Protokoll der Sitzung vom 08.05.2008

Erste Beratung: Änderung der Geschäftsordnung des Niedersächsischen Landtages - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 16/128

Mir liegen hierzu Wortmeldungen vor. Ich erteile dem Abgeordneten Bartling von der SPD-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gerade das Ende des Tagesordnungspunktes „Dringliche Anfragen“ ist ein guter Auftakt für eine erneute Debatte um die Geschäftsordnung des Niedersächsischen Landestages;

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Denn was haben wir soeben erlebt? - Der Herr Präsident hat seine Aufgabenstellung richtig dargestellt. Ich erlaube mir aber, diese Ausführungen um die Darstellung dessen zu ergänzen, was Verpflichtung der Landesregierung ist. In Artikel 24 Abs. 1 unserer Verfassung steht, dass die Landesregierung auf Anfragen von Mitgliedern des Landtages nach bestem Wissen unverzüglich und vollständig zu antworten hat.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: So wenig kann der gar nicht wissen! Der muss mehr wissen!)

Das ist der Artikel, auf dessen Grundlage das Fragerecht des Parlaments konstituiert ist, meine Damen und Herren. Wenn wir dann gerade bei den Dringlichen Anfragen erleben, dass diese Mehrheit aus CDU und FDP nur zwei zusätzliche Fragen zulässt, und diese Landesregierung kennen, dann wissen wir, was dabei herauskommt: Vernebeln und nichts beantworten.

(Lebhafter Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Wir haben keine Möglichkeit, das aufzudecken, meine Damen und Herren. Ich habe mich übrigens

geirrt: Wir dürfen nicht zwei, sondern vier Fragen stellen.

(Zuruf von der CDU: Eben!)

Gerade vorhin bei den Antworten von Herrn Sander auf die Zusatzfragen haben wir es wieder erfahren. Wir können nur dadurch, dass wir immer wieder dieselbe Frage stellen, auch einer interessierten Öffentlichkeit deutlich machen, dass diese Frage immer noch nicht beantwortet wird. Das ist das Entscheidende. Deshalb kritisieren wir erneut - das ist nicht neu; das haben wir schon einmal getan -, dass Sie dieses Recht der Opposition, bei Dringlichen Anfragen mehr Nachfragen zu stellen, auf diese üble Weise eingeschränkt haben.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, man muss gar nicht mehr darüber reden, dass Sie, als Sie selbst noch in der Opposition waren - man kennt das ja mit dem Sein und dem Bewusstsein - und in der Enquete-Kommission mitgearbeitet haben, in Bezug auf Rechte der Opposition selbstverständlich viel weitergehende Forderungen gestellt haben. Sie haben in der alten Legislaturperiode, in der Sie bereits die Mehrheit hatten, hier sehr kleine Dinge zugelassen, z. B. dass man bei Mündlichen Anfragen einen Satz mit einer Vorbemerkung einleiten konnte. Diese Möglichkeit haben Sie jetzt wieder zurückgenommen, weil man mit einer solchen Einleitung besonders deutlich machen kann, mit welcher Widersprüchlichkeit diese Landesregierung hier agiert, und weil Ihnen das peinlich ist. Wir stellen diesen Antrag, weil wir von dieser Möglichkeit wieder Gebrauch machen wollen.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, ich will noch einen letzten Punkt nennen, der ebenfalls in unserem Antrag verankert ist und bei dem wir schon aufgrund der ersten praktischen Erfahrungen Probleme feststellen müssen. Ich kann insoweit nur hoffen, dass bei Ihnen ein gewisses Maß an Nachdenklichkeit eintritt. Dieser Punkt betrifft die Frage, dass jede Fraktion für eine Plenarsitzungswoche nur zwei Anträge stellen darf.

Meine Damen und Herren, was haben wir in der letzten Woche im Ältestenrat erlebt? - Es lag ein Gesetzentwurf vor, Frau Helmhold erkannte, dass es dazu einen Antrag gab, der dem Thema entsprach, und schlug vor, dass dieser Antrag gleich mitdiskutiert werden könnte. Das wurde dann auch

gemacht. Aber wofür ist das ein Synonym, meine Damen und Herren? - Das ist ein Synonym dafür, dass Sie mit Mehrheit im Ältestenrat willkürlich festlegen können, welche Anträge eine Fraktion in einer Landtagssitzung zur Debatte stellt. Das hat nichts mit demokratischem Umgang und Wahrung von Oppositionsrechten zu tun. Das ist reine Willkür!

(Lebhafter Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Ich erteile der Abgeordneten Flauger von der Fraktion DIE LINKE das Wort.

(Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Ach so! Das war es schon? Ich dachte, es wird noch schlimmer! - Heiner Bartling [SPD]: Das kann ja noch kommen!)

Es wird schlimmer, Herr Althusmann! Das kommt gleich.

(Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Aber bitte erst das Zitat!)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erst wieder das lateinische Zitat: Ceterum confiteor constitutionem. - Außerdem bekenne ich mich zur Verfassung.

(Beifall bei der LINKEN - Karl-Heinz Klare [CDU]: Wer das so gut auswen- dig kennt, der hat etwas zu verber- gen! - Unruhe - Glocke des Präsiden- ten)

In dieser Verfassung, in unserem Grundgesetz, steht, dass die Bundesrepublik Deutschland ein demokratischer Staat ist. Zum Glück ist das darin auch unabänderlich festgeschrieben.

(David McAllister [CDU]: Sagen Sie das Herrn Sohn!)

Insofern, meine Damen und Herren von der CDU und von der FDP, insofern fühlen Sie sich sicherlich demokratischen Prinzipien verantwortlich, weil Sie sich ja sicherlich mindestens genauso zur Verfassung bekennen wie ich. Zumindest tun Sie immer so, als seien Sie darin das leuchtende Vorbild. Es stellt sich die Frage, was demokratische Prinzipien im Verhältnis zwischen Regierung und Opposition sind. Herr Althusmann, Sie haben sich schon gestern sehr bedauernd darüber geäußert, dass Sie sich von einer Abgeordneten der Linken erklä

ren lassen mussten, dass man für eine Zweidrittelmehrheit kompromissbereit sein muss. Dabei ging es um Kinderrechte in der Verfassung. Ich muss sagen, es kommt heute noch ein bisschen schlimmer für Sie. Sie müssen heute sehr tapfer sein;

(Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Oh! Echt? Ich zittere jetzt schon!)

denn heute müssen Sie ertragen, dass Ihnen eine Abgeordnete der Linken etwas zum Thema Demokratie sagt.

(Oh! bei der der CDU - Thomas Adasch [CDU]: Da sind wir aber ge- spannt!)

Herr Althusmann, ich habe auch fast ein schlechtes Gewissen, dass ich das einem so überaus sympathischen Menschen wie Ihnen antun muss.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN - Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Jetzt wird es aber gefährlich!)

Wir wählen in Niedersachsen alle fünf Jahre einen neuen Landtag. Bei Wahlen hegen natürlich Parteien wie die CDU die Hoffnung, dass sie die absolute Mehrheit bekommen. Das ist für sie dann eine komfortable Position. Manchmal kommt es nicht ganz so komfortabel, dann muss man Koalitionen bilden. Im Bundestag müssen Sie das mit der SPD. Das gefällt Ihnen nicht ganz so gut.

(Zuruf)

- War das ein Angebot? Wollen Sie von uns ein Angebot haben? - Das glaube ich Ihnen jetzt nicht wirklich.

(David McAllister [CDU]: Niemals!)

In Hamburg müssen Sie mit den Grünen koalieren. Das gefällt Ihnen vielleicht auch nicht ganz so gut, wenn das an mancher anderen Ecke vielleicht ein bisschen leichter sein mag. Und hier haben Sie die noch relativ komfortable Situation, dass CDU und FDP miteinander koalieren können. Und wenn es nicht gerade solche Fehlleistungen gibt wie die von Frau Heister-Neumann im Zusammenhang mit den Lehrerarbeitszeiten, sodass sich Herr Rösler dann doch bemüßigt fühlt, sich per Parteitagsbeschluss davon einmal eindeutig zu distanzieren, regieren Sie hier ja sonst recht einhellig, so entsprechend den Wünschen derjenigen Firmen, die Ihnen regelmäßig ein paar Spenden zuschicken - wie von

der Allianz an Ihre Fraktion im Bundestag. Das machen Sie dann.

(Oh! bei der CDU - Hans-Werner Schwarz [FDP]: Sie kriegen die von woanders her! - Zuruf von der CDU: Reden Sie mal zum Thema!)

Jetzt haben Sie hier im Landtag drei Oppositionsparteien. Opposition hat ja auch die Aufgabe,

(Vizepräsidentin Astrid Vockert übernimmt den Vorsitz)

Ihre Regierungsarbeit kritisch zu beobachten und zu beurteilen.

(Minister Uwe Schünemann: Wann kommt denn der Vortrag zur Demo- kratie?)

- Ich bin gerade bei Demokratie! - Die Opposition hat die Aufgabe, Ihre Regierungsarbeit kritisch zu beurteilen und zu bewerten, eigene Anträge beizubringen, Fragen zu stellen. Das hat etwas Korrigierendes, und wenn man überzeugter Demokrat ist, stellt man sich diesen Fragen. Das hat auch etwas mit dem Einbringen von Ideen zu tun, und wenn man überzeugter Demokrat ist, dann hört man sie sich aufgeschlossen an und prüft sie vorurteilsfrei.

Sie haben aber schon mal im Februar angekündigt, dass Sie pauschal gegen unsere Anträge stimmen, obwohl Sie noch gar nicht wussten, wie die lauten. Das ist auch protokolliert worden.

Nun haben Sie aufgrund der Mehrheitsrechte hier im Parlament die Geschäftsordnung geändert. Sie haben das in der letzten Legislaturperiode getan, Sie haben es jetzt schon wieder getan. Sie haben die Zahl der Anträge, die eingebracht werden können, beschränkt; zwei pro Fraktion.

(David McAllister [CDU]: In erster Be- ratung!)

Sie haben die Anzahl der Zusatzfragen eingeschränkt. - Ich kann mir vorstellen, dass Sie das stört, wenn die Opposition hier kritische Fragen stellt.

(Heinz Rolfes [CDU]: Die stellt ja gar keine Fragen!)