Protokoll der Sitzung vom 17.12.2009

Herr Adler, Sie haben das Wort für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was die Kritik an dem sogenannten Zukunftsvertrag betrifft, kann ich mich auf die Ausführungen von Frau Modder und Herrn Briese beziehen. Ich finde sie in der Sache richtig. Wir müssen doch folgendes Problem sehen: Das finanzielle Desaster der Kommunen können wir nicht dadurch lösen, dass wir - sei es durch finanzielle Stimuli, oder sei es durch Zwang - größere Einheiten schaffen; denn größere Einheiten bedeuten weniger kommunale Selbstverwaltung, weniger kommunale Abgeordnete und weitere Wege für die Bürgerinnen und Bürger zu den dann zentral geschaffenen Verwaltungseinheiten.

(Beifall bei der LINKEN)

Der niedersächsische Innenminister hat, wie ich auf der Homepage der Staatskanzlei lesen konnte, folgenden Satz gesagt:

„Zukunftsfähige kommunale Strukturen können nur dann erfolgreich entwickelt werden, wenn diese von einer breiten Mehrheit der politisch Verant

wortlichen vor Ort und der Bevölkerung getragen werden.“

Diesen Satz finde ich völlig richtig, Herr Innenminister. Aber das bedeutet auch: Wenn man solche Fusionen von Gemeinden und Kreisen tatsächlich durchführt, muss man meiner Ansicht nach auch das Volk befragen und entsprechende Befragungen organisieren. Das ist die Konsequenz daraus.

Nun zu dem Antrag der SPD-Fraktion, mit dem erneut gefordert wird, eine Enquetekommission einzurichten: Ich habe mir einmal die Mühe gemacht, die beiden Anträge in der Drs. 16/990 und der Drs. 16/1953 miteinander zu vergleichen. Es gibt dabei zwei kleine Unterschiede: Zum einen haben Sie in diesen Anträgen das Wort „zu“ einmal klein und einmal groß geschrieben. Zum anderen haben Sie bei der Passage „acht Sachverständige“ die Zahl „8“ einmal als Ziffer und einmal in Worten geschrieben. Ansonsten sind die Anträge tatsächlich identisch.

Nur in der Begründung gibt es noch einen kleinen Unterschied. Aber auch dadurch - das muss ich sagen - ist der Antrag nicht viel besser geworden. Dort steht ein toller Satz - ich zitiere -:

„Zusammenschlüsse von Kommunen sind gleichwohl lediglich dann als mittel- und langfristig nachhaltig zu bezeichnen, wenn die neue Struktur in einer Gesamtschau der jeweils betroffenen Region vor dem Hintergrund der Aufgabenwahrnehmung als zukunftsfest beurteilt werden kann.“

Was ist das eigentlich für ein Satz? - Etwas ist nachhaltig, wenn es zukunftsfest ist. Das können Sie genauso gut umdrehen. Ehrlich gesagt: Damit bringen Sie die Sache nicht viel weiter.

Ich vermisse in Ihrem Antrag die politische Richtung, weil man wirklich nicht weiß, worauf Sie hinauswollen. Wenn Sie schon geprüft haben wollen, welche Aufgaben im Rahmen einer Aufgabenkritik entfallen können, dann sollten Sie politisch Farbe bekennen und sagen, in welche Richtung die Sache nach Auffassung der SPD-Fraktion gehen soll. Wir sind jedenfalls sehr skeptisch, wenn ein Begriff wie „Aufgabenkritik“ genannt wird.

(Zustimmung von Kurt Herzog [LINKE])

Meistens führt das nämlich zu Kürzungen zulasten der Bürgerinnen und Bürger.

(Beifall bei der LINKEN)

Herzlichen Dank, Herr Adler. - Für die FDP-Fraktion - das ist die letzte Wortmeldung, die mir im Moment vorliegt - hat jetzt Herr Oetjen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist bereits mehrfach gesagt worden, dass Ihr Antrag auf Einrichtung einer Enquetekommission schon einmal vorgelegen hat. Ich bin darauf gespannt, welche neuen Beweggründe wir - ich nicht, aber meine Kollegen - im Ältestenrat hören werden.

Das, was der Kollege Briese hier gesagt hat, ist richtig. Wir haben jetzt den Zukunftsvertrag. Ich sage sehr deutlich: Wir freuen uns darüber, dass die kommunalen Spitzenverbände diesen Weg mit uns gehen wollen. Dieser Zukunftsvertrag muss sich in der Tat erst beweisen. Wir sind sehr zuversichtlich, dass er sich beweisen wird. Von daher glaube ich, dass es das falsche Signal wäre, jetzt eine Enquetekommission einzurichten, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Wir haben in dem Zukunftsvertrag festgelegt, dass wir Fusionen nicht von oben verordnen wollen, sondern dass Fusionen von unten heraus wachsen sollen aus der Verantwortung der kommunalen Mandatsträger vor Ort.

Dass sich viele Kommunen auf den Weg machen und dass es vor Ort Diskussionen darüber gibt, mit dem einen oder anderen zusammenzugehen, können wir in der Lokalpresse lesen. Mittlerweile liegen schon einige Projekte vor, bei denen es bereits Beschlüsse gegeben hat, dass es zu neuen zukunftsfähigen Strukturen kommen wird. Ich habe gelesen, dass man sich auch im Landkreis Northeim sehr intensive Gedanken über diese Frage macht.

Wir haben also eine kommunale Landschaft, die sich auch aufgrund dieses Zukunftsvertrages durchaus bewegt. Von daher bin ich sehr zuversichtlich, dass das, was wir mit dem Zukunftsvertrag bezwecken wollen, funktioniert.

Das, was in der Enquetekommission erarbeitet werden soll - wenn man den Text liest, liebe Kollegin Modder -, ist, dass ein neues Leitbild entwickelt werden soll und dass Kriterien entwickelt werden sollen, wie eine kommunale Struktur aussehen soll. Meine Damen und Herren, ich glaube, dass das die Vorbereitung dafür ist, dass eine Gebietsreform von oben kommen soll. Eine Gebietsreform

von oben lehnen CDU und FDP kategorisch ab, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Kollege Oetjen, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Modder? - Er möchte keine Zwischenfragen zulassen.

Wir haben in dem Zukunftsvertrag ferner festgelegt, dass geprüft werden soll, ob Aufgaben kommunalisiert werden können. Das ist ja einer der Bausteine. Wir wissen, dass die kommunale Ebene diesbezüglich sehr unterschiedlich tickt. So hat der Städte- und Gemeindebund natürlich ganz andere Anforderungen als der Niedersächsische Landkreistag. Aber wenn wir diesen Prozess fortsetzen und uns gemeinsam mit ihnen an einen Tisch setzen, wie es vorgesehen ist, dann werden dabei, meine ich, gute Ergebnisse herauskommen.

Ich persönlich bin übrigens der Meinung, dass wir uns sehr intensiv auch darüber unterhalten müssen, ob Aufgaben, die bereits kommunalisiert sind, auf der Ebene der Landkreise oder der Kommunen angesiedelt werden sollen. Das ist aus meiner Sicht eine sehr wichtige Frage.

Der Kollege Briese hat u. a. die Frage der verfassungsrechtlichen Schwierigkeiten angesprochen. Wir haben gesehen, dass das Ganze in Mecklenburg-Vorpommern gründlich in die Hose gegangen ist.

(Ralf Briese [GRÜNE]: Rot-Rot!)

- Ja, Rot-Rot. - Gerade vor diesem Hintergrund müssen wir aus meiner Sicht sehr vorsichtig sein, wenn es darum geht, irgendetwas von oben zu verordnen. Wir wollen einen gemeinsamen Weg mit den Kommunen entwickeln und diesen Weg gemeinsam gehen. CDU und FDP werde das äußerst verantwortungsvoll und sehr erfolgreich tun.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine gesegnete Weihnacht.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Heiner Bartling [SPD]: Frohes Fest!)

Danke schön, Herr Kollege Oetjen, auch für die reduzierte Redezeit. - Herr Minister Schünemann hat sich zu Wort gemeldet. Sie sind der letzte Redner auf der Rednerliste. Herr Minister, Sie haben das Wort!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Briese, ich wollte in keiner Weise irgendwelche Institute zitieren, sondern ich wollte Sie einfach nur an meiner Freude teilhaben lassen. Ich habe mit Vertretern von IHKs aus Niedersachsen, insbesondere hier in Hannover, gesprochen. Sie haben dargelegt, es gebe gute Anzeichen dafür, dass es im nächsten Jahr wirklich bergauf geht; denn sogar Spediteure und andere haben wieder erheblich mehr Aufträge als noch zu Beginn dieses Jahres. Das ist ein wichtiges Signal. Wenn wir dadurch tatsächlich wieder mehr Steuereinnahmen haben, dann ist das sicherlich ein positives Signal.

Am Ende eines sehr schwierigen Jahres ist es wichtig, positive Signale aufzunehmen. Man darf dieses Land nicht schlechtreden, sondern wir müssen diesen Wachstumsschub insgesamt begleiten. Das ist ein wichtiger Punkt. Das kann morgen im Bundesrat noch weiter unterstützt werden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Zur Enquetekommission möchte ich nichts sagen, weil das die Sache des Parlaments ist.

Ich möchte aber sehr gerne das aufgreifen, was Herr Jüttner bei seiner Haushaltsrede hier ausgeführt hat. Er hat gesagt: Mit dem Antrag wollen wir in der kommunalen Frage, insbesondere was Gebietskörperschaften und die Gebietsreform angeht, die Hand reichen. - So ungefähr haben Sie es dargelegt.

Heute wird der Zukunftsvertrag unterzeichnet. Damit haben wir den Kommunen zumindest ein Angebot gemacht, und zwar denjenigen Kommunen, die besonders von Strukturschwäche betroffen sind. Einige Kommunen werden von der CDU regiert. Aber der größte Teil wird von Landräten und Bürgermeistern der SPD regiert. Das ist immerhin ein Angebot, für 1,5 Milliarden Euro Kassenkredite Zins und Tilgung zu übernehmen und darüber hinaus verstärkt Strukturhilfe anzubieten.

Mein Wunsch ist, das, was Sie gesagt haben, auch auf der kommunalen Ebene zu kommunizieren und es nicht so zu organisieren, wie wir es von den

kommunalen Spitzenverbänden gehört haben. So sollen nämlich erstmalig Sitzungen von SPD-Bürgermeistern und -Landräten organisiert worden sein, um den Zukunftsvertrag vielleicht doch noch zu Fall zu bringen. Das ist mir gesagt worden. Ob es stimmt, weiß ich nicht.

Mir geht es darum, jetzt vor Ort ernsthaft zu prüfen, ob man strukturelle Veränderungen hinbekommt, und zwar nicht nur weil es mit der Mehrheit von CDU und FDP und gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden einen Zukunftsvertrag gegeben hat.

Das ist direkt vor Ort eine schwierige Frage. Es ist in Lüchow-Dannenberg eine ganz schwierige Frage. Es ist in Northeim und in Holzminden eine schwierige Frage, und im Harz ist es noch schwieriger. Das ist eine wunderschöne Region. Wir haben Gott sei Dank schon Schnee dort. Ich will mir nicht nachsagen lassen müssen, dass ich die Region nicht würdige.

Mir ist am Ende dieser Diskussion ganz wichtig, zu sagen, dass wir diesen Zukunftsvertrag als ein Angebot sehen. Auf der kommunalen Ebene dürfen nicht die rein parteipolitischen Dinge betrachtet und etwas blockiert werden, sondern man muss aufeinander zugehen und die Probleme tatsächlich lösen.

(Johanne Modder [SPD]: Was falsch ist, bleibt falsch!)

Wir machen jetzt ein Angebot der Freiwilligkeit. Ich glaube, es ist sinnvoll, dass man sich über Gutachten die Fakten darstellen lässt und dass man dann die Bürgerinnen und Bürger auf dem gemeinsamen Weg mitnimmt.

Ich habe heute hier im Parlament niemanden gehört, der gesagt hat: Wir können so weitermachen wie bisher. - Wir müssen in einigen Bereichen strukturelle Veränderungen organisieren. Deshalb nehme ich das, was Herr Jüttner hier gesagt hat, ernst. Wir reichen Ihnen die Hand, um gemeinsam etwas auf den Weg zu bringen. Wenn das direkt vor Ort tatsächlich gelingt, dann haben wir im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung sehr viel erreicht. Dies wäre mein Wunsch für das nächste Jahr. Wenn wir dies heute hier im Parlament allgemein so darlegen könnten, haben wir für die Kommunen in unserem Land sehr viel erreicht.

Herzlichen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)