Protokoll der Sitzung vom 18.02.2010

Meine Damen und Herren, nun könnte ja alles so schön sein, aber Ende Juli 2009 wurden Pläne bekannt, den nicht mehr benötigten Militärflughafen im niederländischen Enschede in der Region Twente zu einem zivilen Verkehrsflughafen auszubauen. Hinter dem Konzept steht ein Zusammenschluss der Stadt Enschede, der Provinz Overijssel und der Regierung in Den Haag. Gutachterliche Untersuchungen haben angeblich ein Potenzial von jährlich 75 Millionen Euro Gewinn errechnet. Allerdings werden diese Prognosen inzwischen auch von niederländischen Experten als viel zu optimistisch infrage gestellt.

Twente liegt nur 50 km Luftlinie vom FMO entfernt, und für zwei Verkehrsflughäfen in 50 km Entfernung und damit mit nahezu identischen Einzugsbereichen ist das Potenzial einfach nicht vorhanden. Es gäbe ein unsinniges Nebeneinander zweier wirtschaftlich nicht lebensfähiger Standorte mit einem ruinösen Wettbewerb beim Verbrennen öffentlicher Gelder.

Dabei sind unsere niederländischen Freunde in Twente durch den FMO schon heute gut an das europäische Flugnetz angebunden. Schon heute sind mehr als 10 % der Passagiere Niederländer. Defizite in der flugmäßigen Erschließung der Region sind also nicht zu erkennen.

Ziel unseres Antrags ist es, ein abgestimmtes Verhalten der Länder Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen und des Bundes herbeizuführen, um mit den niederländischen Stellen zu verhandeln.

Meine Damen und Herren, zunächst ist es natürlich richtig, für den ehemaligen Militärflughafen eine wirtschaftlich tragbare Folgenutzung zu suchen und damit der Region Hengelo-OldenzaalEnschede neue Entwicklungsimpulse zu geben. Selbstverständlich liegt die letzte Entscheidung allein bei den zuständigen niederländischen Stellen.

Allerdings gibt es auch in den Niederlanden keine einhellige Zustimmung zum zivilen Flughafenumbau so nahe am Flughafen Münster/Osnabrück. So hat der Rat der Stadt Enschede dafür gestimmt, während der Rat der Grenzstadt Oldenzaal die Pläne ablehnt. Im Dezember letzten Jahres wurde dann der Ausbau vom Provinzparlament Overijssel wiederum abgelehnt. Doch sollten wir uns nicht

täuschen. Damit ist das Thema noch lange nicht vom Tisch. Wir haben nur etwas Zeit gewonnen.

Meine Damen und Herren, manche Leute behaupten, sie kennen die Holländer. Sie meinen, die Holländer stimmen so lange ab, bis sie das gewünschte Ergebnis bekommen. Und tatsächlich gab es im Parlament Overijssel in der letzten Woche eine neue Abstimmung. Anstatt die Pläne nun endgültig zu begraben, haben die Abgeordneten beschlossen, eine weitere Machbarkeitsstudie in Auftrag zu geben. Das Thema wird also in den Niederlanden weiter vorangetrieben.

Das heißt für uns: Wir müssen handeln und verhandeln, wenn wir eine unsinnige Schwächung des FMO noch abwenden wollen. Das auch von Ministerpräsident Wulff ins Spiel gebrachte Angebot einer größeren Gesellschafterbeteiligung am FMO könnte für die Niederländer ebenso attraktiv sein wie eine bessere Verkehrsanbindung in die holländische Grenzregion. Dieser Ansatz würde auch dem Gedanken der EUREGIO entsprechen, nämlich grenzüberschreitend zu denken und zu handeln. Im Übrigen wird zur besseren Erreichbarkeit des FMO zurzeit ein eigener Autobahnzubringer fertiggestellt. Außerdem gibt es Signale aus den Niederlanden mit dem Wunsch nach einer Bahnanbindung des FMO.

Meine Damen und Herren, anders als in der Bundesrepublik Deutschland sind die Niederlande zentralistisch ausgerichtet. Die letzte Entscheidung wird also immer von der Regierung in Den Haag getroffen. Deshalb bitten wir nun die Landesregierung, in einer konzertierten Aktion gemeinsam mit der nordrhein-westfälischen Landesregierung und der Bundesregierung bei den niederländischen Nachbarn auszuloten, ob es doch noch eine für alle verträgliche Nachnutzung des Militärflughafens geben kann. Aus diesem Grund war ich in der letzten Woche bei Bundesverkehrsminister Ramsauer und habe ihn um Unterstützung gebeten. Minister Ramsauer hat am Freitag der vergangenen Woche die umstrittenen Ausbaupläne bei einem EU-Treffen in Spanien mit seinem niederländischen Amtskollegen Eurlings besprochen - ebenfalls mit dem Ziel, einen für Twente und den FMO verträglichen, wirtschaftlich gangbaren Weg auszuloten. Erreicht hat er allerdings nur die Zusage zu einer weiteren Umweltverträglichkeitsprüfung. Deshalb muss die Landesregierung noch einmal nachlegen. Wir wissen: Die Niederländer sind allergisch gegen Belehrungen von ihrem großen Nachbarn. Sie sind aber ebenso gute Kaufleute und ganz

schnell dabei, wenn es um wirtschaftlich überzeugende Alternativprojekte geht.

Meine Damen und Herren, in der grenzüberschreitenden EUREGIO-Region leben fast 3,5 Millionen Menschen. Sie brauchen weiterhin eine gute Verkehrsinfrastruktur mit einem starken internationalen Flughafen Münster/Osnabrück. Lassen Sie uns deshalb weiter daran arbeiten und dafür werben, dass der FMO auch zukünftig auf beiden Seiten der Grenze als wichtiger, unverzichtbarer gemeinsamer Standortfaktor angesehen und akzeptiert wird

(Glocke des Präsidenten)

- letzter Satz - und unsere holländischen Freunde für den ehemaligen Militärflughafen Twente eine bessere, nachhaltig wirtschaftliche Nutzung finden werden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, jetzt erteile ich Herrn Hagenah von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Kritik am Flughafen Twente ist berechtigt und wird von uns Grünen geteilt - aber entgegen den Zielen Ihres Antrages nicht, um damit den Flughafenausbau in Münster/Osnabrück weiter zu legitimieren. Wir werden die Beschlussempfehlung deswegen ablehnen.

(Zustimmung von Filiz Polat [GRÜNE] - Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: Was!)

Keiner der beiden Flughäfen kann allein - und erst recht nicht konkurrierend - das von seinen jeweiligen Befürwortern prognostizierte Wachstum entfalten. Deshalb sollten Sie sich die Argumentation Ihres Antrages gegen den Ausbau in Twente selbst zu Herzen nehmen, Kollege Hoppenbrock.

Nach Angaben der Flughafengesellschaft Münster/Osnabrück ist dort inzwischen ein Schuldenberg in Höhe von 100 Millionen Euro angehäuft worden. Grund für den wirtschaftlichen Sinkflug sind die dort nach wie vor stagnierenden Fluggastzahlen. Es gelingt dem Flughafen Münster/Osnabrück eben nicht, das bereits im Jahre 2000 erreichte Niveau von knapp 1,7 Millionen Fluggästen

wieder zu erreichen. In 2008 waren es 1,5 Millionen Fluggäste, in 2009 gab es bei den Zahlen ein steiles Minus von 12 %. Die Infrastruktur des Flughafens ist einmal in Erwartung steigender Fluggastzahlen errichtet worden und deswegen heute zu groß und unwirtschaftlich. Die Perspektive für den Flughafen Münster/Osnabrück lautet deshalb: Konsolidieren und an die stagnierende Nachfrage anpassen anstatt Ausbau der Start- und Landebahn auf 3 000 m oder gar 3 600 m Länge.

(Filiz Polat [GRÜNE]: Genau! - Rein- hold Coenen [CDU]: Thema verfehlt! Darum geht es doch gar nicht! - Ge- genruf von Filiz Polat [GRÜNE]: Na- türlich, Herr Kollege! Worum denn sonst?)

- Doch, darum geht es. Denn man kann die Holländer nur dann davon überzeugen, keine Doppelstrukturen zu errichten, wenn man bei seinem Flughafen nicht nach den Sternen greift und keine Doppelstrukturen errichtet.

(Reinhold Coenen [CDU]: Sie sehen das falsch!)

- Das sehe ich, glaube ich, ganz richtig. Denn bei dem Thema Münster/Osnabrück kommt es sehr auf Glaubwürdigkeit an, wenn man die Holländer zum Einhalten bewegen will. Und das wollen wir ja.

(Zustimmung von Filiz Polat [GRÜNE])

Alle Begründungen für den Sprung zum Intercontinentalflughafen haben sich als falsch herausgestellt. Die Erwartungen von stetig steigenden Fluggastzahlen und zunehmenden touristischen Verkehren nach Übersee haben sich mit der Wirtschaftskrise erst einmal erledigt. Diese werden bei absehbar steigenden Spritpreisen und Abgaben sowie strengeren Klimaschutzvorgaben auch in Zukunft an so einem Standort kaum zu erwarten sein. Die wirtschaftliche Kraft und Attraktivität der internationalen Drehkreuze Frankfurt, Amsterdam und Paris binden die Liniengesellschaften. Deswegen ist von ihnen kein zusätzlicher Verkehr zu erwarten. Slots auf dem Flughafen Münster/Osnabrück oder von anderen Regionalanbietern werden von Lufthansa & Co. inzwischen ausdrücklich als geschäftsschädigend kritisiert. Das muss man im Blick haben, wenn man weiter für eine Startbahnverlängerung eintritt und sie später auch finanzieren muss.

Die Ambitionen von Air Berlin, das Intercontinentalgeschäft auf dem Flughafen Münster/Osnabrück dauerhaft auszubauen, haben sich zerschlagen.

Billigflieger bescheren dem Flughafen ohnehin mehr Verluste als Einnahmen, wie man am Beispiel des Flughafens Dortmund eindrucksvoll sehen kann. Dieser Weg wäre für Münster/Osnabrück deswegen schnell ruinös, also ein schlechtes Geschäft.

(Zustimmung von Filiz Polat [GRÜNE] - Gabriela König [FDP]: Da unter- scheidet sich der FMO von Dort- mund!)

Fazit: Die Investition für den Ausbau der Start- und Landebahn des Flughafens Münster/Osnabrück ist verkehrsplanerisch falsch.

(Reinhold Coenen [CDU]: Darum geht es doch gar nicht!)

Es macht keinen Sinn, alle 70 km einen Regionalflughafen zu haben, der größer werden will

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

und mit anderen um knappe öffentliche Mittel konkurriert. Regionale Kooperation statt Konkurrenz muss das Motto sein. Das wäre der richtige Weg. Dabei stehen wir voll hinter Ihnen. Deswegen sind wir gegen einen Ausbau in Twente.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN - Reinhold Coenen [CDU]: Dann könnt ihr doch zustimmen!)

Meine Damen und Herren, für die SPD-Fraktion hat sich Herr Will zu Wort gemeldet. Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Hagenah, vielleicht zwei Argumente zur Entwicklung der Fluggastzahlen: Nicht nur beim FMO, sondern bei vielen Flughäfen gab es zwischendurch einen Knick bei den Fluggastzahlen. Das hat aber auch besondere Gründe. Die Fluggastzahlen sind lediglich eine Momentaufnahme. Die werden sich auch wieder ändern; davon sind wir überzeugt. Wenn wir dieser Argumentation folgen wollten, dann würden wir doch den Druck für den Ausbau von Twente noch erhöhen. Wenn wir Kapazitäten in Münster zurückfahren oder streichen würden, dann wäre das förmlich eine Einladung für die Niederländer, ihren Flughafen erst recht auszubauen.

(Zustimmung bei der SPD - Zurufe von Filiz Polat [GRÜNE] und von En- no Hagenah [GRÜNE])

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch wenn das Regionalparlament in der niederländischen Region Overijssel vor einigen Wochen mit denkbar knapper Mehrheit - ich glaube, es war eine Stimme - die zivile Umnutzung des ehemaligen Militärflughafens in Enschede abgelehnt hat, so war das eben nur ein Zwischenbescheid. Inzwischen hat sich das Regionalparlament in Enschede für einen kleineren Ausbau des Zivilflughafens ausgesprochen. Danach sollen im Wesentlichen nur noch ca. 1,2 Millionen Fluggäste, eine Verringerung der Lärmzonen und eine engere Zusammenarbeit mit dem Flughafen Münster/Osnabrück angestrebt werden. So ist es jedenfalls in der neuen Beschlusslage festgehalten. Alle Beteiligten sind also gut beraten, weiter an alternativen Konzepten zur zukünftigen Nutzung des Geländes zu arbeiten. Hierbei sind die Überlegungen und Ansätze in der EUREGIO für eine weitere wirtschaftliche Nutzung des Geländes mit der Schaffung neuer Arbeitsplätze entsprechend zu begleiten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Niedersachsen hat für die vorhandenen Flughäfen ein klares Konzept:

Erstens. Der Flughafen Hannover ist die zentrale Drehscheibe sowohl für den Passagierverkehr als auch für Luftfracht in und für Niedersachsen.

Zweitens. Der Flughafen Braunschweig wird als Forschungsflughafen weiter ausgebaut.

Drittens. Der Flughafen Münster/Osnabrück ist ein gemeinsamer Regionalflughafen mit dem Bundesland NRW unter Beteiligung der angrenzenden kommunalen Gebietskörperschaften.

Das ist die Grundlage für ein tragfähiges Luftverkehrskonzept des Landes Niedersachsen. Ganz entscheidend ist hierbei, dass sich die Flughäfen eigenwirtschaftlich, ohne Wettbewerbsverzerrungen durch massive staatliche Einflussnahme und finanzielle Förderung entwickeln. Schon deshalb haben wir in den vergangenen Jahren den staatlicherseits massiv vorangetriebenen Ausbau von Kassel-Calden durch das Bundesland Hessen gemeinsam kritisiert. Massive finanzielle Unterstützung durch die hessische Landesregierung für den Ausbau Kassel-Caldens schafft unnötige zusätzliche Belastungen für die Wohnbevölkerung in Südniedersachsen, ruinösen Wettbewerb um Fluggäs

te und Auslastung der Flughäfen - und das mit öffentlichen Mitteln in Höhe von 151 Millionen Euro, von denen das Land Hessen 119 Millionen Euro trägt. Schon im nächsten Jahr übernimmt Hessen den Verlustausgleich für den Flughafen Kassel-Calden in Höhe von 1,4 Millionen Euro. Das wird sich voraussichtlich Jahr für Jahr so fortsetzen. Genau das wollen wir nicht, meine Damen und Herren!

Am Flughafen Hannover werden derzeit ca. 5,5 Millionen Passagiere jährlich abgefertigt. Er hat aber noch Kapazitäten - weit über 8 Millionen Fluggäste hinaus.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, vergleichbar ist der jetzt beabsichtigte Ausbau des Flughafens Twente im Zuge der Konversion eines bisherigen Militärflugplatzes ca. 50 km vom FMO entfernt. Hier werden nach dem Ausbau 1,2 bis 2,4 Millionen Fluggäste als Ziel anvisiert. Diese Fluggastzahl hat der Flughafen Münster/Osnabrück bereits vor einigen Jahren erreicht. Der Ausbau erfolgt mit eigenen Mitteln der Flughafengesellschaft. Als Regionalflughafen ist der FMO für Westniedersachsen sowohl im Charter- als auch im Linienverkehr wichtig.

Holländische Experten haben den Ausbau des Flughafens Enschede unweit der Grenze zu Niedersachsen zum internationalen Airport selbst kritisiert. Das Vorhaben sei Geldverschwendung. Beide Airports würden sich unnötigerweise gegenseitig im Wege stehen. Ich zitiere aus den Grafschafter Nachrichten: