eltern die Schullandschaft neu ordnen können, oder wie wir qualitätsvolle Schule mit kleinen Klassen und wenig Unterrichtsausfall gewährleisten.
(Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Partei- oder Regierungstreue, das ist hier die Frage! - Unruhe - Glocke des Präsi- denten)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Sohn, es gibt Parteien und Fraktionen, die halt gelegentlich unterschiedliche Auffassungen haben. Das ist nicht überall so gleichgeschaltet wie in Ihrem Haufen.
Frau Heiligenstadt hat eben sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie eine der Vertreterinnen ist, denen es darum geht, das Schulsystem ihrer Ideologie anzupassen, nicht aber den Notwendigkeiten, die das Wohl der Kinder dieses Landes erfordert.
Wir müssen endlich die ideologischen Debatten der 70er-Jahre, diese Strukturdebatten, endlich hinter uns lassen. Ich hätte mir auch gewünscht, dass Sie sie hinter sich gelassen hätten.
- Herr Wenzel, ich führe keine Strukturdebatte. Ich kann mit der Struktur, die wir in Niedersachsen haben, wunderbar leben. Sie führen immer wieder die Strukturdebatte!
Herr Kollege, ich darf Sie kurz unterbrechen. - Alle Fraktionen haben noch Redezeit, und jede Kollegin, jeder Kollege hat auch die Chance, sich hier vorne zu melden und vom Rednerpult aus einen Beitrag zu leisten. Eine solche Flut von Zwischenrufen muss wirklich nicht sein. - Bitte, Herr Kollege!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir müssen das Wohl der Kinder in den Mittelpunkt stellen. Dies hat vor einigen Wochen in Loccum ansatzweise auch schon ganz gut funktioniert, als wir, Herr Poppe, Frau Korter, Herr von Danwitz und ich, gemeinsam über Bildung für nachhaltige Entwicklung diskutiert haben, also darüber, wie wir Inhalte wirklich verbessern können, wie wir Kindern Schlüsselqualifikationen wie Kooperations- und Konfliktfähigkeit sowie Verantwortungsbereitschaft vermitteln können, wie wir die Kinder in die Lage versetzen können, Wissen selbstständig zu erwerben, umzusetzen und miteinander zu verknüpfen.
Weil sich bei dieser Diskussion große Gemeinsamkeiten gezeigt haben, war ich über den Beitrag von Frau Heiligenstadt etwas enttäuscht. Sie war bei dieser Tagung auch nicht anwesend. Aber jetzt hat sie wieder die Strukturdebatte geführt.
- Es geht jetzt um das Thema, das die FDP hier eingebracht hat. Sie müssen mir schon zugestehen, dass ich definiere, was wir als Fraktion in die Aktuelle Stunde eingebracht haben.
Wir beraten die Tagesordnungspunkte gemeinsam, Frau Heiligenstadt, und ich lasse mir Ihre scheinheiligen Diskussionen um Schulstrukturen nicht aufzwingen.
Auch angesichts der Diskussion, die im Zusammenhang mit dem Bildungsgipfel vom deutschen Handwerk, aber auch im Raum Braunschweig, angestoßen von der IHK Braunschweig, derzeit um Bildungsstandards geführt wird - welches Wissen haben die Schülerinnen und Schüler eigentlich, wenn sie heute Abschlüsse erwerben? -, müssen wir einmal darüber reden, wie wir wieder Inhalte setzen, wie wir Bildungsstandards definieren und wie wir zu deren Umsetzung kommen.
Es ist ein falscher Ansatz, immer nur Abschlussquoten erhöhen zu wollen und die Leistungen herunterzusetzen, um dieses Ziel zu erreichen. Das ist eine typisch linke Mentalität: Wir senken die Standards, weil dann, wenn alle gleich wenig wissen, allen geholfen ist. - Das ist der falsche Ansatzpunkt.
Wir müssen Bildungsstandards definieren und dann die Schulen und die Bildungsakteure mit gut ausgerichteten Rahmenbedingungen in die Lage versetzen, diese Standards auch umzusetzen und den Schülerinnen und Schülern das Wissen zu vermitteln.
Dazu gehören natürlich auch die Eltern. Aber man kann nicht nur immer sagen „Die Eltern sollen Rechte einfordern können“, sondern man muss den Eltern auch ganz klar sagen, dass sie auch Verantwortung übernehmen müssen.
Es ist leider festzustellen, dass in den letzten Jahren - deswegen haben wir in Niedersachsen Projekte wie Familienhebammen und Elternlotsen - immer weniger Eltern ihrer Verantwortung ausreichend nachkommen. Wir müssen daran ansetzen, Eltern von Beginn an, also nach der Geburt ihrer
(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Stefan Wenzel [GRÜNE]: Warum wol- len die Eltern denn ihre Kinder nicht mehr in die Hauptschule schicken?)
Darüber hinaus müssen wir die Eigenverantwortung der Schulen weiter voranbringen, damit die Profis, die Lehrerinnen und Lehrer und die Schulleiterinnen und Schulleiter, die die Bildungsstandards umsetzen und den Kindern das Wissen vermitteln sollen, in die Lage versetzt werden, gut zu handeln. Deswegen ist es wichtig, dass der Ministerpräsident auch während des Philologentages gesagt hat, er wolle mit den Lehrerverbänden darüber reden, wie man die Rahmenbedingungen so setzen kann, dass Lehrerinnen und Lehrer auch in Zukunft gut motiviert in die Schule gehen und unseren Kindern etwas beibringen. Dies ist die Verantwortung von Politik.
Wir müssen dafür sorgen, dass alle Akteure im Bildungswesen ein Ziel verfolgen: das Wohl unserer Kinder. Dies verfolgt die FDP in Niedersachsen vorrangig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn der freie Elternwille uns nicht mehr passt, dann schaffen wir ihn eben ab - so scheinen die FDP und inzwischen auch der Ministerpräsident in Niedersachsen zu denken.
Die FDP will den Eltern die Entscheidung wegnehmen, die beste Schule für ihr Kind auszusuchen. So will sie gemeinsam mit dem Ministerpräsidenten das Gymnasium vor den „falschen“ Schülerinnen und Schülern retten. Dies sind in ihrer Sicht Hauptschul- und Realschulempfohlene.
Herr Ministerpräsident, vor lauter Anbiederung an Ihren Lieblingsverband beim Philologentag in Goslar