Protokoll der Sitzung vom 27.04.2010

Ich finde es eigentlich schade, dass Sie immer noch dem Irrglauben anhängen - von diesem Irrglauben wollen Sie offensichtlich nicht lassen -, dass allein nur Gesamtschulen - - -

(Zurufe von den Grünen)

- Ich darf nur darauf hinweisen, dass wir im letzten Schuljahr 14 Gesamtschulen zugelassen haben. In diesem Jahr werden es etwa 18 Gesamtschulen sein. Das sind in der Summe 32 Gesamtschulen. Wer kann dieser Landesregierung ideologische Verbohrtheit vorwerfen? - Meine Damen und Herren, schauen Sie doch einmal in die Bilanz! Wir wollen die breite Vielfalt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zurufe von den GRÜNEN)

Sie mögen ja mir nicht glauben. Aber vielleicht glauben Sie dem anerkannten Bildungswissenschaftler Professor Köller, der sinngemäß gesagt hat: Nicht die Schulstruktur, sondern eine gute Unterrichtsstruktur macht gute Schule aus.

(Filiz Polat [GRÜNE]: Was hat Herr Muñoz gesagt? Was hat der Sonder- berichterstatter der Vereinten Natio- nen gesagt?)

Meine Damen und Herren, deshalb kann nur die Ablehnung Ihres Antrages empfohlen werden - wobei ich zugebe, dass einige in Ihrem Antrag enthaltene Aspekte durchaus geteilt werden können.

(Zuruf von den GRÜNEN: Alle!)

Der einzige Grund, warum man diesen Antrag ablehnen muss, ist, dass Sie auf der einen Seite nur die Schulstrukturen insgesamt verändern wollen - zu Ihren Gunsten, mit Ihren Modellen, mit Ihren Vorstellungen -

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Zuguns- ten der Kinder! Nicht zu unseren Gunsten!)

und dabei das Thema Integration auf der Strecke bleibt. Das ist der Nachteil an Ihrem Antrag.

(Zustimmung von Björn Thümler [CDU] und Björn Försterling [FDP])

Daher können wir den Koalitionsfraktionen natürlich nicht empfehlen, den Antrag in dieser Form

tatsächlich zu unterstützen. Sie glauben, dass andere Schulstrukturen die soziale Ungleichheit bzw. soziale Ungerechtigkeit, die es in unserem Land unbestritten auch gibt, beseitigen könnten. Das ist ein Irrglaube. Deshalb ist Ihr Antrag nicht zielführend, so leid es mir tut. Einige Aspekte sind richtig. Sie kann man auch aufnehmen. Insgesamt können wir bei seiner Bewertung aber nur Ablehnung empfehlen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Um zusätzliche Redezeit nach § 71 Abs. 3 der Geschäftsordnung hat Frau Korter gebeten. Frau Korter, Sie bekommen zwei Minuten.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister Althusmann, Sie haben gerade gesagt, Sie könnten keine Zustimmung zu unserem Antrag empfehlen, weil es wieder um eine generelle Schulstrukturdebatte gehe. Wenn Sie den Antrag genau lesen, werden Sie feststellen, dass in unserem Forderungskatalog kein einziges Mal das Wort Gesamtschule auftaucht.

(Björn Försterling [FDP]: Dort steht: längeres gemeinsames Lernen!)

- Herr Försterling, Sie haben ihn doch gelesen. Es steht sehr wohl darin, dass wir ein längeres gemeinsames Lernen wollen. Ich möchte es einmal genau zitieren. Wir beziehen uns dabei nämlich auf die OECD-Studien und nicht auf das, was wir nur glauben. Wir haben gefordert:

„Das gerade für Zuwandererkinder besonders selektiv gegliederte Schulsystem wird zugunsten einer längeren gemeinsamen Beschulung in echte Ganztagsschulen umgewandelt.“

(Enno Hagenah [GRÜNE]: Wie z. B. in Hamburg!)

Dieses Modell setzt beispielsweise Schwarz-Grün in Hamburg um.

Wenn Ihnen bei längerer gemeinsamer Schule nichts anderes einfällt - wir wissen, dass unser Schulsystem aufgrund der frühen Trennung nach Klasse 4 hochgradig selektiv ist; das haben uns alle internationalen Studien ins Stammbuch geschrieben; Herr Muñoz hat es auch noch einmal bestätigt -, dann tut es mir wirklich leid. Dann weiß

ich wirklich nicht, was die niedersächsischen Schülerinnen und Schüler von Ihnen noch erwarten sollen und was Kinder aus sozial benachteiligten Familien oder aus Familien mit Migrationshintergrund, die vielleicht nicht aus Akademikerhaushalten stammen, von Ihnen noch erwarten können.

Ich hatte gedacht, dass es hier wirklich einen Neuaufbruch geben könnte; denn alle Forderungen kann man nur unterstützen.

(Zustimmung von Filiz Polat [GRÜNE])

Alle Forderungen sind auch von den Migrantenverbänden und in der Integrationskommission unterstützt worden. Ich finde es wirklich skandalös, dass Sie das Votum der Integrationskommission und der Migrantenverbände überhaupt nicht interessiert, weil Sie alles besser wissen wollen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer der Nr. 1 der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen und damit den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Drs. 16/604 ablehnen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Erste war die Mehrheit. Der Beschlussempfehlung ist gefolgt.

Wer der Nr. 2 der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen und damit die in die Beratung einbezogene Eingabe 925 für erledigt erklären möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Keine. Damit ist dieser Beschlussempfehlung gefolgt worden.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 9 auf:

Erste Beratung: Aufklärung, Prävention und konsequenter Gesetzesvollzug gegen Alkoholmissbrauch - Jugendliche und Erwachsene in der Verantwortung - Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 16/2410

Der Antrag wird von dem Kollegen Ansgar Focke von der CDU-Fraktion eingebracht.

(Unruhe)

Herr Kollege, ich erteile Ihnen im Moment noch nicht das Wort; denn ich möchte, dass erst wieder Ruhe im Plenarsaal einkehrt. Wir geben den Kolleginnen und Kollegen noch Gelegenheit, den Plenarsaal zu verlassen. - Herr Kollege, das muss jetzt gehen, denke ich. Ich erteile Ihnen das Wort. Bitte sehr!

Vielen Dank. - Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema „Alkoholmissbrauch von Jugendlichen“ ist kein Randthema mehr. Die Entwicklungen zeigen, dass es inzwischen zu einem breiten öffentlichen Thema - - -

(Anhaltende Unruhe)

Nein, Herr Focke, ich habe da einen falschen Eindruck bekommen. Es geht noch nicht. - Herrn Kollegen Biallas und die anderen Kolleginnen und Kollegen bitte ich, auch zur Ruhe zu kommen. - Vielen Dank.

Herr Focke, jetzt geht es weiter.

Die Entwicklungen zeigen, dass es inzwischen zu einem breiten öffentlichen Thema geworden ist.

Bevor ich zu den Einzelheiten unseres Antrags komme, möchte ich vorweg eines klarstellen: Für die CDU-Fraktion steht fest, dass die allermeisten jungen Menschen in Niedersachsen anständig und strebsam sind und alles andere im Kopf haben, als sich ständig ins Koma zu saufen. Die meisten jungen Menschen in Niedersachsen gestalten ihre Freizeit sinnvoll.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Zahlen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung untermauern, dass 87 % aller Jugendlichen nicht regelmäßig Alkohol trinken, jedoch die Zahl der Extremfälle, die mit einem Krankenhausaufenthalt enden, stetig zunimmt. Diese Aussage wird in einer kürzlich veröffentlichten Studie der Techniker Krankenkasse ebenfalls bestätigt. Danach ist die Zahl der Alkoholvergiftungen bei Jugendlichen im Alter von 10 bis 19 Jahren um 23 % gestiegen. In 2009 bedeutete das, dass bis zu 800 Jugendliche in der Notaufnahme gelandet sind.

Meine Damen und Herren, das ist schlimm. Dem müssen wir entgegenzutreten versuchen.

(Beifall bei der CDU)

Wenn wir in den Dialog mit den jungen Leuten treten wollen, dann müssen wir das aber mit Respekt und Anerkennung tun. Aussagen wie „Vorglühen, Komasaufen, Notaufnahme ist für viele junge Menschen das übliche Wochenendritual“ sind für einen solchen Dialog sicherlich nicht geeignet. Daher bringen wir heute seitens der Regierungsfraktionen einen Antrag ein, der sich dem Thema von einer anderen Seite nähert.

In der öffentlichen Debatte fehlt mir zunehmend die gesamtgesellschaftliche Betrachtung. Junge Menschen nehmen sich Vorbilder - entweder Gleichaltrige oder Ältere, also Erwachsene. Einen verantwortungsvollen Umgang mit Alkohol lernen sie also nur dann, wenn wir als Erwachsene, als Gesellschaft, ihnen dies auch verantwortungsvoll vorleben. Ein Jugendlicher oder sogar ein Kind, das von Erwachsenen zum Alkoholtrinken angestiftet wird, muss schon ein starkes Selbstbewusstsein haben, um die damit verbundene Gefahr zu erkennen und abzulehnen. Und Erfüllungsgehilfen, also Erwachsene, die Alkohol an Jugendliche verkaufen, sind ebenso Anstifter und müssen hart bestraft werden.

Die jungen Menschen befinden sich in einem Spannungsfeld zwischen ihrem Elternhaus, der Schule, dem Freundeskreis und ihren freizeitlichen Aktivitäten. In diesem Feld der Beziehungen müssen wir alle Akteure gewinnen, sich für einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Alkohol einzusetzen. Dazu gehört, dass Kinder in der Schule über den Genuss und die Gefahren des Alkohols aufgeklärt werden. Dazu gehört aber auch, dass die Eltern hier ihrer Aufgabe gerecht werden, unterstützt werden und zum richtigen Zeitpunkt auch mit ihren Kindern darüber sprechen.