Protokoll der Sitzung vom 27.04.2010

dass Sie einmal das Konzept aufgestellt hatten. Aber Sie haben es nicht umgesetzt. Erst Herr Busemann als Kultusminister hat die nötigen Gelder zur Verfügung gestellt und zum ersten Mal Sprachförderung für Fünfjährige eingeführt. Erstens gibt es Sprachförderung für Dreijährige, die Sie gefordert haben, heute schon, und zweitens gibt es Sprachförderung ein Jahr vor dem Beginn der Grundschule. Über 600 Lehrer arbeiten mit großem Erfolg in dieser Sprachförderung, und wir haben festgestellt, dass schon nach relativ kurzer Zeit die Rückstellungsquoten sich erheblich verringern. Wir haben, bundesweit einmalig, Kerncurricula für Sprachförderung im muttersprachlichen Unterricht an Grundschulen für 17 Sprachen. Das haben andere Länder nicht. Ich kann nur sagen: Die Vielfalt der Sprachförderung ist der Eingang in eine gute Integration, und das werden wir fortführen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Frau Reichwaldt möchte antworten. Sie haben auch anderthalb Minuten.

Herr Präsident, vielen Dank. - Herr Klare, das war jetzt zwar eine Kurzintervention eher auf Herrn Bachmann, aber ich sage gerne auch noch einmal etwas zur Sprachförderung. Schön, dass das alles passiert, aber nach der Grundschule werden gerade in Bezug auf Sprachförderung - ich hatte es schon gesagt - die Kinder aus Migrantenfamilien wirklich alleine gelassen, und damit müssen Sie sich auch einmal auseinandersetzen.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Nächster Redner ist Herr Försterling von der FDPFraktion. Ich erteile Ihnen das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Integration ist eine der zentralen Fragen für die Weiterentwicklung unserer Gesellschaft. Jahrzehntelang wurde dieser wichtige Bereich vernachlässigt, und insbesondere Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund wurden nicht intensiv genug gefördert. Bildung wurde nicht als der zentrale Schlüssel zu einer erfolgreichen Integrationspolitik erkannt. Diese Zeiten sind in Niedersachsen seit 2003 aber vorbei.

(Beifall bei der FDP)

Wir haben es uns zum Ziel gesetzt, das Potenzial der Kinder mit Migrationshintergrund zu nutzen und zur Entfaltung zu bringen. Grundlage dafür ist eine erfolgreiche Vermittlung der Sprache. Daher war es folgerichtig und erfolgreich - das haben die Kollegin Ernst und der Kollege Klare schon gesagt -, bereits vor der Einschulung Sprachstandsfeststellungen verpflichtend einzuführen und dann mit der Sprachförderung einzusetzen. Es wird derzeit intensiv an einem Gesamtkonzept gearbeitet, wie Sprachförderung vom Elementarbereich bis zum Sekundarbereich II ineinandergreifen kann, sodass wir damit einen wichtigen Beitrag zur Integration leisten können.

Ab dem 1. August 2010 wird das Projekt „Deutsch als Zweitsprache“ intensiviert. Es sollen 15 regionale Zentren und didaktische Werkstätten eingerichtet werden, die dann wiederum die Aufgabe haben werden, Netzwerke zu Mehrsprachigkeit und interkultureller Kompetenz zwischen den Schulen aufzubauen. Sprachförderung wird damit ein fester Bestandteil der Qualitätsentwicklung von Schule und Unterricht.

Darüber hinaus gibt es noch viele weitere Punkte, in denen diese Landesregierung ganz hervorragende Akzente setzt. Es gibt eine Akademie im Rahmen der Begabtenförderung für Kinder mit Migrationshintergrund. Es gibt das Projekt „Mehr Migranten werden Lehrer“. Im November wird ein Schülercampus der Universität Oldenburg stattfinden, zwei weitere Universitäten werden folgen. Ähnlich wie in Nordrhein-Westfalen soll ein Netzwerk von Lehrkräften mit Migrationshintergrund aufgebaut werden. Es gibt bereits 30 Fachberater für interkulturelle Bildung. Es gibt - das hat der Kollege Klare gesagt - bundesweit einzigartige Kerncurricula für den herkunftssprachlichen Unterricht, und es gibt natürlich das Integrationslotsenprogramm, das auch im Bildungsbereich Fuß fasst.

Sie sehen daran, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass wir im Bereich der Integration sehr gut aufgestellt sind, und ich denke, wir werden auch zukünftig bundesweit Vorreiter für diesen Bereich sein. Ihr Antrag allerdings ist kein entscheidender Beitrag zur Verbesserung von Integration. Sie sprechen davon, dass man länger gemeinsam beschulen sollte, weil die Eltern mit Migrationshintergrund nicht in der Lage seien, unser differenziertes Bildungssystem zu verstehen. Sie sprechen davon, dass Kinder mit Migrationshintergrund aus bildungsfernen Schichten kommen.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Steht das da? Wo steht das?)

Sie unterstellen Diskriminierung am Ausbildungs- und Arbeitsplatz. Sie kritisieren die Schullaufbahnempfehlungen der Grundschullehrkräfte, weil Sie pauschal unterstellen, dass diese Lehrkräfte nach sozialer Herkunft und nicht nach Leistung entscheiden.

(Zustimmung bei der CDU)

Das alles ist eben kein integrativer Ansatz, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Lassen Sie mich noch kurz etwas zur IGLU-Studie sagen, weil die hier mehrfach erwähnt worden ist. Man bezieht sich hier scheinbar immer nur auf diejenigen Teile der Statistik, die einem in den Kram passen. Die IGLU-Studie sagt im Übrigen auch, dass Klassengrößen keine Auswirkungen auf den Lernerfolg haben. Das aber wurde hier nicht gesagt. Das würden Sie auch nicht thematisieren.

Kommen Sie bitte zum Schluss!

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss noch Folgendes sagen: Wir brauchen keinen eigenen Entschließungsantrag von CDU und FDP, weil diese Landesregierung eine hervorragende Integrationspolitik betreibt. Deshalb bedarf es keiner Lobhudelei. Die Landesregierung weiß, dass wir in Sachen Integration und Bildungspolitik hinter ihr stehen.

Schönen Dank, Herr Kollege, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Sie leistet eine hervorragende Arbeit.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Das Wort hat jetzt Herr Minister Althusmann. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Korter, Sie haben zu Beginn Ihres ersten Redebeitrags gesagt, wir sollten beweisen, dass es uns mit der Integration ernst ist. Ich möchte diesen Versuch gern unternehmen, möchte aber auch ein Grundproblem aufzeigen, das die Koalitionsfraktionen mit Ihrem Antrag unter Umständen haben könnten. Ich glaube, Sie begehen insofern einen Fehler, als Sie jetzt wieder einmal versuchen, das Thema „Integration“ für eine generelle Schulstrukturdebatte zu nutzen. Das aber ist nicht hilfreich, Frau Korter.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Damit leisten Sie auch keinen eigenen Beitrag zur Integration; denn völlig unabhängig von der Schulstruktur können sowohl Gesamtschulen als auch Schulen des dreigliedrigen Systems einen erheblichen Beitrag zur Integration leisten.

(Astrid Vockert [CDU]: Richtig! Ge- nau!)

Warum nehmen Sie überhaupt nicht zur Kenntnis, dass die Integration und die Vermeidung der Benachteiligung von Kindern mit geringerem Familienstatus gerade in Bayern, wo es keine Gesamtschulen und keine „Schulen für alle“ gibt, besonders gut gelingen? - Frau Korter, ich meine, wir müssen in den nächsten Jahren in Niedersachsen wesentliche Herausforderungen annehmen.

Diese Herausforderungen sind erstens im demografischen Wandel zu sehen: Rückgang der Schülerzahlen um 25 % bis zum Jahr 2020. Die dafür notwendigen Schulstrukturen müssen auch mit Blick auf den ländlichen Raum und die dort lebenden Migranten behutsam fortentwickelt werden.

Zweitens müssen wir uns darum bemühen, an allen Schulformen auch eine stärkere Berufsorientierung auf den Weg zu bringen. Stichwort „Ausbildungsreife“. - Dies betrifft in erheblichem Maße auch Migrantinnen und Migranten. Wie kann man sie frühzeitig in einen Ausbildungsberuf bzw. zum Abschluss bringen?

Drittens: Integration - das wurde hier schon mehrfach gesagt - als Schlüssel für den Bildungserfolg. Inzwischen sind 16 % der Bürgerinnen und Bürger in Niedersachsen Menschen mit Migrationshintergrund. Dieser Anteil nimmt weiter zu. In Hannover wird inzwischen jedes vierte bis fünfte Kind in eine Familie mit Migrationshintergrund hineingeboren. Insofern glaube ich, meine Damen und Herren, dass diese Landesregierung auf diesem Feld noch eine Menge an Herausforderungen anzunehmen hat und sich diesen auch mit Freude stellen wird, um das Potenzial dieser Kinder und Jugendlichen unabhängig von ihrer sozialen, kulturellen und sprachlichen Herkunft noch besser als bisher zu entfalten und ihren Bildungserfolg zu steigern.

Was ich in der Presse gesagt habe, gilt generell, Frau Korter. Mein Wort gilt. Wenn ich sage, dass ich das Thema „Integration durch Bildung“ mit Blick auf eine gute Zukunft in diesem Land für eines der wesentlichen Schlüsselthemen halte, dann meine ich das auch so. Ich will Ihnen dazu sagen, dass wir die Quote der Schulabbrecher gerade unter Jugendlichen mit Migrationshintergrund weiter senken müssen. Darüber besteht doch überhaupt kein Dissens.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Frau Korter, wir müssen und werden die Eltern von Kindern mit Migrationshintergrund viel eher und schneller erreichen. Integration ist wahrlich keine Einbahnstraße. Man muss bereit sein, sich zu integrieren. Man muss auch bereit sein, in einem Schulvorstand mitzuarbeiten. Ich halte das für selbstverständlich. Ich habe in Niedersachsen viele Menschen mit Migrationshintergrund kennengelernt, die sich große Mühe geben, dass ihre Kinder in der Schule entsprechend mitarbeiten, und die auch selbst etwas dafür tun.

Ohne Zweifel müssen wir auch den Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund in Kindertagesstätten erhöhen.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Polat?

Ich möchte zunächst im Zusammenhang vortragen.

Meiner Meinung nach müssen wir auch den Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund in Kinderta

gesstätten erhöhen. Sie sind bislang wahrlich unterrepräsentiert. Es ist doch aber ein Erfolg, dass diese Landesregierung jetzt 80 000 Euro für Pilotprojekte ausgibt, die auf eine trägerübergreifende Fortbildung pädagogischer Fachkräfte im Rahmen der interkulturellen Kompetenz abzielen. Da wir eine neue Sozialministerin haben, möchte ich auch darauf hinweisen, dass auch dies ein Teil von guter Integration ist. Wir haben großen Erfolg mit unserem Schulversuch „Islamischer Religionsunterricht“ erzielt. Inzwischen nehmen 1 850 Schülerinnen und Schüler an 37 Standorten an dem Modellprojekt „Islamischer Religionsunterricht“ teil.

Vor dem Hintergrund der Frage, wie man Integration auch im Hinblick auf die pädagogische Qualität verbessern kann, kann man der Landesregierung keine Vorwürfe machen. Die Sprachförderung wurde hier mehrfach erwähnt. 6 Millionen Euro - ich will es jetzt nicht ausweiten. Es sind aber mehr als 6 Millionen Euro. Wir haben als erstes Bundesland im Schuljahr 2003/2004 die Sprachförderung im letzten Jahr vor der Einschulung verpflichtend eingeführt. Wir fördern damit inzwischen 10 000 Kinder aus Migrationsfamilien. Insgesamt investieren wir in die vorschulische und die schulische Sprachförderung seit Jahren trotz schwierigster Haushaltslage 52 Millionen Euro. Konkret: 10 000 Lehrerstunden für die Sprachförderung vor der Einschulung, knapp 24 000 Lehrerstunden für die Förderung in den Schulen nach der Einschulung.

Um die Nachhaltigkeit dieser Sprachfördermaßnahmen zu sichern und weitere Fachkräfte zu qualifizieren, stehen den örtlichen Trägern der Jugendhilfe landesweit 100 000 Euro zur Verfügung. Unsere Sprachförderkonzepte an Kindertagesstätten werden evaluiert. Die ehemalige Ministerin Heister-Neumann hat gemeinsam mit der Integrationsbeauftragten eine Kommission zum Thema - soweit ich informiert bin - „Sprachförderung in der frühen Kindheit“ auf den Weg gebracht. Wir werden uns damit aber nicht zufrieden geben. Wir wollen ein kompetenzorientiertes Konzept durchgängiger individualisierter Sprachförderung vom Kindergarten an mit dem Ziel, die Übergänge zu verbessern, auf den Weg bringen. Wir wollen die Fortbildungsmaßnahmen auf den Weg bringen. Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund sind in der Regel zweisprachig. Im Sekundarbereich I wird herkunftssprachlicher Unterricht in Niedersachsen inzwischen an 64 Schulen angeboten.

Meine Damen und Herren, diese erfolgreichen Prozesse bei Kindern und Jugendlichen gelingen

nur dann, wenn die Eltern und die Bildungseinrichtungen in einer Erziehungs- und Bildungspartnerschaft gemeinsam Verantwortung übernehmen. Sie fragen hier immer: Wo sind konkret die Maßnahmen, die die Landesregierung auf den Weg gebracht hat? - Seit 2007 sind in mehr als 26 Projekten mehr als 200 motivierte Lotsen auf den Weg gebracht worden, die sich über das Thema „Integration an Schulen“ kümmern. Wenn es uns jetzt auch noch gelingt, Lehrkräfte mit Migrationshintergrund als positive Vorbilder für den Lehrerberuf zu gewinnen, damit sie dazu beitragen, dass Schulen auch interkulturell, wenn Sie so wollen, unterstützt und geöffnet werden, dann ist mir nicht bange um die Integration mit Blick auf die bildungspolitische Landschaft und die Schulen. Der Schülercampus „Mehr Migranten werden Lehrer“ hat in diesem Zusammenhang - Herr Försterling hat es erwähnt - eine Pilotfunktion.

Meine Damen und Herren, man muss das Richtige tun, um die richtigen Ziele zu erreichen. Insofern glaube ich, dass ich aufzeigen konnte, dass diese Landesregierung mit einer Vielzahl von Maßnahmen auf einem guten Weg ist. Ich glaube, wir gehen in die richtige Richtung. Sie sind aufgefordert, diesen Weg konstruktiv, aber auch kritisch zu begleiten. Aber bitte, lassen Sie doch diese, wie ich finde, alten rückwärtsgewandten ideologischen Schulstrukturdebatten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zurufe von der SPD)

Für die Erfolge einer gemeinsamen längeren Beschulung gibt es bislang keinen einzigen wissenschaftlich wirklich nachvollziehbaren Erfolgsmessungsfaktor. Denken Sie an die Diskussion in Hamburg, und denken Sie an die Max-PlanckForschungsergebnisse aus Berlin. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass die gemeinsame Beschulung wirklich zu einem größeren Erfolg der Schülerinnen und Schüler führen würde.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Das halte ich aber für ein Gerücht!)

Die Abschaffung der Schullaufbahnempfehlung. Meine Damen und Herren, wir können in die Grundschullehrerinnen und -lehrer in Niedersachsen erhebliches Vertrauen setzen. Denen gelingt es zu weit mehr als 95 %, bereits nach den ersten vier Jahren eine richtige Schullaufbahnempfehlung auszusprechen. Die restlichen 5 % Spätzünder haben am Ende aufgrund der hohen Durchlässigkeit unseres Schulsystems immer noch die Möglichkeit, eine weiterführende Schule zu besuchen.

Ich sehe hier überhaupt keinen Anlass für Änderungen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich finde es eigentlich schade, dass Sie immer noch dem Irrglauben anhängen - von diesem Irrglauben wollen Sie offensichtlich nicht lassen -, dass allein nur Gesamtschulen - - -