Protokoll der Sitzung vom 16.03.2010

- so Peter Hurrelbrink -

„der Deutschen wurde der 8. Mai nicht als Befreiung erfahren; denn diese Lesart hat zur Voraussetzung, ein Gespür für die Wende zum politisch Besseren zu haben. Mit einem Opferselbstbild oder einem apolitischstatischen Verhältnis zum neuen politischen System ließ sich dieses Gespür nicht entwickeln. Um die Ankunft in der Demokratie als Wende zum Besseren zu begreifen, musste der Abschied von der Diktatur und dem eigenen Verhalten in ihr zu einem reflektierten Prozess bewusster Erinnerung werden.“

So Peter Hurrelbrink.

Anders, als in Ihrem Antrag dargestellt, findet diese Erinnerungsarbeit in unserem Bundesland statt. An vielen Orten finden rund um das historische Datum des 8. Mai auch in diesem Jahr Gedenkveranstaltungen statt. In der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung hat es fast eine gesamte Seite gefüllt. In den Schulen findet eine kontinuierliche Auseinandersetzung mit dem Thema statt. Es werden die Schicksale der Opfer erzählt, und es wird über die Täter und ihre Ursachen aufgeklärt.

Ich möchte an dieser Stelle den Lehrerinnen und Lehrern danken, die in den Schulen diese kritische Auseinandersetzung über die deutsche Geschichte begleiten.

(Beifall bei der CDU)

Ihr Antrag greift zu kurz, wenn Sie nun darstellen, das Merkmal angemessener Auseinandersetzung

sei eine zentrale Gedenkveranstaltung am 8. Mai 2010. Richtig ist, die Erinnerung an das Geschehene überall wachzuhalten und die Gefühle der Menschen in angemessener Form zu würdigen. Eine Erinnerungskultur lebt eben davon, dass sie erlebbar ist und unterschiedliche Formen der Ansprache an die unterschiedlichen Generationen bietet.

Ich möchte, Frau Seeler, an der Stelle Wolfgang Thierse, den damaligen Bundestagspräsidenten, zitieren. Er führte am 8. Mai 2005 aus, die wichtigste Konsequenz aus jenem Tag sei Deutschlands Verpflichtung an das Grundgesetz und die dauerhafte europäische Einbettung. Ich glaube, das sind auch die Vermächtnisse für die Zukunft.

Wenn man alle Reden der Bundespräsidenten zu diesem historischen Datum liest, dann, denke ich, wird deutlich, dass ein Beschluss des Landtages über die historische Bewertung und ihre Konsequenzen daraus, zumal in der vorliegenden sehr verkürzten und, was die Bewertung angeht, sicherlich auch strittigen Form, sehr schwierig ist. Wir werden daher Ihrem Antrag nicht folgen und ihn ablehnen.

Danke schön.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Frau Ministerin Heister-Neumann hat sich zu Wort gemeldet. Bitte sehr!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der 8. Mai steht für die Beendigung des Zweiten Weltkriegs. Der 8. Mai steht auch für das Ende nationalsozialistischer Gewaltherrschaft und Verfolgung sowie menschenverachtenden Irrglaubens. Millionen von Menschen hatten bereits bis zu diesem Tag durch Krieg und Verfolgung ihr Leben verloren. Für viele Menschen endete an diesem Tag unvorstellbares Leiden. Zur Geschichte gehört jedoch auch, dass sich nach dem 8. Mai für viele das Leiden fortsetzte. Ich denke dabei an die zerstörten Städte, an die Entbehrungen der Bevölkerung, an die Leistungen der Trümmerfrauen, an die vielen traumatisierten Menschen, an die Vertriebenen, die ihre Heimat verloren haben. Zur Geschichte gehört auch, dass mit der Aufteilung Deutschlands unter den Siegermächten und der Abschottung der sowjetischen Besatzungszone für einen Teil Deutschlands ein

neuer, diesmal sozialistischer Irrweg begann, der durch Mauern und Stacheldraht geschützt werden musste. An sein Ende haben wir am 9. November 2009 gern zurückgedacht. Auch dies gehört zur historischen Wahrheit.

(Zustimmung bei der CDU und von Christian Dürr [FDP])

Meine Damen und Herren, der Geschichtsunterricht in unseren Schulen erfolgt kontinuierlich und nicht aus Anlass eines einzigen geschichtsträchtigen Tages. Er wird von qualifizierten Lehrkräften erteilt, die auf der Grundlage einer wissenschaftlichen Ausbildung und unserer schulgesetzlichen Regelungen unterrichten. Bei der Behandlung der Geschichte des Nationalsozialismus und der Nachkriegszeit bis hin zur Wiedervereinigung sind unsere Schulen sehr gut aufgestellt.

(Beifall bei der CDU)

Unsere Kerncurricula sehen die Behandlung sowohl der NS- als auch der SED-Diktatur vor. Natürlich wird dabei auch das Kriegsende behandelt und gewürdigt, und zwar auch unter Einbeziehung von Zeitzeugen. Wir vermitteln unseren Schülerinnen und Schülern dabei eine grundlegende Orientierung in den historischen Bedingungsfeldern Zeit und Raum, indem sie erfahren, was Menschen getan, was sie erlebt und was sie erlitten haben. So sollen sie zu einem reflektierten Geschichtsbewusstsein gelangen. Dieses Verständnis von Geschichtsunterricht verbietet Maßnahmen und Vorgaben des Landes, wie Geschichte zu interpretieren und zu bewerten sei. Dieses Vorgehen mag in Diktaturen Maxime sein.

(Zurufe von der LINKEN)

Mit mir gibt es das in Niedersachsen nicht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, Sie verbinden mit der Würdigung des 8. Mai 1945 die Einrichtung einer Landeszentrale für politische Bildung, obwohl auch Sie die Entscheidung dieses Hauses zu diesem Thema kennen.

Frau Ministerin, lassen Sie eine Zwischenfrage von Herrn Adler zu?

Ich würde gerne zu Ende führen. - Ich finde, Sie sollten den 8. Mai 1945 nicht instrumentalisieren. Es hätte Ihrem Antrag gut zu Gesicht gestanden,

sich auf das Erinnern und Gedenken der Ereignisse zu beschränken, für die dieses Datum steht und für das Sie meine volle Unterstützung haben. Sie haben es nicht getan, und Sie haben nach meiner festen Überzeugung damit eine Riesenchance vertan.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Adler bittet um zusätzliche Redezeit nach § 71 Abs. 3. Herr Adler, ich erteile Ihnen das Wort für anderthalb Minuten.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Ministerin, mich hat ein bisschen erschrocken, was Sie eben gesagt haben. Sie meinen, eine besondere Hervorhebung und Würdigung des 8. Mai wäre ein Zeichen, das man sonst nur von Diktaturen kennte. So ähnlich habe ich Sie verstanden. Da frage ich Sie: Würden Sie über die besondere Begehung dieses Tages in Frankreich, in Großbritannien, in den USA und in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion auch so urteilen? - Ich denke, auch diese Länder haben guten Grund, über diesen Tag in besonders herausgehobener Weise nachzudenken und diesen Tag würdig zu gestalten.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Ministerin, Sie haben das Wort.

Herr Adler, Sie wollten mich missverstehen; denn das habe ich definitiv nicht gesagt. Darum kann es auch gar nicht gehen. Es geht - ich habe es dargestellt - um das Gedenken im Unterricht, in einem komplexen Zusammenhang. Es geht selbstverständlich auch um die Würdigung dieses Tages. Das hat damit nichts zu tun. Es geht darum, dass wir als Land - ich hoffe, dass andere demokratische Länder das genauso machen; sie machen es auch - nicht vorgeben, wie Geschichte im Unterricht zu interpretieren ist.

(Silva Seeler [SPD]: Das steht nicht in dem Antrag! - Kreszentia Flauger [LINKE]: Erst lesen! - Weitere Zurufe von der LINKEN)

- Ich habe dazu Ausführungen gemacht, und ich bitte Sie, sie zur Kenntnis zu nehmen. Das ist das

Entscheidende: Würdigung ja, aber keine Vorgabe, wie damit im Unterricht umzugehen ist.

(Silva Seeler [SPD]: Das steht da aber doch nicht drin! - Kreszentia Flauger [LINKE]: Das haben wir doch gar nicht gefordert! Lesen Sie den Antrag doch erst einmal!)

Das machen unsere Lehrkräfte aufgrund der Curricula.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt keine weiteren Wortmeldungen zu diesem Tagesordnungspunkt. Insofern sind wir am Ende der Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung.

Die auf Ablehnung lautende Beschlussempfehlung ist die weitestgehende Empfehlung. Wir stimmen daher zunächst über diese ab. Nur falls diese abgelehnt wird, stimmen wir anschließend über den Änderungsantrag ab.

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen und damit den Antrag der Fraktion DIE LINKE in der Drs. 16/2068 ablehnen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Das Erste war die Mehrheit. Der Beschlussempfehlung des Ausschusses ist gefolgt worden.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 10 auf:

Einzige (abschließende) Beratung: Schulpsychologie: Landesregierung muss endlich Konzept vorlegen! - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 16/1510 - Beschlussempfehlung des Kultusausschusses - Drs. 16/2264

Die Beschlussempfehlung lautet auf Ablehnung.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Wir kommen zur Beratung.

Den Antrag einbringen wird Herr Poppe von der Fraktion der SPD. Ich erteile Ihnen das Wort, Herr Poppe.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich beginne mit einer guten Nachricht und zitiere dazu aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom Freitag, dem 12. März 2010. Unter der Überschrift „Landtag beschließt Amok-Präventionsprogramm“ liest man dort:

„Der baden-württembergische Landtag beschloss am Donnerstag“

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