Protokoll der Sitzung vom 14.12.2009

(Zustimmung von Christian Dürr [FDP])

Sie machen aber seit sechs Jahren genau das Gegenteil, Sie verhindern es seit sechs Jahren in Niedersachsen!

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Sie beklagen auch auf Ihrem Parteitag, in der Schule würden die Kinder durch Überforderung wegen zu ehrgeiziger Eltern frustriert. Bei so viel Scheinheiligkeit graust es mir!

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Das beklagen ausgerechnet die, die hier in Niedersachsen mit der CDU das Turboabitur, den Nachmittagsunterricht ohne Mittagessen in den Schulen, zentrale Abschlussprüfungen, das Zentralabitur, die Paukschule und den Turbostress eingeführt haben. Ausgerechnet die sorgen sich um das Kindeswohl!

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Eine Schule, in der das Kind im Mittelpunkt steht - genau das ist richtig. Aber was ist es für ein Hohn, wenn man sich die reale Politik in Niedersachsen ansieht. Dafür sind Sie ja wohl mit verantwortlich.

(Vizepräsident Dieter Möhrmann über- nimmt den Vorsitz)

Was ist in Niedersachsen mit den Kindern mit besonderem Förderbedarf? - Sie werden oft gegen den Willen der Eltern und häufig gegen das Kindeswohl abgeschoben,

(David McAllister [CDU]: Abgescho- ben?)

in Spezialeinrichtungen oder in Förderschulen geschickt, in denen der Lernzuwachs nachgewiesenermaßen häufig geringer ist als in einer Schule mit anderen Kindern. Wo steht bei Ihnen das Kindeswohl im Mittelpunkt, wenn diese Kinder zu den anderen Kindern nicht mehr dazugehören?

(Beifall bei den GRÜNEN - Karl-Heinz Klare [CDU]: Wissen Sie, was die Grünen im Landkreis Diepholz zu Ih- ren Reden sagen? - Weitere Zurufe)

- Fragen Sie einmal Herrn Schünemann, wohin Kinder abgeschoben werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Was ist mit den Kindern, die einen Platz in einer Gesamtschule wollen? - Sie verhindern seit Jahren neue Gesamtschulplätze und sorgen dafür, dass jedes Jahr Kinder, die an der Schule, an der sie sich gerne anmelden wollen, keinen Platz bekommen, enttäuscht werden.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Und Sie vergießen hier Krokodilstränen über Überforderung und Frustration. Das ist nicht mehr glaubwürdig!

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Wir haben mehr getan, als Sie jemals gemacht haben!)

Was ist mit dem erzwungenen Turboabitur an Gesamtschulen? Haben Sie auch dabei das Kindeswohl in den Mittelpunkt gestellt? Wer soll Ihnen das noch abnehmen?

(Zustimmung von Filiz Polat [GRÜNE])

Jetzt wollen Sie den Zugang zu Gymnasien und Realschulen beschränken und denjenigen vorbehalten, die das mit ihrem Elternhaus im Rücken schon hinkriegen.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Haben Sie bis jetzt gar nicht zugehört?)

- Ich habe sehr wohl zugehört, Herr Klare. Ich weiß auch, dass Sie selber nicht wissen, was Ihr Ministerpräsident in dieser Frage will.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Ich möchte noch ein Wort zu den Schullaufbahnempfehlungen sagen, auf die Sie sich ja immer berufen und zu denen Sie sagen, die Schulen sollten entscheiden, was das Richtige für die Kinder sei. Die Schullaufbahnempfehlungen sind sehr fragwürdig; das habe ich schon vorhin betont. Das Bezeichnende für sie in Niedersachsen ist aber, dass sie überhaupt nicht evaluiert werden. Kein Mensch in Niedersachsen will wissen, ob die Schullaufbahnempfehlungen überhaupt valide sind. Das wird nicht erhoben, weil man nämlich gar nicht wissen will, was dabei herauskommen könnte. Das passt nämlich nicht in Ihr Konzept.

Meine Damen und Herren, der Vorstoß der FDP gegen den Elternwillen in Niedersachsen macht deutlich: FDP-Schulpolitik ist Klientelpolitik für die Kinder der Besserverdienenden und deren Bildungsprivilegien. Wenn Sie wirklich etwas für die Kinder tun wollen, dann machen Sie die Schule in Niedersachsen endlich besser! Machen Sie die Klassen kleiner! Sorgen Sie dafür, dass Lehrer gut ausgebildet und dass ausreichend Lehrer eingestellt werden! Dann sind wir bei Ihnen. Aber so nimmt Ihnen das niemand mehr ab.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, der nächste Redner ist Herr Schwarz für die FDP-Fraktion. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach den Beiträgen von Frau Heiligenstadt, Frau Korter und Frau Reichwaldt stelle ich zunächst einmal fest, dass es Ihnen nicht gelingt, über Bildungspolitik zu sprechen, ohne die Systemfrage zu stellen.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: So ist es! Leider!)

Das ist wirklich traurig. Wir unterhalten uns über ganz bestimmte, konkrete Maßnahmen, mit denen wir versuchen wollen, die Bildungsqualität zu

verbessern. Und in allen Ihren Beiträgen fällt Ihnen nur ein, über das System zu sprechen.

(Björn Thümler [CDU]: Genau! Das ist einfallslos!)

Das hat uns in den letzten sechs Jahren aufgehalten.

(Beifall bei der CDU - Claus Peter Poppe [SPD]: Sie handeln aber!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, bei dem Beitrag von Frau Heiligenstadt fiel mir ein, irgendjemand hat einmal gesagt: Denken ist schwer, deswegen urteilen die meisten. - In diesem Fall ist das tatsächlich ganz nah am Thema. Sie haben sich nicht damit auseinandergesetzt, welchen Beschluss wir beim Landesparteitag gefasst haben und worum es ganz konkret geht. Sie haben ganz schlicht und einfach geurteilt. Weil Sie es schon immer so gemacht haben, soll es auch in Zukunft so bleiben. Das ist nicht in Ordnung.

Zu dem Stichwort „gemeinsamer Unterricht“, verehrte Frau Korter, empfehle ich Ihnen den Beitrag von gestern in der Welt am Sonntag. Die gute Frau Goetsch, Schulsenatorin in Hamburg, hat Riesenprobleme. Vielleicht setzen Sie sich damit einmal auseinander.

Letzte Vorbemerkung: Ich finde es sehr bedauerlich, dass gerade von der linken Seite des Hauses das Vertrauen in die Lehrkräfte nicht so stark ist und dass bezweifelt wird, dass sie in der Lage seien, nach der Grundschule vernünftige Empfehlungen zu geben.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich habe bedauerlicherweise sehr wenig Zeit.

Jetzt möchte ich ganz gerne sagen: Alle Jahre wieder. - Das passt gut zu Weihnachten, aber auch nicht mehr; darauf komme ich noch zurück.

Fakt ist: Das Land Niedersachsen verfügt über ein differenziertes und vor allen Dingen vielfältiges Bildungsangebot. Dieses vielfältige Angebot muss erhalten bleiben; denn nur so kann Bildungsqualität entwickelt werden.

(Zustimmung von Ingrid Klopp [CDU])

Richtig ist: Frühkindliche Bildung hat in diesem System einen außerordentlich hohen Stellenwert.

Danach, am Ende der Grundschule, kommt es darauf an, die zahlreichen Möglichkeiten dieses Bildungssystems richtig zu nutzen. Eine falsche Entscheidung kann für die spätere Entwicklung eines Kindes in der Tat fatale Folgen haben. Dabei geht es um Überforderung und um Unterforderung.

Bei Überforderung stellt sich die Situation so dar: Schülerinnen und Schüler können ihrem eigenen Anspruch und dem von den Eltern geäußerten Wunsch nicht gerecht werden. Sie machen einen quälenden Frustrationsprozess durch und geben schließlich innerlich auf.

Wenn Schüler unterfordert werden, was übrigens damals in der Orientierungsstufe verstärkt der Fall war, verlernen Jungen und Mädchen sehr schnell das Lernen. Sie können ihr Potenzial nicht ausschöpfen und verlieren somit den Bezug zur schulischen Ausbildung. Genau diese Entwicklung muss verhindert werden.

Seit der Abschaffung der OS hat die Grundschule die Aufgabe, aber auch die Verantwortung, die Eltern bei der richtigen Schulauswahl zu unterstützen und ihnen die unterschiedlichen Entwicklungschancen aufzuzeigen. Aus der praktischen Erfahrung kann ich Ihnen nur sagen, dass vielen Eltern nicht bewusst ist, welche Möglichkeiten sich für ihr Kind nach einem entsprechenden schulischen Abschluss eigentlich bieten.

(Glocke des Präsidenten)