Protokoll der Sitzung vom 15.12.2009

Im Bereich Integration gibt es aus unserer Sicht in allen Bereichen riesigen Nachholbedarf. Dass in diesem Bereich zusätzliche Mittel gut angelegt sind, zeigen die guten Abflusszahlen der letzten Jahre. Deshalb wollen wir die Zuschüsse zur Integration von Migrantinnen und Migranten um 1 Million Euro erhöhen, um somit Integration nachhaltig zu stärken.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, notwendig ist die Einstellung von Mitteln für die Organisation im Land, die sich seit Jahren tagtäglich für Flüchtlinge engagiert und für ausländische Bürgerinnen und Bürger in unserem Land einsetzt. Aus diesem Grund fordern wir auch in diesem Jahr 70 000 Euro zur Unterstützung der bundesweit beachteten Arbeit des Niedersächsischen Flüchtlingsrates.

(Zustimmung bei der LINKEN und von Helge Limburg [GRÜNE])

Es ist an der Zeit, dass CDU und FDP ihre ideologischen Scheuklappen fallen lassen. Für diese Arbeit verweigern sie seit Jahren die notwendige finanzielle Unterstützung, die an anderen Stellen ganz schnell vorhanden ist.

Dabei komme ich auf ein ganz finsteres Kapitel bei den diesjährigen Haushaltsberatungen: Es ist ein

Skandal, meine Damen und Herren, dass CDU und FDP im Haushalt des kommenden Jahres mehr Mittel für die Landsmannschaft der Schlesier und den Bund der Vertriebenen bereitstellen wollen.

(Beifall bei der LINKEN - Editha Lor- berg [CDU]: Das ist gut zu wissen, dass Sie das so sehen!)

- Hören Sie doch einmal zu! - Angesichts der Tatsache, dass wir am 8. Mai 2010 den 65. Jahrestag der Befreiung Deutschlands vom Hitler-Faschismus begehen, ist das ein völlig falsches Signal.

(Beifall bei der LINKEN - Heinz Rolfes [CDU]: Das ist ja ungeheuerlich!)

Wir dürfen angesichts dieser Tatsache nicht noch mehr Mittel zur Förderung von Geschichtsrevisionismus und -revanchismus ausgeben. Vielmehr sollten diese Mittel für eine würdige Feier des Tages der Befreiung vom Hitler-Faschismus bereitgestellt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Im Übrigen ist der Hinweis der Koalitionsfraktionen auf die wertvolle Arbeit des Bundes der Vertriebenen eine klare Positionierung im Streit um die Besetzung des freien Sitzes im Beirat der Stiftung Flucht, Vertreibung und Versöhnung.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: So ist das ja auch gemeint von denen!)

Diesen Sitz hätte gerne die Vorsitzende des Vertriebenenbundes, Erika Steinbach. Die LandesFDP erweist dem FDP-Bundesvorsitzenden und Außenminister Guido Westerwelle, der diese Personalie entschieden ablehnt, mit ihrer Haltung in Niedersachsen einen Bärendienst.

(Beifall bei der LINKEN - Wolfgang Jüttner [SPD]: Das stimmt allerdings!)

Abschließend möchte ich noch einen Einsparvorschlag meiner Fraktion begründen.

(Vizepräsident Hans-Werner Schwarz übernimmt den Vorsitz)

Wir möchten, dass das Land Niedersachsen kein Geld mehr für die Beschaffung von Passersatzpapieren ausgibt. Es darf nicht sein, dass der Gesetzgeber den Kauf von Passersatzpapieren zur Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern legitimiert. Deshalb hat meine Fraktion die Streichung der Mittel in Höhe von 450 000 Euro für die „Rückführung“ von Flüchtlingen beantragt. Solange

nicht geklärt ist, in welcher Höhe und an welche Staaten Geld gezahlt wurde, muss dieser Haushalt auf null gesetzt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, abschließend bitte ich nochmals um Zustimmung zu unserem Änderungspaket und danke Ihnen herzlich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN - Björn Thüm- ler [CDU]: Ganz bestimmt nicht!)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Briese. Bitte schön, Herr Briese!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, eingangs können wir feststellen: Für die niedersächsische Innenpolitik war das Jahr 2009 vielleicht nicht in allen Teilen, aber in weiten Teilen ein verlorenes Jahr. Die entscheidenden Aufgaben, Herr Schünemann, haben Sie in diesem Jahr nämlich nicht erledigt. Die entscheidenden Aufgaben werden Sie wahrscheinlich auch im nächsten Jahr nicht erledigen. Die entscheidende Frage lautet nämlich - das hat sich durch alle Redebeiträge hindurchgezogen -: Wie werden die niedersächsischen Kommunen wieder handlungsfähig? - Da sieht es mittlerweile ziemlich düster aus, und es wird sogar noch düsterer werden.

Ich kann eigentlich nahtlos an die Haushaltsdebatte von gestern anknüpfen. Nicht nur der Ministerpräsident hat in erster Linie die Landesinteressen und nicht die Parteiinteressen in Berlin zu vertreten, sondern auch Sie als verantwortlicher Kommunalminister sollten die Interessen der Kommunen in diesem Land vertreten und nicht die Steuerbeschlüsse in Berlin.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Sie wissen ganz genau, was die kommunalen Spitzenverbände momentan zu den Steuerrechtsänderungsplänen sagen. Sie sagen unisono - Herr Biallas, in dieser Frage besteht übrigens auch große Einigkeit; darin sind sich alle kommunalen Spitzenverbände sehr einig -:

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Das stimmt!)

Es ist schlicht und ergreifend nicht verkraftbar, was da geplant ist. - Unsere Kommunen werden weiter im Schuldensumpf versinken. Nicht nur die Ein

nahmen aus der Gewerbesteuer werden massiv einbrechen, sondern auch die Zahl der Arbeitslosen wird steigen. Deswegen werden auch die Sozialkosten weiter ansteigen. Es wird Probleme bei den Heizkosten geben, weil der Bund auch in diesem Bereich die Pauschale abgesenkt hat. Wir werden in den nächsten Jahren ein gigantisches Finanzierungsproblem in den niedersächsischen Kommunen haben.

Herr Schünemann, Sie haben ja gesagt, Sie planen ein einheitliches Kommunalgesetzbuch für das nächste Jahr. Eine ganz große Änderung soll die Stärkung des Ehrenamtes sein. Ansonsten wollen Sie materiell nichts großartig ändern. Aber das Ratsmandat soll gestärkt werden. Nun frage ich Sie: Wenn es in den Kommunen kaum noch etwas zu entscheiden gibt, wenn die kommunale Selbstverwaltung derart erodiert ist, dass es keine freien Spitzen, sondern nur noch Notstandsverwaltung mehr gibt, wie wollen Sie das kommunale Ehrenamt dann überhaupt noch stärken? Wie wollen Sie Leute für Kommunalpolitik interessieren, wenn es in unseren Kommunen schlicht und ergreifend nichts, aber auch rein gar nichts mehr zu entscheiden gibt?

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD - Kreszentia Flauger [LINKE]: Das ist Entdemokra- tisierung!)

Man könnte es sich in diesen Debatten ja auch ein bisschen einfach machen und sagen: Okay, das ist die Opposition, die herumkrakeelt und sagt, dass alles ganz dramatisch ist, was da stattfindet. Aber in der Debatte gestern ist ja auch klar geworden: Nicht nur wir sagen das, sondern der gesamte Fach- und Sachverstand der Bundesrepublik Deutschland sagt: Die Steueränderungsgesetze, die zurzeit in Berlin geplant werden, sind schlicht und ergreifend unvernünftig. - Es gab ja einmal diesen Regierungsberater - Sie hatten ja mal eine Kommission eingerichtet -, den relativ bekannten Finanzwissenschaftler Homburg von der Universität Hannover. Er hat Ihnen eine schöne Broschüre geschrieben, was in Niedersachsen alles geändert werden müsste, damit unsere Haushalte wieder nachhaltig werden.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Grandioser Denker!)

Herr Homburg ist tatsächlich eine Kapazität in der Bundesrepublik. Und wissen Sie, wie sich Herr Homburg zu dem Steuerrechtsänderungsgesetz in Berlin geäußert hat? - Er hat gesagt, das sei alles

der absolute finanzpolitische Irrsinn, das sei ein Kotau vor einer Klientel- und Lobbypolitik. - So viel zur Vernunft der Finanzpolitik dieser Regierung!

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Sie brauchen sich auch gar nicht großartig damit zu brüsten, was man alles im Konjunkturpaket II richtig gemacht hat. Denn letztendlich haben Sie die Mittel aus Berlin nur an die Kommunen durchgeleitet.

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Und aufgestockt!)

Da haben Sie ausnahmsweise einmal keinen Fehler gemacht. Es war vernünftig, diese Mittel durchzuleiten. Mit diesen Mittel wurden aber die entsprechenden Maßnahmen von den Kommunen selber umgesetzt. Und wir wollen auch nicht vergessen, dass das alles schuldenfinanziert ist.

Ich komme zurück auf meine Eingangsbemerkung dieser Rede: Das Markenzeichen dieser Landesregierung für die Jahre 2009 und 2010 ist nur: Schulden, Schulden, Schulden. Und weil wir schon so viele Schulden haben, setzen wir noch mehr Schulden oben drauf. - Das ist mittlerweile das Markenzeichen der schwarz-gelben Landesregierung.

(Zustimmung bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Herr Schünemann, nun könnte man die Frage stellen, wie wir aus dieser massiven kommunalen Verschuldungskrise wieder herauskommen. Als Antwort bieten Sie uns, finde ich, ein ziemlich dünnes Papier an, nämlich den sogenannten Zukunftsvertrag, der hier schon großartig abgefeiert wurde. Aber was steht in diesem Zukunftsvertrag, Herr Schünemann? Wo sind denn die großen Lösungen? Wie kommen wir aus dieser massiven Krise heraus? - Ich habe, bis jetzt jedenfalls, keinen vernünftigen Vorschlag in diesem Zukunftsvertrag gelesen. Darin steht nur ziemlich allgemeines Zeug: Wir wollen ein bisschen kommunalisieren - was Sie kommunalisieren wollen, steht nicht darin -, und wir wollen ein paar Altschulden übernehmen. - Wie genau das praktiziert wird, ist mir bis heute nicht verständlich. Zu jeder neuen Landtagssitzung gibt es nämlich neue Vorschläge, welche Teile der Schulden finanztechnisch wie übernommen werden sollen.

Weil das alles noch nicht so richtig klar ist, hält sich die Nachfrage nach dieser Altschuldenübernahme ziemlich in Grenzen. Den großen Run auf dieses Programm haben wir bei den niedersächsischen Kommunen bisher nicht, sondern mittlerweile sagen sogar relativ viele: Darauf werden wir uns nicht einlassen, das verstehen wir nicht. - Deswegen gibt es auch keine großen „Hochzeitsfeiern“ in diesem Land. Jeder, der sich mit dem Thema der Gebietsreform seriös und ernsthaft auseinandersetzt, weiß, dass das ein rechtlich sehr schwieriges Thema ist, allein aufgrund des Verfassungsrechts. Das gehört zur Ehrlichkeit dazu. Wenn wir uns andere Bundesländer anschauen, wird deutlich, dass das dort oftmals in weiten Teilen gescheitert ist und dass die kommunale Selbstverwaltung ein sehr hohes verfassungsrechtliches Gut ist.

Ihre Alternative in diesem Land wird aber nicht wirklich deutlich, Herr Schünemann. Insofern stimmt das, was Frau Zimmermann und Frau Modder gesagt haben: Es gibt Ihrerseits keine Konzeption. Wir haben jetzt in Niedersachsen das Prinzip „Ein bisschen Windhund und ein bisschen Wildwuchs“, aber es gibt keine Strategie, wie Sie die Gebietskulisse von Niedersachsen entwickeln wollen, wohin Sie wollen. Ein Steuermann, der nicht weiß, wohin er sein Boot segeln will, ist kein guter Navigator.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Nun zur inneren Sicherheit. Ich kann nur sagen: Der neue Bundesinnenminister gefällt mir auf jeden Fall erst einmal, was die Ansagen angeht, deutlich besser als der alte. Es ist nämlich ein Ton der neuen Sachlichkeit und vielleicht auch der neuen Analyse. Das finde ich erst einmal sehr angenehm. Das ist endlich einmal eine Politik der inneren Sicherheit. Das war dringend notwendig. Das sind neue Töne nach den letzten Jahren, nämlich jenseits von Panikmache und Alarmismus. Das ist, finde ich, eine gute Sache. Daran sollten Sie sich ein Beispiel nehmen.

Trotzdem hat es gleich den ersten Sündenfall gegeben, auch mit der neuen Bundesjustizministerin, Herr Oetjen. Es gab das SWIFT-Abkommen mit den USA zur Datenübermittlung. Da ist Frau Leutheusser-Schnarrenberger gleich gescheitert.

(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Darüber bin ich auch nicht glücklich!)

Ansonsten kann ich in Bezug auf die Polizei nur sagen: Da werden wahrscheinlich neue Großlagen auf uns zukommen, weil Sie auch da in der Bundespolitik viele Fehler machen. Sie kündigen nämlich den Energiekonsens auf. Die entsprechenden Großlagen werden wir in Niedersachsen ausbaden müssen, auch mit erheblichen Kosten. Da kann man nur sagen: Eine Politik für eine moderne, dezentrale Energieversorgung ist auch ein Beitrag zur inneren Sicherheit.