Protokoll der Sitzung vom 19.01.2010

Niedersachsen ist bei den Kindern im Alter von drei bis sechs Jahren, was die Betreuungsquote angeht, weit abgeschlagen, obwohl es einen Rechtsanspruch auf Betreuung gibt. Niedersachsen ist bundesweit das Schlusslicht, was das Thema Integration von Kindern mit Behinderungen insbesondere im Krippenbereich betrifft.

Frau Ministerin, es ist ja sehr löblich, dass Sie jetzt wieder Modellprojekte öffentlich vermarkten. Es sind aber nicht Modellprojekte nötig, sondern - dafür haben Sie lange genug Zeit gehabt - vernünftige, nachhaltige und langfristige Infrastrukturen. In dieser Hinsicht ist Niedersachsen wirklich Schlusslicht. In diesem Bereich haben andere Bundesländer weitaus schneller gearbeitet und viel mehr aufgeholt. Obwohl Niedersachsen ganz weit hinten lag, sind wir jetzt noch nicht einmal bei der Dynamisierungsquote unter den Ersten, obwohl wir dies nötig hätten. Hören wir also bitte auf, ständig davon zu reden, wir seien auf einem guten Weg! Das haben Eltern und Kinder in diesem Land nicht verdient.

(Lebhafer Beifall bei der SPD - Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Die CDU-Fraktion hat ebenfalls zusätzliche Redezeit beantragt. Frau Vockert, auch Sie haben für zwei Minuten das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor hier Geschichtsklitterung betrieben wird, möchte ich Folgendes sagen: Frau Kollegin Heili

genstadt, Sie haben hier dargestellt, dass wir in Niedersachsen Schlusslicht bei der Quote in Bezug auf Betreuung, Bildung und Erziehung der Kinder unter drei Jahren sind. Fragen Sie sich bitte einmal selbst, von wo aus diese Landesregierung 2003 gestartet ist! Ich beziehe mich hier auf die Personalkosten und alle möglichen weiteren Gegebenheiten.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Sie sind jetzt schon sieben Jahre zugange! Was haben Sie denn in sieben Jahren ge- macht?)

- Herr Jüttner, fragen auch Sie sich das einmal. Welches waren damals die Gegebenheiten? Was haben wir gemacht? - Ich kann es Ihnen gerne darstellen. Vorher will ich aber noch sagen, von wo aus wir gestartet sind und wo wir heute stehen. Im Bundesländervergleich haben wir insgesamt den größten prozentualen Zuwachs erreicht, gemessen daran, wo wir gestartet sind. Das müssen Sie zur Kenntnis nehmen.

Was haben wir seit 2003 getan? Wer hat den Orientierungsplan für Bildung und Erziehung auf den Weg gebracht und damit Bildung und Erziehung überhaupt erstmals in den Bereich der Kita aufgenommen? Wer?

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das war diese Landesregierung!

Wer hat in diesem Bereich das beitragsfreie KitaJahr durchgesetzt? - Das war diese Landesregierung.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sie haben in diesem Bereich die Kinderpflegeausbildung nicht auf das Qualitätsniveau gebracht, wie wir es uns gewünscht haben. Sie haben in dieser Hinsicht nichts getan. Diese Landesregierung hat die entscheidenden Maßnahmen auf diesem Gebiet ergriffen. Ich könnte Ihnen zahlreiche Faktoren nennen. Ich erwähne hier das Niedersächsische Institut für frühkindliche Bildung und Entwicklung. Suchen Sie einmal bundesweit nach einer solchen Einrichtung. Sie finden solch eine Einrichtung nirgendwo anders. Hier in Niedersachsen wurde nie mehr Geld, wurden nie mehr finanzielle Mittel für diesen Bereich zur Verfügung gestellt, als es diese Landesregierung getan hat und weiterhin tun wird. In dieser Hinsicht lassen wir uns überhaupt nichts vormachen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wir stimmen zunächst über die Nr. 1 der Beschlussempfehlung des Ausschusses ab. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen und damit den Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE in der Drs. 16/1491 ablehnen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit ist es so beschlossen, wie der Ausschuss empfohlen hat.

Wir kommen zur Abstimmung über die Nr. 2 der Beschlussempfehlung des Ausschusses. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen und damit den Antrag der Fraktion DIE LINKE in der Drs. 16/1493 ablehnen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Empfehlung des Ausschusses gefolgt worden.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Nr. 3 der Beschlussempfehlung. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen will und damit den Antrag der Fraktion der SPD in der Drs. 16/1506 ablehnen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Dann ist auch hier der Ausschussempfehlung gefolgt worden.

Wir kommen jetzt noch zur Abstimmung über die Nr. 4 der Beschlussempfehlung. Wer der Nr. 4 der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen will und damit die in die Beratung einbezogene Eingabe 1229 für erledigt erklären möchte, den bitte ich ebenfalls um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Dann ist es auch hier so beschlossen.

Ich rufe dann den Tagesordnungspunkt 5 auf:

Zweite Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Einrichtung einer Härtefallkommission (Härtefallkommissionsge- setz - HFKG) - Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/1050 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres, Sport und Integration - Drs. 16/1941 - Schriftlicher Bericht - Drs. 16/1948

Die Beschlussempfehlung lautet auf Ablehnung.

Eine mündliche Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Ich eröffne die Aussprache. Zunächst hat Frau Polat von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! 2010 hätte ein angemessener Neustart für die niedersächsische Härtefallkommission werden können, mit einer gesetzlichen Grundlage, deren Entwurf wir Ihnen vorgelegt haben, beschlossen von diesem Parlament, in der Verantwortung dieses Parlamentes, jenseits der Landesregierung und eines Innenministers, der, wie er auch öffentlich bekundet, eine Härtefallkommission bis heute ablehnt. Diese gesetzliche Grundlage hätte die Kommission erstmals in die Lage versetzt, die Handlungsspielräume, die ihr der Bundesgesetzgeber eröffnet hat, auszuschöpfen.

Die Einschränkung der Härtefallkommission des Landes Niedersachsen durch die vor Kurzem zum, glaube ich, vierten Mal beschlossene Härtefallkommissionsverordnung ist so stark, dass sie aus unserer Sicht die humanitäre Intention des Aufenthaltsgesetzes konterkariert. Die Verordnung ist - das habe ich schon zur Einbringung des Gesetzentwurfes gesagt - von Ausschlusskriterien geprägt. Das ist, liebe Kolleginnen und Kollegen, nichts Überraschendes, wie Sie wissen; denn so sieht die Flüchtlingspolitik dieser Landesregierung nun einmal aus. Zehn Nichtannahmegründe und vier Regelausschlussgründe werden minutiös aufgelistet. Aus ihnen ergibt sich, wer keinen Anspruch darauf haben soll, dass sein Fall in der Härtefallkommission beraten wird, und in welchen Fällen eine Empfehlung zur Anerkennung als Härtefall zumindest erschwert ist.

Herr Rolfes, wir haben uns gefragt, warum das so ist. Der Bundesgesetzgeber gibt das nicht vor. Mit unserem Gesetzentwurf geben wir maximalen Entscheidungsspielraum in die Hände der Mitglieder der Härtefallkommission. An dieser Stelle sei es mir gestattet, allen neuen und alten Mitgliedern viel Kraft und Energie zu wünschen. Vor Kurzem wurde eine weitere Amtszeit beschlossen; die Mitglieder sind für weitere zwei Jahre berufen worden. Wir hätten gerne gesehen, dass die Mehrheit dieses Hohen Hauses den Mitgliedern der Kommission die Wertschätzung und das Vertrauen geschenkt hätte, die zum Ausdruck zu bringen wir mit unserem Gesetzentwurf intendiert haben.

In unserem Gesetzentwurf machen wir Vorschläge zu einer veränderten Zusammensetzung der Kommission sowie zu einer Vorprüfungskommission. Wir sorgen für einen freien Zugang zur Kommission und für die Möglichkeit, rein nach humanitären Gesichtspunkten zu entscheiden. Wir setzen ein deutliches Zeichen, indem wir die Stimmen der Mehrheit der anwesenden Mitglieder genügen lassen. So machen wir Schluss mit den Rechenkunststücken der Landesregierung, die zunächst als großzügige Zugeständnisse verkauft wurden und letztlich keine praktischen Auswirkungen hatten. Weiteren Entscheidungsraum erhält die Kommission durch die in unserem Gesetzentwurf vorgesehene konsequente Streichung der Nichtannahmegründe und Regelausschlussgründe. Die dringenden humanitären oder persönlichen Gründe, die laut § 23 a des Aufenthaltsgesetzes - das ist die bundesgesetzliche Grundlage - die weitere Anwesenheit eines Ausländers im Bundesgebiet rechtfertigen können, rücken somit wieder in den Vordergrund.

Sie allerdings werden sich zum wiederholten Male einem Fortschritt für die Härtefallkommission verweigern. Das bedaure ich sehr. Gut, irren ist menschlich. Sie werden heute wahrscheinlich den Gesetzentwurf ablehnen. Wir kündigen schon jetzt an, weiter an diesem Thema dranzubleiben. Sie wissen, dass die Härtefallkommission im Jahr 2010 durch die nicht gelungene Fortsetzung der Altfallregelung vor noch größeren Herausforderungen steht.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat sich für die SPD-Fraktion Herr Bachmann zu Wort gemeldet.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Niedersächsische Landtag vergibt heute eine Chance. Er vergibt die Chance, nach intensiven Beratungen und Anhörung aller gesellschaftlich Beteiligten aus dem Bereich der Integrationsarbeit, der Kommunen, der Sozialpartner und der Wohlfahrtsverbände den ernsthaften Versuch zu unternehmen, ein Härtefallkommissionsgesetz zu schaffen, das in diesem Lande die Akzeptanz erfährt, die die wichtige Arbeit der Kommission für Menschen, die sich in einer ganz besonders

schwierigen Situationen befinden und ein humanitäres Anliegen haben, verdient.

Diese Chance vertun Sie. Sie haben nicht einmal die entsprechenden Organisationen angehört. Dazu muss ich wiederholen, dass Sie ganz offensichtlich gefürchtet haben wie der Teufel das Weihwasser, von den Engagierten aus der Arbeit ins Stammbuch geschrieben zu bekommen, wie sehr Sie, Herr Schünemann, Ihre ganze Kraft nur dafür eingesetzt haben, Härtefallverfahren zu erschweren.

(Editha Lorberg [CDU]: Das ist doch nicht wahr!)

Nach wie vor gibt es keine optimale Regelung, die der Vorgabe des Bundesgesetzes, nach humanitären Gesichtspunkten zu Entscheidungen außerhalb der üblichen Rechtsnormen zu kommen, in diesem Lande Raum gäbe.

(Minister Uwe Schünemann spricht mit Minister Lutz Stratmann - Pia- Beate Zimmermann [LINKE]: Herr Schünemann hört gar nicht zu!)

Alle Versuche in der Vergangenheit, das über Entschließungsanträge und durch Einflussnahme auf die Landesregierung hinsichtlich der Kommissionsverordnungen zu erreichen, sind gescheitert. Deswegen war es nur konsequent, über einen Gesetzentwurf zu beraten. Über ihn wollen Sie aber heute nicht beraten, sondern Sie wollen ihn ablehnen. Damit vertun Sie eine Chance.

Sie allein haben es zu verantworten, wenn wir hier in Zukunft weiter all die Punkte auf die Tagesordnung setzen und kein Gremium haben, das im Lande hohe Akzeptanz genießt und - in anderer personeller Zusammensetzung und mit anderen Rechten als bisher, wie eben im Detail von der Kollegin Polat ausgeführt - Härtefallverfahren so abwickelt, wie es der Bundesgesetzgeber eigentlich intendiert hat. Das wollen Sie so nicht, und deswegen tragen Sie die Verantwortung, wenn dieses Thema hier auf der Tagesordnung bleibt und immer wieder auf die Tagesordnung kommt. Werfen Sie uns das dann bitte nicht vor, wenn wir das hier thematisieren!

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Herr Schünemann, was Ihr Verhalten angeht, kann ich eigentlich nur Günther Grass zitieren. Das, was Sie als Fortschritt bezeichnen, ist eine Schnecke. Bei Ihnen ist der Fortschritt eine Schnecke; denn

Sie haben sich immer nur so weit bewegt, wie Sie persönlich es verantworten wollten, ohne die an der Kommission Beteiligten zu berücksichtigen, ohne vernünftige Verfahrensweisen zu schaffen, ohne die Ausschlussgründe, die der Einleitung von Verfahren entgegenstehen, abzuschaffen. Solche Ausschlussgründe hat der Bundesgesetzgeber nie gewollt. Er sagt, außerhalb aller üblichen Rechtsnormen soll hier unter humanitären Gesichtspunkten entschieden werden. Sie aber haben sich erst einmal bemüht, einen Katalog aufzustellen, in welchen Fällen es überhaupt nicht zu einer Prüfung und zu einem Härtefallverfahren kommen darf. Sie haben weder das Gespräch mit den Beteiligten gesucht, noch sind Sie ernsthaft an einem vernünftigen Härtefallverfahren interessiert. Das hat die Kollegin Polat eben schon gesagt. Sie vertun die Chance, dass der Landesgesetzgeber das in die Hand nimmt.

Lassen Sie mich gleich noch eines präventiv sagen, weil ich ahne, welche Argumente jetzt gleich wieder aus der CDU-Fraktion kommen: Wenn man diesen Gesetzentwurf der Grünen ernsthaft beraten hätte, wäre er hier mit Sicherheit nicht 1 : 1 beschlossen worden; die Mehrheitsverhältnisse dieses Hauses kennen auch wir. Wir hätten aber die Chance gehabt, uns auf Kompromisse zu verständigen, die die Akzeptanz, die Arbeit und die Inhalte der Härtefallkommission auf eine breite parlamentarische Basis gestellt hätten. Hätten Sie die Organisationen im Lande gehört, hätten Sie genau diese Forderungen bekommen, und Sie hätten weniger Argumente in der Hand gehabt, sich dem zu widersetzen. Sie haben es aber gar nicht erst versucht und deswegen keine Anhörung zugelassen.

Wenn Sie jetzt sagen, in Hamburg und in Bremen sei das alles noch viel schwieriger als in Niedersachsen, dann will ich es so zusammenfassen: Wir haben schon einen besonderen Innenminister.

(David McAllister [CDU]: Einen her- vorragenden!)

Dieser besondere Innenminister verdient auch besondere Antworten dieses Parlaments. Da wir ihm eine vernünftige Verordnung nicht zutrauen, geht es eigentlich nicht ohne ein Gesetz. Aber Sie wollen sich an dieser Stelle nicht bewegen. Die Folgen haben Sie zu tragen.

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Wir tragen es mit Fassung und Würde!)