Protokoll der Sitzung vom 19.02.2010

(David McAllister [CDU]: Eine kluge Erkenntnis! - Hans-Christian Biallas [CDU]: Hört, hört!)

allerdings mit einem kleinen Vorbehalt versehen. In einer Kleinen Anfrage des Abgeordneten Bartling vom 27. Januar fragen wir, wie viele Beamte sich seit 2003 wegen mutmaßlicher Vorteilsannahme disziplinarischer Schritte gegenübersahen und gegebenenfalls auch strafrechtlich belangt worden sind. Uns ist bedeutet worden, die Beantwortung dieser Anfrage könne noch dauern, da es sich um eine hohe Fallzahl handele.

(Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Ach!)

Diese Beamten, meine Damen und Herren, haben alle einen Dienstherrn, der diese Verfahren verantwortet. Nur der Ministerpräsident, der oberste Dienstherr, hat keinen Dienstherrn, der disziplinarrechtlich vorgeht, wenn ein Fehlverhalten vorliegt. Gerade deshalb darf er nicht ungeschoren davonkommen, meine Damen und Herren.

(Lebhafter Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Die Beamten des Landes und die Öffentlichkeit können erwarten, dass die Verstöße des Ministerpräsidenten nicht folgenlos bleiben. Gleiches Recht für alle! Dieser Grundsatz kann im Einzelfall selbst durch professionelles Krisenmanagement, Kommunikationstalent, Geldzahlung und demonstrative Selbstkritik nicht ausgehebelt werden, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Wir sind gespannt zu erfahren, wie die Landesregierung damit umgeht, wenn sich herausstellen sollte, dass in Hunderten von Fällen Mitarbeiter disziplinar- und strafrechtlich belangt worden sind, obwohl sie nur einen Bruchteil von 3 056 Euro angenommen haben.

Wir beantragen sofortige Abstimmung und gehen davon aus, dass aufgrund der eindeutigen Sachlage ein einstimmiges Votum erfolgt,

(Lachen bei der CDU und bei der FDP)

würden eine Enthaltung des Ministerpräsidenten allerdings nachempfinden können.

Herzlichen Dank.

(Starker, lang anhaltender Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Kreszentia Flauger [LINKE]: Komisch ist das nicht, Herr McAllister!)

Ich erteile dem Kollegen Adler von der Fraktion DIE LINKE das Wort.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Ministerpräsident hat einen Verstoß gegen das Ministergesetz gestanden. Schauen wir uns das Geständnis näher an. Er hat gesagt:

„Das Ergebnis der Prüfungen, das ich teile, ist, dass ich objektiv von einem Verstoß gegen das Ministergesetz ausgehen muss. Ich denke, das ist, objektiv gesehen, ein Verstoß gegen das Ministergesetz.“

Ich bin der Meinung, was er gemacht hat, ist nicht nur objektiv ein Verstoß gegen das Ministergesetz,

sondern auch subjektiv. Deshalb will ich Ihnen dazu etwas sagen.

In seiner Parlamentsrede vor einem Monat hat er gesagt, dass Herr Hunold ihm das Upgrade vorgeschlagen hatte. Sein Büro hat dann anderthalb Wochen vor dem Abflugtermin mit dem Büro der Geschäftsleitung telefoniert. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Büro von sich aus telefoniert hat, wenn der Ministerpräsident vorher das Upgrade besprochen hatte, sondern das geschah natürlich auf Veranlassung.

Am 11. Dezember haben Herr Wulff und seine Ehefrau Herrn Hunold getroffen. Dazu folgendes Zitat von Herrn Wulff:

„Bei dieser Gelegenheit habe ich Herrn Hunold verdeutlicht, dass ein Upgrade für mich nur infrage käme, wenn tatsächlich unbesetzte Plätze vorhanden seien und so der Fluggesellschaft kein Nachteil entstünde.“

Ich frage mich: Was hat er eigentlich für ein Problembewusstsein? Hat er wirklich gedacht, dass jemand, der einen Platz in der Businessclass bereits gebucht und bezahlt hatte, möglicherweise seinen Platz räumen müsste, damit der Ministerpräsident dort Platz nehmen kann? Was soll diese Feststellung denn für einen Sinn haben? - Es ist doch eine Selbstverständlichkeit, dass ein Upgrade nur vorgenommen werden kann, wenn noch ein Platz frei ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Allein diese Überlegung zeigt doch, dass ihm voll und ganz bewusst war - insofern liegt auch subjektiv ein Verstoß vor -, dass es hier um ein Upgrade geht, da er für sich und seine Familie nur Plätze in der Economyclass bezahlt hatte.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich will Ihnen einmal vorhalten, was bei früheren Verstößen der Regierungsfraktionen, die damals in der Opposition waren, zu derartigen Vorgängen gesagt worden ist. Ich zitiere hier einmal den jetzigen Justizminister und damaligen Oppositionspolitiker Herrn Busemann aus der Debatte vom 7. März 1996:

„Aber politische Amtsträger unterliegen nun einmal anderen und strengeren Regeln als maßgebliche Herren aus der Wirtschaft. Sie müssen selbst den bösen Schein meiden. So sie sich aufwendig entspannen möchten, was

ihnen gern gegönnt sei, sollen sie ihre Logenplätze und Flugreisen gefälligst aus eigener Tasche bezahlen …“

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Nun noch ein Zitat aus der gleichen Debatte, das sehr aktuell ist. Herr Busemann zitierte den Journalisten Schwarz aus der Welt und machte sich dessen Auffassung zu eigen. Es heißt dort:

„Die tiefere Bedeutung dieses an und für sich ridikülen Vorgangs besteht eben darin, dass hervorgehobene Amtsträger unserer politischen Klasse gewisse elementare Gebote immer noch nicht begriffen haben, die nun einmal mit hohen Staatsämtern verbunden sind. Diese Insensibilität ist in Perioden wirtschaftlicher Bedrängnis und Unsicherheit ganz besonders befremdlich.“

Im Protokoll wurde damals starker, anhaltender Beifall bei der CDU und bei den Grünen verzeichnet.

Man muss sich einmal vor Augen führen, was damals Anlass für diese Debatte war. Es ging um den 18. Parlamentarischen Untersuchungsausschuss, der wegen verschiedener Verstöße von Herrn Glogowski gegen die Norm, über die wir hier sprechen, beantragt wurde. Übrigens wurde dieser Parlamentarische Untersuchungsausschuss erst tätig, nachdem Herr Glogowski bereits von seinem Amt zurückgetreten war. Es war also sozusagen eine Form des kollektiven Nachtretens.

Welches waren die Verstöße, um die es damals ging?

Erstens. Herr Glogowski hatte mit seiner Ehefrau eine Flugreise nach Kairo zum Besuch der Oper „Aida“ am Fuße der Pyramiden gebucht. Das war am 12. Oktober 1999. Die Kosten hatte TUI zunächst nicht in Rechnung gestellt. Erst am 22. November 1999 wurde auf Wunsch von Herrn Glogowski nachträglich eine Rechnung ausgestellt.

Zweitens. Am 11. Dezember gab es eine Geburtstagsfeier von Herrn Glogowski mit Getränken und Häppchen. Die Häppchen waren ordnungsgemäß bezahlt worden, die Getränke jedoch von der Gilde Brauerei, was damals ein Stein des Anstoßes war.

Drittens. Für eine Hochzeitsreise zum Robinson Club nach Ägypten hatte Glogowski zwar die Rechnung bezahlt, aber erst nach zwei Monaten, nachdem ein Journalist darauf hingewiesen hatte.

Viertens. Bei einer Hochzeitsfreier im Altstadtrathaus Braunschweig hatte für Glogowski damals ein Kaufmann namens Richard Hartwig die Getränke bezahlt.

Diese Verstöße, die Herr Glogowski begangen hat, sind natürlich völlig zu Recht kritisiert worden. Es ist interessant zu wissen, welche Personen von der CDU damals als Akteure in dem erwähnten Parlamentarischen Untersuchungsausschuss benannt wurden. Die Namen sind uns alle vertraut. Vertreter der CDU im damaligen 18. PUA waren Herr Busemann, Herr Möllring und Herr Schünemann. Die Stellvertreter waren Herr Althusmann, Herr McAllister und Herr Stratmann.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Die ganze erste Riege!)

Die ganze Riege war also dabei.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Ohne PUA wird man nicht Minister!)

Mit anderen Worten: Diese Vorgänge, die sich auf einen Ministerpräsidenten bezogen, der schon zurückgetreten war, waren im Bewusstsein der führenden Vertreter der CDU sehr hoch aufgehängt. Der Ministerpräsident Wulff war damals derjenige, der den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss selbst beantragt hatte. Vor diesem Hintergrund muss man, wie ich glaube, sein Verhalten beurteilen.

Eines ist doch klar: Der Verstoß gegen die Norm im Ministergesetz und der Verstoß gegen die tatbestandsmäßig gleich ausgestattete Norm im Beamtenstatusgesetz haben eigentlich den gleichen Rang. Wenn ein einzelner Beamter disziplinarrechtlich verfolgt wird, dann dürfte, wie ich meine, dem Ministerpräsidenten nichts anderes passieren. Da es aber nicht möglich ist, den Ministerpräsidenten in einem Disziplinarverfahren zu belangen - er ist sozusagen sein eigener Chef in dieser Sache -, ist die Missbilligung durch den Landtag das Mindeste, was an dieser Stelle ausgesprochen werden muss.

(Starker Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Liebe Vertreter von CDU und FDP in diesem Landtag, wenn Sie dabei nicht mitmachen, werden Sie

den Eindruck in der Bevölkerung nie loswerden können, dass Sie mit zweierlei Maß messen.

(Starker Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich erteile dem Kollegen Wenzel von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst gehe ich davon aus, dass wir uns mit den Fraktionen von CDU und FDP hier im Hause zumindest in einem Punkt einig sind, nämlich dass der Bruch des Ministergesetzes kein Kavaliersdelikt ist, weder für einen Minister noch für einen Ministerpräsidenten.