Diese Mehrheit ist ohne jeden Gestaltungswillen. - Das war nicht von mir, das war die öffentliche Einschätzung.
(Starker, anhaltender Beifall bei der SPD - Lebhafter Beifall bei den GRÜ- NEN - Björn Thümler [CDU]: Das war alles?)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit Montagnachmittag hat das Hohe Haus diesen Landeshaushalt 2010 ganz intensiv beraten. Ich hatte die Gelegenheit, sehr vielen Debatten auch zu den Einzelhaushalten beizuwohnen. Ich stelle zunächst fest, dass die allermeisten Debatten in diesem Hause sachlich und konstruktiv über die Bühne gegangen sind. Alle Fachexperten der Fraktionen haben sich intensiv mit ihren Themen beschäftigt und zum Teil sehr detaillierte Ausführungen gemacht. Obwohl es einige wenige unglückliche Debatten in dieser Woche gab - das ist wohl wahr -, waren es doch insgesamt gute Haushaltsdebatten für das Jahr 2010.
Erstens. Dieser Landeshaushalt 2010 wird beraten und beschlossen mitten in der schwersten Wirtschafts- und Finanzkrise seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland. Diese Krise ist noch lange nicht überwunden. Diese Krise zeichnet sich für uns als Staat - in diesem Falle als Land Niedersachsen - dadurch aus, dass wir einen massiven Einbruch der Steuereinnahmen zu verzeichnen haben und auf der anderen Seite durch Konjunkturprogramme und andere Wachstum stimulierende Maßnahmen zusätzliche Ausgaben tätigen müssen. Das ist die Ausgangssituation.
Wie viele Bundesländer in Deutschland ihre Nettoneuverschuldung anheben müssen, so ist auch der Bund gezwungen, deutlich in die Neuverschuldung zu gehen. Wir alle haben in dieser Woche über die Beratungen in Berlin gelesen. Der Bund wird im nächsten Jahr 86 Milliarden Euro neue Schulden aufnehmen müssen. Wir erleben eine massive Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts. Weil dies so ist, müssen auch wir in Niedersachsen die Neuverschuldung wie in 2009 auch für 2010 auf 2,3 Milliarden Euro festlegen. Ich sage für meine Fraktion - ich denke, für beide Koalitionsfraktionen und für die Regierung -: Diese Neuverschuldung ist bitter und ärgerlich; aber in der jetzigen Situation wäre es absolut kontraproduktiv, gegen die Krise anzusparen. Deshalb ist diese Neuverschuldung unvermeidbar. Sie ist ohne Alternative, und deshalb können wir auch guten Gewissens zu ihr stehen.
Wenn wir in den letzten Jahren seit 2003 nicht so konsequent konsolidiert hätten, müssten wir eine deutlich höhere Neuverschuldung vornehmen. Insofern hat sich unsere Konsolidierungspolitik seit 2003 ausgezahlt.
Herr Jüttner, nun war ich doch über Ihre Einlassung überrascht, man dürfe nicht mehr über die Zeit zwischen 1990 und 2003 sprechen. Ich kann mir vorstellen, dass Sie sich wünschen, dass wir Sie nicht mehr daran erinnern. Nur eines ist in der Politik klar: Man darf politisch Handelnde nicht nur an ihren Worten messen, man muss sie an ihren Taten messen.
eindrucksvoller Art und Weise von den Menschen in Niedersachsen abgewählt worden, weil Sie dieses Land gegen die Wand gefahren hatten, weil Sie dieses Land in den Ruin führen wollten.
Herr Jüttner, Sie waren damals Minister, Herr Bartling auch. Wir entlassen Sie nicht aus der Verantwortung. Sie haben hier 2002 mit Ministerpräsident Gabriel einen Landeshaushalt verabschiedet, der eine um 650 Millionen Euro höhere Neuverschuldung vorsah, als wir es heute tun, obwohl wir jetzt - und nicht damals - die schlimmste Wirtschafts- und Finanzkrise haben.
- Nein, nein, Herr Jüttner, das lassen wir nicht durchgehen. Sie brauchen uns nicht zu belehren, weil Sie in der Zeit, in der Sie Regierungsverantwortung trugen, versagt haben.
(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP - Björn Thümler [CDU]: Sehr richtig! - Wolfgang Jüttner [SPD]: Sie machen Verfassungsbruch, mein Lie- ber! Sie sind ein Verfassungsbrecher!)
Das Zweite ist: Es ist doch abenteuerlich, dass Sie diese weltweite Wirtschafts- und Finanzkrise, die ihren Ausgang in Nordamerika hatte, weil sich dort eine Bankenkultur verselbstständigt hatte, die nichts mit europäischer Bankenkultur und erst recht nichts mit sozialer Marktwirtschaft zu tun hatte - - -
- Sie werfen uns vor, wir seien die Marktradikalen und seien dafür verantwortlich. Ich will Ihnen eines sagen, Herr Jüttner, nur um Ihre eigene Erinnerung aufzufrischen:
Wer hat die Unternehmensverkäufe in Deutschland steuerfrei gestellt? Wer hat die Anforderungen an den Börsenhandel gelockert?
Wer hat die Anlagemöglichkeiten von Fonds erweitert? Wer hat den Derivatehandel auch im Immobiliengeschäft gestattet? - Das war die rot-grüne
(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zurufe - Unruhe - Hans- Henning Adler [LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage)
die es den Banken erleichtert hat, Kreditforderungen zu verbriefen, also Kredite in handelbare Wertpapiere zu verwandeln und zu verkaufen.
Und wer war es, der die Hedgefonds in Deutschland zugelassen hat? - Nur damit wir bei der historischen Wahrheit bleiben: Das war das rot-grüne Investmentmodernisierungsgesetz. Hören Sie also auf, uns hier solche Belehrungen vorzuhalten!
Meine Damen und Herren, dieser Landeshaushalt 2010 sichert wichtige Investitionen gerade im Zeitalter der Krise. Das Konjunkturprogramm II und die Initiative Niedersachsen werden mit insgesamt 1,4 Milliarden Euro umgesetzt. Wir geben 265 Millionen Euro mehr für die Bildung aus als im letzten Jahr. Wir investieren darüber hinaus, neben dem Konjunkturprogramm, 500 Millionen Euro in die Infrastruktur: 108 Millionen Euro in unsere Seehäfen, 76,8 Millionen Euro in den JadeWeserPort, 50 Millionen Euro in die östliche Erweiterung des Offshorebasishafens in Cuxhaven, 73,5 Millionen Euro in Landesstraßen und Radwege und 69 Millionen Euro in den Deich- und Küstenschutz. Wir sagen: Investitionen in die Infrastruktur sind wichtige Zukunftsinvestitionen, gerade jetzt, in diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten.
Eine dritte Anmerkung: Sie haben zum wiederholten Male wie am Montag das Wachstumsbeschleunigungsgesetz der Bundesregierung kritisiert.
Eines müssen Sie begreifen, Herr Jüttner: Mit staatlichen Ausgabenprogrammen allein werden wir die Krise nicht überwinden. Wir brauchen wirtschaftliches Wachstum in diesem Land. Wachstum ist der Schlüssel zur Lösung unserer Probleme. Da muss die Politik Anreize setzen.
Sie mögen dagegen sein. Wir halten es für richtig, dass die Unternehmenssteuerreform so verändert wird, dass Wachstumsbremsen gelockert werden, gerade auch für unsere mittelständischen Betriebe in Niedersachsen. Wir wollen, dass die Erbschaftsteuerreform familienfreundlich nachgebessert wird. Wir wollen, dass die Steuerermäßigung für den Agrardiesel fortgesetzt wird - auch das ist ein Bestandteil des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes.
Sie müssen sehr lange nicht mehr auf einem Hof gewesen sein, wenn Sie nicht wissen, in welcher schwierigen Situation sich ein Teil der Landwirtschaft zurzeit befindet.
Aber das Wichtigste ist - über die Hälfte des Volumens wird dafür zur Verfügung gestellt -: Wir wollen - das sage ich ausdrücklich; da wiederhole ich meine Worte vom Montag -, dass die schweigende Mehrheit in diesem Land, nämlich die bürgerliche Mitte, Familien mit Kindern, steuerlich entlastet werden, weil sie die Leistungsträger unserer Gesellschaft sind.