Protokoll der Sitzung vom 16.02.2010

Ich erteile jetzt dem Kollegen Herzog von der Fraktion DIE LINKE das Wort.

(Beifall bei der LINKEN - Hans- Christian Biallas [CDU]: Der hat doch noch gar nichts gesagt, Mensch! - Weitere Zurufe von der CDU)

Das ist doch nicht so schlimm. Das ist doch ganz nett. Oder nicht?

(Heinz Rolfes [CDU]: Das haben Sie doch gar nicht nötig!)

- Aber verdient, finde ich.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die drei Gesetze, die wir heute zum Naturschutzrecht, zur Umweltverträglichkeitsprüfung und zum Wasserrecht beraten, sind mit heißester Nadel gestrickt, weisen diverse handwerkliche Fehler auf und drehen die Uhren um Jahre zurück.

(Beifall bei der LINKEN)

Ohne Not wickeln Sie von CDU und FDP dieses Verfahren in Niedersachsen - anders als dies in etlichen anderen Bundesländern geschieht - hektisch ab, um bis zum 1. März alle erdenklichen Möglichkeiten zu nutzen, das schon nicht gerade überzeugende Bundesgesetz noch zu unterlaufen. Dieses Hau-Ruck-Vorgehen trägt eindeutig die Handschrift des zuständigen Ressortchefs: absägen und fertig. Flurschäden - egal. - Da müssen später wieder die Gerichte ran, so wie heute das Verwaltungsgericht, das den Minister bezüglich der Umweltzone gestoppt hat.

(Beifall bei der LINKEN - Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Hört, hört!)

Viele Verbände kritisierten dementsprechend völlig zu Recht die viel zu kurze Beratungsfrist scharf. Ja, es fiel sogar der Begriff „Kampfansage“. Warum immer wieder, wie schon bei der BingoStiftung, dieses Überrumpeln, Herr Umweltminister? Warum immer wieder der Versuch, diejenigen auszugrenzen, die die viele ehrenamtliche Arbeit machen?

(Unruhe)

Herr Kollege Herzog, ich darf Sie kurz unterbrechen. - Fahren Sie jetzt bitte fort!

Diese Menschen sorgen im Bereich Naturschutz für mindestens 90 % der notwendigen Zahlen und Basisinformationen. Ohne die wären Ihre Behörden schlichtweg arbeitsunfähig.

(Beifall bei der LINKEN)

Diese Menschen muss man pflegen. Man muss ihnen nicht die Mitsprache nehmen; denn das sind die Praktiker mit dem örtlichen Know-how. 2 000 von ihnen geben in Niedersachsen Stellungnahmen ab. Und die wollten Sie düpieren. Oder war das Ganze wohldurchdachtes Kalkül, um dann mit dosiertem Nachgeben in letzter Minute all die anderen Kröten schluckreif zu machen? Oder haben

Sie vielleicht noch nicht begriffen, welch ein Wust von Klagen auf Sie zukommen könnte?

Meine Damen und Herren, die Bundesgesetzgebung ist schon nicht ausreichend. Der Abfall der Biodiversität, was ja deutlich mehr bedeutet als Artenschutz, ist so nicht aufzuhalten. Dies könnten niedersächsische Gesetze heilen. Das tun Ihre Entwürfe aber gerade nicht. Sie wollen genau das Gegenteil. Sie verhalten sich so, als ob es den Scheiterhaufen von Kopenhagen nicht gegeben hätte.

(Beifall bei der LINKEN)

Kein verbindliches Landschaftsprogramm für Niedersachsen bedeutet regieren ohne Regierungsprogramm. Das bedeutet, länderübergreifende Funktionszusammenhänge zu ignorieren. Das bedeutet, Biotopverbünde dem Zufall zu überlassen und eine dauerhafte umweltgerechte Landschaftsentwicklung als wichtigen Standortfaktor völlig zu unterschätzen mit fatalen Folgen. Eine verbindliche Landschaftsplanung auf Gemeindeebene würde im Gegensatz zu Ihren Planungen eine ganzheitliche Sicht und Herangehensweise schärfen. Klimaschutz braucht einen fachgerechten, engagierten und verlässlichen Rahmen sowie eine flächendeckende Verbindlichkeit statt Konjunktiv-, Ausnahme- und Kannbestimmungen.

(Beifall bei der LINKEN)

Bei den geschützten Landschaftsbestandteilen fallen in Zukunft erhebliche Flächenteile und wichtige Biotoptypen völlig weg, diametral zur Biodiversitätsstrategie in Ihren Sonntagsreden, Herr Minister. Wer schließlich die bewährte Arbeit der Naturschutzbeauftragten zu unverbindlichen Kannbestimmungen degradiert, der hat den Schuss einfach nicht gehört.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie sind es doch, die den heißen Draht zu den Jägern haben, die nicht selten fachlich kompetente Schiedsleute sind, damit der Naturschutz eben weniger ordnungspolitisch daherkommen muss. Ich sehe schon, wie die Naturschutzbeauftragten von Minister Schünemanns Kommunalaufsicht meinem defizitären Landkreis im nächsten Zielvereinbarungsdekret als freiwillige Aufgabe heraussaniert werden.

Meine Damen und Herren, kaum ein anderes Bundesland hat so viele Probleme mit den Belastungen von Grund- und Oberflächenwasser durch Nährstoffeinträge wie Niedersachsen. Gerade des

halb muss doch die Trinkwasserversorgung mit Priorität ins Gesetz geschrieben werden. Stattdessen aber will diese Landesregierung, dass nur noch eine Hand voll von Gewässern mit Vorschriften zum Gewässerrandstreifen erfasst werden. Gerade Randstreifen aber sind ökologisch so besonders wertvoll, sowohl für die Trinkwasserversorgung als auch durch ein viel Hundertfaches an Artenvielfalt und durch höhere Biotopvernetzungsfunktionen. 80 % der Gewässergesamtstrecke sind Gewässer dritter Ordnung. Sie bilden später den größeren Fluss. Wasserchemie und Lebenswelt sind von ihnen entscheidend vorgeprägt. Deshalb sind Schutzstreifen dort noch wichtiger als bei Gewässern höherer Ordnung.

(Beifall bei der LINKEN)

Bei der Unterhaltung der Gewässer geht es um viel mehr als um Ihre oberste Priorität eines schnellen Wasserabflusses und der Schiffbarkeit. Darunter leiden dann nämlich Selbstreinigungskräfte, Struktur und Artenvielfalt. Bei CDU und FDP aber bestimmen immer die Ausnahmen die Regeln eines fachgerechten Natur- und Wasserschutzes.

Weiterhin fehlt im neuen Gesetz komplett eine ökologische Anreizstrategie durch gestaffelte Verbandsbeiträge. In anderen Bundesländern wie z. B. in Hessen werden Beiträge abgesenkt, ist die Wasserdienstleistung im Gesetz verankert. Wer nur 40 % der Wasserentnahmegebühr sachgerecht verwendet, während mit den verbleibenden 60 % der Haushalt entlastet wird, wer wärmeableitende Großindustrie indirekt subventioniert, der betreibt eben keine Schutzpolitik, wie es in den Überschriften der Gesetze steht, sondern eine ungerechte Gebührenpolitik, eine unzeitgemäße Klientelpolitik und eben keinen Klimaschutz.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Kaputt- machpolitik!)

Meine Damen und Herren, was diesen Gesetzen völlig fehlt, ist eine eindeutige Einbeziehung und Benennung des Klimaschutzes. Ebenso bleibt eine Gesetzesfolgenabschätzung unterbelichtet, geschuldet einer Hektik, mit der Sie nicht nur handwerkliche Fehler einbauen, sondern auch den vielbeschworenen Dialog mit den Tausenden von ehrenamtlichen Fachleuten zur Farce werden lassen.

Meine Damen und Herren von Regierungsbank und Regierungsfraktionen: Ziehen Sie deshalb Ihre untauglichen Entwürfe zurück!

(Beifall bei der LINKEN)

Eröffnen Sie einem geordneten dialogbetonten Verfahren auf Augenhöhe die Möglichkeit, mit echtem Natur- und Wasserschutz Niedersachsens Beitrag zum so dringend benötigten Klimaschutz zu leisten. Würden Sie heute - Fastnacht - nicht das beschließen, was Sie hier vorlegen, hätten Sie morgen auch den Kater vermieden.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Ich erteile dem Kollegen Wenzel, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, das Wort. Restredezeit: 4:18 Minuten.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Beratungsgalopp, den wir hier erlebt haben, ist ein Trauerspiel für dieses Haus.

(David McAllister [CDU]: Quatsch!)

Diese Turboberatung, Herr McAllister, ist letztlich auch ein Schlag gegen die Selbstachtung des Parlaments beim Erlassen von Gesetzen.

Meine Damen und Herren, man hat den Eindruck, dass sich die Mehrheit in diesem Hause ihrer Gesetzentwürfe am Ende schämt.

(Björn Thümler [CDU]: Was?)

Warum sonst hätte man jetzt auch noch die Redezeit so stark verkürzen müssen und das Ganze unter einem gemeinsamen Tagesordnungspunkt abhandeln müssen?

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Björn Thümler [CDU]: So ein Unfug!)

Meine Damen und Herren, das Wassergesetz ist ein Rückfall in die 60er-Jahre. Der Vorrang gilt künftig, bezogen auf die Unterhaltung, allein dem Wasserabfluss.

(Karl-Heinrich Langspecht [CDU]: Aber nicht allein!)

- Die Schiffbarkeit hatten Sie auch noch erwähnt, Herr Langspecht; das ist richtig. - Das ist aber durch nichts zu begründen. Auch wenn Sie jetzt beteuern, dass Sie keinen Rückfall in Betonröhren und Kanäle wollen, ist das doch ein Anachronismus, den Sie selber gar nicht begründen können.

Ähnliches gilt in Bezug auf die Randstreifen. Die Abweichung bei den Randstreifen verschlechtert

den Schutz von Bächen und Flüssen in Niedersachsen und führt in der Tendenz zu höheren Trinkwasseraufbereitungskosten. Das haben Ihnen die Kommunen ganz deutlich gesagt.

Auch Ihre Beteuerung, das Düngemittelgesetz und untergesetzliche Regelungen würden schon verhindern, dass der Dünger oder die Pflanzenschutzmittel bis an den Bach gestreut werden, wird durch den Herrn Wirtschaftsminister konterkariert, der in Stade in diesen Tagen erklärte, das neue Wassergesetz würde den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln an den Gräben weiter erlauben und nicht die entsprechenden Abstandsregelungen aus dem Bundesgesetz übernehmen. - Peinlich hoch drei, was dieser Wirtschaftsminister hier von sich gibt!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Damit konterkariert er das Gerede seiner Kollegen im Ausschuss und macht deutlich, dass er offensichtlich keine Kenntnis über die entsprechenden untergesetzlichen Vorschriften hat.

Meine Damen und Herren, außerdem verbürokratisieren die zusätzlichen Entschädigungsregelungen, die Sie eingebaut haben, den Umgang mit diesen Gesetzen.