Protokoll der Sitzung vom 14.12.2009

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich finde, der atemberaubende Fehlstart dieser neuen Bundesregierung ist mindestens ein Beweis dafür, dass aus einer Liebesheirat nicht automatisch eine Traum-Ehe wird.

(Beifall bei der SPD - Roland Riese [FDP]: Wer hat Ihnen denn den Satz aufgeschrieben?)

Ich sage Ihnen: Die richtigen Zumutungen kommen ja erst noch. Frau Helmhold hat darauf hingewiesen. Wenn wir die Landtagswahl in NordrheinWestfalen hinter uns haben, dann geht es richtig los. Ohne Not, finde ich, aber mit viel Leidenschaft

wollen Herr Rösler und die Koalition unser seit 130 Jahren gewachsenes Sozialsystem auf den Kopf stellen.

Meine Damen und Herren, ich weiß, warum die CSU schon eine eigene Arbeitsgruppe gebildet hat und sich da nicht in Koalitionsräson nehmen lassen will. Denn eines steht bei allen Mängeln, die wir an unserem Gesundheitssystem kritisieren können, doch fest: Das deutsche Solidarsystem ist eines der besten Gesundheitssysteme der Welt.

(Beifall bei der SPD - Christian Dürr [FDP]: Fragen Sie mal die Patienten, Herr Schwarz!)

- Wissen Sie, der amerikanische Präsident orientiert sich bei der Umstellung des amerikanischen Systems nicht ohne Grund am deutschen Modell.

Dieses System ist in der Bevölkerung hoch akzeptiert. Die Menschen wollen einen solidarischen Ausgleich und Sicherheit durch Ausgleich zwischen Starken und Schwachen.

Wer daran die Axt legt, der kann sich warm anziehen. Wenn Sie mit diesem Systembruch und diesem Systemwechsel anfangen, dann werden Sie die Menschen in Deutschland schneller auf die Straße treiben, als Ihnen lieb ist. Das werden Sie nächstes Jahr erleben, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD sowie Zustim- mung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Es kommt doch nicht von ungefähr, dass bei den Lobbyisten der Ärzteschaft, der Zahnärzteschaft und der Pharmaindustrie seit der Amtsübernahme durch Herrn Rösler Hochstimmung herrscht. Die Ärzte in Niedersachsen haben in diesem Jahr übrigens einen Zuwachs von stolzen 17,6 % zu verzeichnen. Das muss ihnen eine andere Berufsgruppe erst einmal nachmachen.

Wer den Ärzten unbegrenzte Zuwächse zusichert, wer die Arbeitgeberbeiträge einfriert, wer den Patienten das Sachleistungssystem wegnimmt und sie zukünftig mit ihrer Rechnung zu ihrer Krankenkasse schickt, wo sie dann den Mindestbetrag erstattet bekommen, weil der Arzt deutlich stärker zugelangt hat, der wird relativ schnell merken, wie massiv und stark unser Sozialsystem einmal gewesen ist.

Ich sage Ihnen: Die Leute werden sehr schnell merken, dass Sie mit diesem Systemwechsel dabei sind, den sozialen Frieden in Deutschland ka

putt zu machen. Das verträgt hier niemand, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD sowie Zustim- mung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Sie können übrigens besichtigen, wo das endet. Das mit Abstand teuerste Versicherungssystem in der Welt haben die Vereinigten Staaten. Dort sind 50 Millionen Menschen ohne soziale Absicherung. Ich sage Ihnen: Das wollen wir in Deutschland nicht, und das brauchen wir auch nicht, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD sowie Zustim- mung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Christian Dürr [FDP]: Sie wollen lieber die Zweiklassenmedizin! Das ist Ihre Strategie!)

Frau Helmhold hat darauf hingewiesen: Zukünftig zahlt bei Ihrem System der Abteilungsleiter genau das Gleiche wie seine Sekretärin oder seine Reinemachfrau. Weil das nicht in Ordnung ist, kommt Herr Rösler auf die Idee, aus Steuermitteln einen Sozialausgleich zu zahlen. Momentan schätzen Experten diesen Sozialausgleich auf 20 Milliarden Euro zu Beginn.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Mindes- tens!)

Das ist eine tolle Leistung für die Steuersenkungspartei FDP. À la bonne heure, kann ich Ihnen dazu nur sagen.

(Christian Dürr [FDP]: Sie wollen doch die hohen Einkommen nicht beteiligen!)

Das hat übrigens in der Schweiz, die das gleiche System hat, dazu geführt, dass zwischenzeitlich 50 % der Bevölkerung zu Transferleistungsempfängern geworden sind.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: In den Niederlanden auch!)

Meine Damen und Herren, was für ein sozialpolitischer und verwaltungspolitischer Irrsinn, nur um ein gewachsenes System kaputt zu machen und Ihre Ideologie, meine Damen und Herren, durchzudrücken!

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Die gesetzliche Krankenversicherung gibt in jedem Jahr 160 Milliarden Euro aus. 80 % davon gehen an Schwerstkranke, an Pflegebedürftige und an Hochbetagte im letzten Lebensstadium. Die brau

chen Ihre Mindestleistungen nicht, meine Damen und Herren. Die brauchen optimale, bezahlbare medizinische Leistungen, ohne Millionär zu sein und zig Zusatzversicherungen zu haben, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Wenn ich Herrn Rösler so reden höre - ich weiß nicht, wie er wirklich zu diesem Amt gekommen ist -,

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Verzockt haben sie sich!)

dann bin ich mir über eines nicht im Klaren: Entweder wird Herr Rösler ein Opfer seiner blindwütigen Ideologie, oder Herr Rösler wird, was ich eher glaube, ein strategisches Opfer von Herrn Westerwelle und Frau Merkel. Eines steht jedenfalls fest: Die Entzauberung von Herrn Rösler hat mit seinem Amtsantritt begonnen.

Für mich ist ziemlich klar: Wenn Sie in Deutschland dazu übergehen, aus einem gesunden System ein System zu machen, bei dem sich nur noch Gutsituierte Gesundheit leisten können und die anderen durch die Roste fallen, dann werden Sie grandios, aber zu Recht scheitern.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege, letzter Satz!

Meine Damen und Herren, unsere Alternative ist klar: Wir sind für eine solidarische Bürgerversicherung, die die Lasten gerecht verteilt und die nicht Millionen auf dem Sparbuch notwendig macht, um eine anständige Gesundheitsversorgung zu bekommen.

(Beifall bei der SPD sowie Zustim- mung bei den GRÜNEN und bei den LINKEN)

Meine Damen und Herren, Herr Thümler von der CDU-Fraktion erhält nun das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben vieles gelernt oder den scheinbaren Versuch erlebt, uns hier etwas einreden zu wollen, was mit der Realität möglicherweise gar nicht so viel zu tun hat. Wenn ich das Bild, das

Herr Humke-Focks hier versucht hat zu malen, übertragen würde, würden wir in einem sehr unsozialen Staat leben, in dem jeder Angst haben müsste, ob er eine medizinische Versorgung bekommt.

(Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Nicht je- der! Das ist ja das Problem!)

Ich kann feststellen, dass das so nicht der Fall ist. Ich möchte Sie daher bitten, solche Aussagen zu unterlassen, weil sie der Wahrheit nicht entsprechen.

(Beifall bei der CDU)

Es ist in der Tat freundlich, dass Sie sich nach dem Wesenszustand des Bundesministers Rösler erkundigen; so jedenfalls nehme ich zumindest die Überschrift Ihres Beitrags zu dieser Aktuellen Stunde wahr. Ich kann Ihnen mitteilen - ich habe vorhin kurz mit ihm gesimst -: Es geht ihm ausgezeichnet, er freut sich auf das, was vor ihm liegt, und wird sozusagen im Sinne aller seine Kraft einsetzen - so, wie es gelobt wurde: zum Wohle des deutschen Volkes.

(Beifall bei der CDU)

Das ist sicherlich das, was Sie wissen wollten. Es geht ihm also gut.

(Beifall bei der CDU - Dr. Manfred Sohn [LINKE]: So einen Blödsinn simst ihr hin und her?)

- Herr Dr. Sohn, Sie haben danach gefragt. Dann sollten Sie Ihre Fragen vielleicht anders formulieren, um auf den Kern zukommen, wobei ich Ihnen ohnehin den Hinweis geben möchte, dass Sie sich - die Geschäftsordnung gibt das her - in Aktuellen Stunden mit aktuellen Themen beschäftigen sollten, die wir hier direkt beeinflussen können, und keine Fragen stellen sollten, die uns sozusagen irgendwie vor die Füße kommen.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Die Fra- ge kann Herr Rösler doch gar nicht selbst beantworten!)

- Ich sage es Ihnen ja nur. Das ist ein freundlicher Hinweis. Vielleicht nehmen Sie ihn gelegentlich einmal wahr. Es sei denn, es fällt Ihnen landespolitisch nichts mehr ein. Das wäre dann auch in Ordnung.

(Kurt Herzog [LINKE]: Die Angst ist unbegründet!)

- Ich weiß, dass die Angst unbegründet ist, weil Sie immer zu wissen meinen, was kommt.