Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Kennzeichnungspflicht stärkt Vertrauen in die Polizei“ - so lautet die Überschrift unseres Antrages. Ich möchte Ihnen dies begründen.
Vertrauen in die Polizei zu stärken, muss unser gemeinsames Ziel sein; denn somit wird das Vertrauen in den demokratischen Rechtsstaat gestärkt. Mit unserem Antrag wollen wir erreichen, dass die Landesregierung unter Beteiligung der Personalvertretung, nämlich des Hauptpersonalrates der Polizei, eine Verwaltungsvorschrift erlässt, welche das Ziel verfolgt, ab dem 1. Januar 2011 alle Polizistinnen und Polizisten des Landes Niedersachsen während ihrer dienstlichen Tätigkeit durch das Tragen eines Namensschildes oder einer Dienstnummer kenntlich zu machen.
Sollte die rechtliche Prüfung ergeben, dass die vorgeschlagene Regelung zur Identifizierbarkeit der Sicherheitskräfte einer gesetzlichen Grundlage bedarf, soll die Landesregierung einen entsprechenden Gesetzentwurf erarbeiten und dem Landtag vorlegen.
Auch wenn eine Kennzeichnungspflicht bislang bei den deutschen Polizeigewerkschaften und einigen Innenministerien auf Ablehnung stößt, ist sie doch in Hamburg oder auch in Holland und künftig auch in Berlin üblich. In Großbritannien und Nordirland tragen Beamtinnen und Beamte mit Polizeibefugnissen Kennnummern. In Spanien haben die Policía Nacional und die Guardia Civil Identifizierungsnummern an der Uniform. In Tschechien ist es ähnlich.
Meine Damen und Herren, am 19. September 2001 wurde vom Ministerkomitee des Europarates ein Europäischer Kodex für Polizeiethik verabschiedet, der eine Selbstverpflichtung aller Mitgliedsstaaten des Europarates darstellt. Zentral sind zwei Regeln im Europäischen Kodex für Polizeiethik:
Erstens. Beamtinnen und Beamte mit Polizeibefugnissen sind auf allen Rangstufen persönlich verantwortlich und rechenschaftspflichtig für ihr eigenes Tun und Unterlassen sowie für ihre Anweisungen an Untergebene.
Zweitens. Beamtinnen und Beamte mit Polizeibefugnissen sind während Einsätzen gewöhnlich in der Lage, sich hinsichtlich ihrer Zugehörigkeit zur Polizei und ihrer amtlichen Identität auszuweisen.
Kommentiert wird das dann wie folgt: Ohne die Möglichkeit, eine Polizistin oder einen Polizisten persönlich zu identifizieren, wird der Begriff der Rechenschaftspflicht aus der Perspektive der Öffentlichkeit sinnentleert. - Das sind klare Worte und ein klares Plädoyer für eine Kennzeichnungspflicht, wie wir sie in diesem Antrag fordern.
Gegenwärtig besteht das Problem, dass es, wenn der Verdacht einer strafbaren Handlung durch Polizeibeamtinnen oder Polizeibeamte vorliegt, aufgrund der Uniform häufig sehr schwierig ist, einzelne Polizistinnen oder Polizisten anzuzeigen. Bei Demonstrationen tragen Polizistinnen und Polizisten Schutzkleidung, teilweise auch Gesichtsmasken, die es den Betroffenen unmöglich machen, einzelne Polizistinnen und Polizisten zu identifizieren. Damit sind Polizistinnen und Polizisten in solchen Fällen praktisch immun gegen Strafverfolgung.
Meine Damen und Herren, ausdrücklich wird mit der vorgeschlagenen Regelung kein Generalverdacht gegen die Polizei ausgesprochen, sondern ein neuer Vertrauenstatbestand geschaffen.
Die Diskussion über die Identifizierbarkeit der Polizeikräfte gibt es gegenwärtig in vielen Bundesländern. So liegt eine entsprechende Initiative derzeit beispielsweise dem schleswig-holsteinischen Landtag vor. In Berlin bekommen die Beamtinnen und Beamten mit neuen, blauen Uniformen zugleich ein Namensschild und Nummernschild, das sichtbar getragen werden muss. Unterstützt wird dieses Vorhaben von Bürgerrechtsgruppen wie z. B. Amnesty International.
Auch in Niedersachsen hat es bei Demonstrationen, z. B. während der Castortransporte, Ereignisse gegeben, die den Eindruck erweckt haben, dass das Tragen von Uniform und Helm eine Strafverfolgung faktisch ausschließt. Das schwächt und beschädigt das Vertrauen in die Polizei und schadet insbesondere der übergroßen Mehrheit der Polizistinnen und Polizisten, die ihre schweren Aufgaben korrekt, verantwortungsbewusst und engagiert erfüllen.
Mit der Umsetzung unserer Initiative wird dem entgegengewirkt. Wir wollen ausdrücklich offenlassen, ob es ein Namensschild oder eine andere individuelle Kennzeichnung, z. B. eine Buchstaben- oder Zahlenkombination, sein soll. Wir haben sehr wohl im Voraus Gespräche beispielsweise mit der GdP geführt, in denen der Einwand geäußert wurde, dass Polizeibeamte durch ein Namensschild Opfer von Racheakten werden könnten. Hier soll mit der Personalvertretung Wahlfreiheit vereinbart werden.
Meine Damen und Herren, ich hoffe auf eine konstruktive Beratung unseres Antrags im Ausschuss, zu der sicherlich eine Expertenanhörung gehören wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, bevor wir in der Tagesordnung fortfahren, möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, dass die Tagesordnungspunkte 31 und 32 nach Absprache zwischen den Fraktionen ohne Aussprache an die Ausschüsse überwiesen werden sollen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Forderung nach einer Kennzeichnungspflicht für unsere Polizei ist nicht neu und wird immer wieder gern in die Diskussion geworfen. Dieses Thema lässt sich sicherlich öffentlichkeitswirksam gut verkaufen, aber es sorgt bei den Polizistinnen und Polizisten und bei deren Familien für große Unruhe.
Um eines gleich zu Beginn der Beratung klarzustellen: Unsere niedersächsische Polizei ist keine anonyme Staatsmacht, sondern eine sehr bürgernahe Polizei, die, wie ich finde, zu Recht hohes Vertrauen genießt und deren Arbeit Anerkennung und Respekt verdient, übrigens auch und vielleicht ganz besonders von diesem Parlament.
Auch deshalb finde ich das durch diesen Antrag deutlich werdende Misstrauen gegenüber unserer Polizei völlig inakzeptabel.
Meine Damen und Herren, das Tragen von Namensschildern ist in Niedersachsen in der Bekleidungsverordnung geregelt und ausdrücklich erwünscht. Damit wird das Tragen von Namensschildern der Polizistin bzw. dem Polizisten freigestellt. In der Regel ist das überhaupt kein Problem und wird, wie Sie alle aus eigenen Erfahrungen wissen, im normalen Dienst gerne wahrgenommen. Es dient der Offenheit, der Transparenz und damit nicht zuletzt auch der Bürgerfreundlichkeit.
Wir müssen allerdings zur Kenntnis nehmen, dass die Polizei auch Einsätze fährt, bei denen sich wegen der besonderen Gefahrensituation eine Kennzeichnung des einzelnen Polizisten zumindest aus unserer Sicht verbietet, weil es eine Fürsorgepflicht des Dienstherrn gibt.
Für mich stellt sich die Frage: Warum dieser Antrag? Was ist in der bisherigen Regelung nicht ausreichend, und warum soll diese Regelung geändert werden? Es ist noch gar nicht so lange her, dass wir im Niedersächsischen Landtag das Thema Kennzeichnungspflicht debattiert haben. Das war 2008/2009 im Zuge der Einbringung des Gesetzentwurfes der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Versammlungsrecht, der sich ja noch im Verfahren befindet. Bereits damals fand das Ansinnen auf eine individuelle Kennzeichnungspflicht keine Mehrheit. Zum neuen Versammlungsrecht wird am 7. April eine große Anhörung stattfinden, auf die ich sehr gespannt bin.
Worin besteht also aus Sicht der Fraktion DIE LINKE jetzt der Handlungsbedarf, die Kennzeichnung der Polizisten in jedem Einsatz - also auch in Sondereinsatzkommandos und in geschlossenen Einsätzen - zu fordern? Gibt es in Niedersachsen wirklich eine große Anzahl ungeklärter Übergriffe von Polizeibeamten auf Bürgerinnen und Bürger?
Ich stelle auch die Frage in den Raum: Ist bei der Aufklärung wirklich die Identifizierung des einzelnen Beamten das Problem, oder ist es nicht eher das Fehlen eines hinreichenden Tatverdachtes?
(Kreszentia Flauger [LINKE]: Das kann doch nicht wahr sein, Frau Mod- der! - Kurt Herzog [LINKE]: Wo leben Sie denn!)
In diesem Zusammenhang ist die Kleine Anfrage der Kollegin Frau Zimmermann zur Situation in der Polizeiinspektion Mitte in Hannover aus dem Juni letzten Jahres ganz interessant. Dort konnten bei allen 57 Anzeigen die beschuldigten Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten ermittelt werden.
Der im Antrag unterstellte Zusammenhang zwischen der Kennzeichnung und der Aufklärungsquote von Anzeigen gegen Polizeibeamte kann deshalb aus meiner Sicht so nicht hergestellt werden.
Frau Flauger, um gar nicht erst falsch verstanden zu werden: Selbstverständlich sind Fehlverhalten oder gar strafbare Handlungen und Übergriffe von Polizeibeamten auf Bürgerinnen und Bürger auf das Schärfste zu verurteilen und selbstverständlich auch mit allem Nachdruck strafrechtlich zu verfolgen. Das stellt niemand in Frage. Allerdings sollten wir schon sehr sorgfältig abwägen, ob unsere Polizistinnen und Polizisten auch in Sondereinsätzen oder in geschlossenen Einsätzen zur individuellen Kennzeichnung verpflichtet werden sollten. Hier geht es immer auch um den persönlichen Schutz unserer Einsatzkräfte und deren Familien. Das hebe ich ausdrücklich hervor.
(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP - Kreszentia Flauger [LINKE]: Was ist mit Nummern?)
Sie alle kennen die Meldungen aus der Polizei über Bedrohungen bis in die Privatsphäre hinein, über Stalking, Belästigung und Bedrohung auch von Familienangehörigen.
Meine Damen und Herren, ich will überhaupt nicht kleinreden, dass zurzeit in Berlin aufgrund schwerster Übergriffe von Polizeibeamten über eine individuelle Kennzeichnungspflicht durch Namensschilder oder Dienstnummern diskutiert wird.
In Schleswig-Holstein liegt ebenfalls ein entsprechender Antrag auf Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte von den Fraktionen der Linken und Bündnis 90/Die Grünen vor. Meine Damen und Herren, Niedersachsen ist zum Glück nicht Berlin. Ich will für meine Fraktion ausdrücklich erklären, dass wir keinen Handlungsbedarf sehen und uns zum Schutz für unsere Polizistinnen und Polizisten und deren Familien gegen eine verpflichtende Kennzeichnung aussprechen.
Des Weiteren will ich vorsichtig darauf hinweisen, dass die Pflicht zur individuellen Kennzeichnung laut Rechtsprechung wohl auch der Mitbestimmung des Hauptpersonalrats unterliegt und meine Fraktion hier auf keinen Fall etwas gegen die Betroffenen beschließen wird,