Protokoll der Sitzung vom 27.04.2010

Die jungen Menschen befinden sich in einem Spannungsfeld zwischen ihrem Elternhaus, der Schule, dem Freundeskreis und ihren freizeitlichen Aktivitäten. In diesem Feld der Beziehungen müssen wir alle Akteure gewinnen, sich für einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Alkohol einzusetzen. Dazu gehört, dass Kinder in der Schule über den Genuss und die Gefahren des Alkohols aufgeklärt werden. Dazu gehört aber auch, dass die Eltern hier ihrer Aufgabe gerecht werden, unterstützt werden und zum richtigen Zeitpunkt auch mit ihren Kindern darüber sprechen.

Wichtig ist, dass wir die Sportvereine und die Jugendringe mit in den Dialog einbinden. Außerdem müssen wir denen, die den Schutz der jungen Menschen gefährden, klarmachen, dass sie mit harten Strafen rechnen müssen. Aufklärung, Prävention und konsequenter Gesetzesvollzug sind hier der richtige Weg, um Jugendliche und Erwachsene gleichermaßen in den Prozess eines verantwortungsvollen Umgangs mit Alkohol einzubinden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, seitdem unser Innenminister Uwe Schünemann die Test

käufe in Niedersachsen gestartet hat, ist eine Dynamik entstanden, die jetzt einen neuen Höhepunkt gefunden hat. Ich finde es klasse, dass der Einzelhandelsverband, der Hotel- und Gaststättenverband sowie der Tankstellen- und der Brauereiverband jetzt unter der Schirmherrschaft unseres Ministers die Kampagne „Alkohol nur, wenn’s RECHT ist“ gestartet hat. Langsam, aber sicher nehmen sich alle Beteiligten des Themas an und wollen ihren Beitrag dazu leisten.

In unserem Antrag heute bitten wir die Landesregierung daher, sich auch weiterhin für die Testkäufe einzusetzen und die Kommunen dabei zu unterstützen. Weiter bitten wir darum, die Suchtprävention und Suchtberatung mit einzubinden. Dazu gehören die Landesstelle für Suchtfragen, die Landesstelle Jugendschutz, der Landespräventionsrat, der Landesjugendring und die Niedersächsische Sportjugend als größte Jugendorganisation in unserem Land.

Auch in der Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte und Sozialpädagogen wollen wir die Prävention des Alkoholmissbrauchs stärken. In den Schulen muss dieses Thema behandelt werden und einen angemessenen ständigen Stellenwert bekommen. Auch die Eltern müssen in diesen Prozess eingebunden und in ihrer Erziehungsaufgabe gestärkt werden. Die Weiterentwicklung des HaLT-Projekts „Hart am Limit“ ist ebenfalls ein wichtiger Bestandteil. All denen, die gegen das Jugendschutzgesetz verstoßen, muss klar sein, dass ihnen eine empfindliche Strafe droht. Daher bitten wir die Landesregierung auch zu überprüfen, ob die aktuellen Bußgeldvorschriften ausreichend sind.

Komasaufen und Flatrate-Partys sind nichts Neues, meine Damen und Herren. Das gab es auch schon früher; es gab nur andere Namen. Aber wir müssen die neue Gefahr, die sich anscheinend immer weiter zu verstärken droht, erkennen und direkt vor Ort unterbinden und dabei auch die Kommunen unterstützen.

Meine Damen und Herren, der letzte Punkt ist mir ein besonderes Anliegen. § 1 Abs. 1 Nrn. 4 und 5 des Jugendschutzgesetzes ermöglicht es, dass Eltern ihre Aufsichtspflicht auf eine andere volljährige Person übertragen. Das ist gut und das ist richtig, z. B. bei Klassenfahrten oder bei Fahrten im Freizeitbereich, bei denen die Kinder noch minderjährig sind.

(Beifall bei der CDU)

Es geht aber nicht an, meine Damen und Herren, dass diese Zettel als sogenannte Mutti-Zettel von Partyveranstaltern missbraucht werden, dass Kinder und Jugendliche genötigt werden, diese Zettel vor Betreten der Party auszufüllen und die Aufsichtspflicht irgendjemandem auf dem Zettel selbst zu übertragen, und zur Urkundenfälschung angestiftet werden, sodass sich die Partyveranstalter dann, wenn Kontrollen durchgeführt werden, aus der Verantwortung ziehen können. Das geht nicht, das wollen wir nicht, und deswegen wollen wir eine Überprüfung, ob dieser Paragraf diese Lücke lässt und ob wir die Lücke schließen können.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Im Ausschuss sind die Beratungen zu diesem Thema bereits fortgeschritten. Ich würde mich freuen, wenn wir es schaffen würden, einen gemeinsamen Antrag von SPD und Grünen zusammen mit der Regierungskoalition aus CDU und FDP zu formulieren, der Aufklärung, Prävention und Gesetzesvollzug verbindet.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Kreszentia Flauger [LINKE]: Sie sind vielleicht ein Demokrat!)

Als Nächster hat Herr Humke-Focks von der Fraktion DIE LINKE das Wort. Ich erteile Ihnen das Wort.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beschäftigen uns heute nicht das erste Mal mit der Suchtproblematik und dem Missbrauch der legalen und frei käuflichen Droge Alkohol in unserem Bundesland Niedersachsen. Das suggeriert jedenfalls der hier vorliegende Antrag - keine Frage. Aber eigentlich - das hat der Redebeitrag von Herrn Focke gerade gezeigt - geht es doch nur darum, eine aufgewärmte Kampagne von Innenminister Schünemann zu flankieren. Doch diesen Ansatz halten wir Linke für falsch und Ihre Äußerung hinsichtlich eines präventiven Vorgehens für alles andere als zielführend.

Statistisch - ich erschrecke immer wieder über einige Zahlen - trinken in Deutschland etwa 750 000 Menschen pro Jahr das erste Mal Alkohol, und schon Kinder sammeln damit Erfahrungen. So etwas wird häufig quasi als erster Schritt in die

Erwachsenenwelt verkauft. Die legale Droge Alkohol wird aber doch gerade von Ihren Parteien immer wieder im Zusammenhang mit deutscher Gemütlichkeit angepriesen. Welch ein Hohn, wenn man dann immer wieder Krokodilstränen vergießt und einem dann meistens wieder nichts anderes einfällt, als bei der Repression stehen zu bleiben. Ihr Forderungskatalog bleibt wieder einmal an der Oberfläche. Das aber ist aus unserer Sicht wahrscheinlich von Ihnen auch so gewollt; denn hinter dem, was Sie hier vorschlagen, steckt nichts Substanzielles. Es sind alles hohle Phrasen. Sie behaupten, Ihre Präventionsarbeit sei erfolgreich gewesen. Das war aber mitnichten der Fall. Erfolgreiche Projekte wie „Go Willi“ in Göttingen haben sozialarbeiterische Ansätze und verzichten auf repressive Maßnahmen. Entgegen dem Vorgehen von Minister Schünemann, der dort ganze Polizeistaffeln auf den Wilhelmsplatz schickte und nichts erreicht hat, wurde das Heft des Handelns wieder von der Stadt in die Hand genommen und wurden sozialarbeiterische Maßnahmen eingeführt und das „Go Willi“-Projekt etabliert. Dazu haben Sie aber keinen Beitrag geleistet.

Die Schünemann’sche Lesart der Definition von Prävention lehnen wir ab. Aber wie sieht es eigentlich bei Ihnen mit dem verantwortungsvollen Umgang aus? - Es ist immer wieder schön, wenn hier Repräsentanten sitzen. In der Ausgabe des Wolfenbütteler Schaufensters vom 14. Februar 2010 lese ich eine Anzeige von Herrn Oesterhelweg - ich zitiere -:

(Frank Oesterhelweg [CDU]: Was le- sen Sie da vor?)

- Ich zitiere etwas in Bezug auf Sie als Vorbild in der Präventionsarbeit. - Dort ist zu lesen: Ein Glühwein wirkt dabei noch viel besser, wenn er um weitere gehaltvolle Geschmacksträger angereichert wird, fanden auch die Kollegen. - Und weiter: Bei einem bleibt es ja nicht getreu dem altbekannten Motto „Einen können wir noch“. Und wir konnten noch mehrere.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN - Frank Oesterhelweg [CDU]: Lesen Sie das mal im Zusammenhang!)

Das ist das Niveau! Das ist die Wahrheit! Werden Sie erst einmal ehrlich im Umgang!

(Frank Oesterhelweg [CDU]: Vollstän- dig zitieren, Herr Kollege!)

Ich habe noch gar nicht damit begonnen, von dem Auftreten von Herrn McAllister auf dem Göttinger

Schützenfest zu reden. Das ist an Peinlichkeit auch von Ihnen fast nicht mehr zu überbieten.

(Beifall bei der LINKEN)

Setzen Sie, wenn Sie Prävention ernst meinen, auf Sozialarbeit, und unterstützen Sie die Initiativen, die auf der kommunalen Ebene häufig angeschoben werden, und machen Sie hier nicht einen solchen Unfug, und streuen Sie den Menschen nicht Sand in die Augen!

(Frank Oesterhelweg [CDU]: Das ist billig!)

Die Menschen werden feststellen: Sie sind nicht so dumm, wie sie manchmal sind.

(Glocke des Präsidenten)

- Letzter Satz! - Das Niveau von Ihnen, Herr Oesterhelweg, passt wirklich wie die Faust aufs Auge.

(Frank Oesterhelweg [CDU]: Im Zu- sammenhang!)

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Frau Staudte das Wort. Bitte!

Vielen Dank. - Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das mit der Vorbildfunktion ist natürlich etwas schwierig.

Ich möchte jetzt aber mit einem positiven Aspekt des Antrags beginnen. Ich muss sagen, der erste Absatz des Antrags gefällt uns wirklich ausgesprochen gut. Er beschreibt die Situation des Alkoholkonsums Jugendlicher sehr differenziert und weniger alarmistisch. Das begrüßen wir sehr. Ich würde mir allerdings wünschen, dass sich auch der Innenminister, der im Moment an der Debatte nicht teilnimmt, diese Passage einmal durchliest und verinnerlicht, bevor er wieder einmal zu einer seiner Jetzt-greife-ich-durch-Pressekonferenzen lädt. Wir könnten dann in der öffentlichen Debatte wirklich sehr viel sachlicher diskutieren. Jugendliche dürfen nicht - Herr Focke hat es schon gesagt - schon per se unter Generalverdacht gestellt werden, wie es in der Vergangenheit häufig passiert ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Maßnahmen der Landesregierung haben nämlich eindeutig Schlagseite: Es gibt immer mehr verdachtsunabhängige Polizeikontrollen, es sollen jüngere Testkäufer eingesetzt werden, der Innenminister steht stets im Rampenlicht, und die Prävention bleibt auf der Strecke. Ich hoffe wirklich, dass unsere neue Sozialministerin auch nach den ersten Erfahrungen, die sie hier in Niedersachsen sammeln durfte, trotzdem noch den Mut hat, die Bearbeitung dieses Themas für sich zu beanspruchen, sodass wir künftig nicht immer nur Pressekonferenzen aus dem Innenministerium ertragen müssen.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung von Kreszentia Flauger [LINKE])

Tatsache ist: Bei den Drogen- und Suchtberatungsstellen fehlen finanzielle Ressourcen. Von den dort Tätigen wird immer wieder gesagt, sie betrieben eine Mangelverwaltung. Der Haushaltstitel „Suchtarbeit des Landes“ ist schon vor Jahren auf 7 Millionen Euro eingefroren worden, und vor Ort kommt es immer wieder zu Stellenkürzungen aufgrund der Tarifsteigerung. Wichtige Schulungen z. B. mit den Jugendfeuerwehren - das ist angesprochen worden, Vereinsarbeit - oder auch mit Lehrerinnen und Lehrern mussten eingestellt werden.

Frau Staudte, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Schminke?

Nein, im Moment nicht. - Wir wundern uns also sehr, wenn Sie in Ihrem Antrag formulieren:

„Der Landtag bittet die Landesregierung, ihre umfassenden Aktivitäten zur Suchtprävention fortzusetzen.“

Ich frage mich wirklich, welche umfangreichen Aktivitäten Sie da meinen. Denn das, was hier bisher an Prävention passiert, ist so wenig, dass es auf einen Bierdeckel passt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Unter Nr. 4 schreiben Sie, die Behandlung des Themas „Alkoholmissbrauch“ müsse in der Schule intensiviert werden. Ich meine, hier fehlt der nächste Gedankengang, ein Halbsatz, in dem gesagt wird: Deswegen muss das Turboabitur auf den Prüfstand, weil es mit seinen überladenen Lehr

plänen verhindert, dass jedes weitere Thema behandelt werden kann.

(Beifall bei den GRÜNEN)