Protokoll der Sitzung vom 27.04.2010

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das HaLT-Projekt ist auch schon angesprochen worden. Es wird im Moment nur noch von den Kommunen und den Krankenkassen finanziert. Das Land hat sich völlig herausgezogen. 2008 sind die letzten Mittel für dieses Projekt geflossen. Sie schreiben, es solle weiterentwickelt werden. Konzeptionell muss es eigentlich nicht weiterentwickelt werden - es muss finanziell vom Land unterstützt werden, und es müssen Anreize gegeben werden, dass alle Kommunen dieses Projekt umsetzen.

Es gibt noch etliche andere Punkte, die uns in diesem Antrag fehlen. Ich habe jetzt leider nicht mehr die Zeit, sie aufzuzählen. Wir haben ja bereits einen Änderungsantrag in die Ausschussberatungen eingebracht. Dort hätte man natürlich auch den CDU/FDP-Antrag einbringen können, um das Verfahren ein bisschen zu beschleunigen. Aber ich begrüße auf jeden Fall, dass gesagt wurde: Wir wollen einen gemeinsamen Antrag erarbeiten. - Ich hoffe, dass dort die Prävention einen deutlich stärkeren Anteil haben wird.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zu diesem Tagesordnungspunkt spricht jetzt Herr Riese von der FDP-Fraktion. Ich erteile Ihnen das Wort.

Vielen Dank, verehrter Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Der Kollege Focke hat den Antrag schon so weit eingebracht, dass ich einige Argumente nicht wiederholen muss.

Die Darstellung insbesondere meiner Vorrednerin, Frau Staudte, entlarvt sich im Grunde selbst. Sie hat darauf hingewiesen, dass die Krankenkassen, die den größten wirtschaftlichen Vorteil davon haben - was ich gleich noch genauer erläutern werde -, das Projekt HaLT finanzieren. Darüber hinaus hat sie auf das Bestehen der Drogenberatungsstellen hingewiesen, die im ganzen Lande verbreitet sind, massiv vom Land finanziert werden und die entsprechende Arbeit tun.

Meine Damen und Herren, in der Debatte ist deutlich geworden, dass der vorliegende Antrag die Antwort auf einen Antrag der SPD-Fraktion aus dem August 2009 ist. Er war seinerzeit nicht ganz zeitgemäß, weil das Problem natürlich von der

Landesregierung und den sie tragenden Fraktionen längst erkannt worden ist und bearbeitet wird.

Zum Thema - das darf ich hier Ihnen einmal nahebringen - waren sich die Fraktionen im zuständigen Fachausschuss, dem Gesundheitsausschuss, weitgehend einig. Nur ist die Tonlage unterschiedlich. Mit einer schrillen Tonlage werden wir diesem Thema überhaupt nicht gerecht.

Der jetzt vorgelegte Antrag verzichtet auf unnötige Polemik. Er spricht die gesellschaftliche Verantwortung an - zunächst die Verantwortlichkeit der Familien, aber auch die der Schulen - und würdigt die zahlreichen Aktivitäten der Landesregierung sowie die schon erwähnte Kampagne, die am letzten Donnerstag vorgestellt wurde: „Alkohol nur, wenn’s RECHT ist“.

Meine Damen und Herren, wenn Sie in den letzten Jahren einmal durch die Lebensmittelgeschäfte, Kioske und Tankstellen in Niedersachsen gegangen sind, dann haben Sie dort gesehen, dass sich an den Kassen etwas ändert. Jetzt hängt an fast jeder Kasse ein Aufkleber, der darauf hinweist, dass der Ausweis auf Verlangen vorzuzeigen ist, damit das Alter geprüft werden kann. Sie erleben es doch täglich, dass ein junger Mensch an der Kasse den Ausweis vorzeigen und sein Berechtigungsalter nachweisen muss. Es tut sich also schon etwas. Die Zahlen sind auch bekannt. Die Testkäufe beweisen, dass die Fehlbedienung immerhin um 10 % zurückgegangen ist. Wir sind also mit den Bemühungen auf dem richtigen Weg und müssen sie fortsetzen.

Ein paar Zahlen allerdings, wie ich es Ihnen versprochen habe, meine Damen und Herren: Die Deutsche BKK, eine in Niedersachsen nicht ganz unbedeutende Krankenkasse, hat im Jahr 2009 219 Fälle von Komasaufen, also Noteinlieferungen ins Krankenhaus, bei den 13- bis 17-jährigen Versicherten festgestellt. Deutschlandweit sollen nach den Zahlen, die uns bekannt sind, im Jahre 2009 25 700 Patienten zwischen 10 und 20 Jahren wegen einer akuten Alkoholvergiftung im Krankenhaus behandelt worden sein. Bei jedem dieser Fälle entstehen Kosten, die mal mit 580 Euro und mal mit 540 Euro angegeben werden. Wenn Sie die von mir eben angegebene Zahl von Patienten mit diesem Betrag multiplizieren, dann kommen Sie darauf, dass die Krankenkassen im vergangenen Jahr etwa 14,8 Millionen Euro an Kosten nur für diese Behandlung von Jugendlichen aufzubringen hatten.

Daher rührt ein wirtschaftliches Interesse der Krankenkassen, sich an der Prävention zu beteiligen. Ich begrüße, dass sie es tun. Allerdings haben auch Krankenkassenvertreter schon öffentlich darüber nachgedacht, etwa der Vorstandsvorsitzende der Deutschen BKK, Achim Kolanoski, wie man diese Kosten entweder der Alkoholindustrie oder den Eltern anlasten kann. Man kann durchaus einmal überlegen, ob die Bestimmung in § 52 Abs. 2 SGB V, die sich auf Erkrankungen infolge Piercing oder medizinisch nicht indizierter Operationen bezieht, im Lichte der mindestens fahrlässigen Selbstbeschädigung durch übermäßigen Alkoholgenuss bis zur Krankenhausreife erweitert werden muss.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Zu dem Beitrag von Herrn Riese hat sich Herr Watermann von der SPD-Fraktion zu für eine Kurzintervention gemeldet. Sie haben anderthalb Minuten. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Ausschussvorsitzender, vielleicht erklären Sie dann diesem Plenum einmal, warum wir nicht heute schon einen fertigen Antrag beraten können! Wir haben nämlich zehn Monate lang speziell auf Sie gewartet. Sie hätten die Änderungen schon längst haben können. Wenn Ihnen dieses Thema so wichtig ist, wie Sie es hier darstellen, dann hätte das heute schon ein gemeinsamer Antrag sein können. So war es auch in der letzten Sitzung des Sozialausschusses bekundet; so war es zwischen den Fraktionen verabredet. Deshalb ist das, was Sie hier machen, eine Verlängerung von Arbeit und eine unnötige Belastung des Ausschusses. In der Öffentlichkeit soll Ihre Darstellung nur verschleiern, dass Sie einen gemeinsamen Antrag durch Langsamkeit verhindern.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Riese möchte antworten. Anderthalb Minuten, Herr Riese!

Es ist eine unerfreuliche Übung, Herr Watermann, dass die Kollegen der SPD mich hier regelmäßig in meiner Funktion als Ausschussvorsitzender an

sprechen, wenn sie mich doch in meiner Funktion als Fachsprecher der FDP ansprechen sollten. Wie schnell die Abstimmungen unter den Fraktionen von Opposition und Regierung stattfinden, liegt nicht in meiner Hand; denn diese Dinge finden nicht im Ausschuss statt. Insofern ist das in dieser Form nicht am Platze. Überdies sind es seit August letzten Jahres, als der Antrag eingebracht wurde, nur acht Monate.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Und als Fachsprecher kann er sich nicht durchsetzen!)

Der nächste Redner ist Herr Schwarz von der SPD-Fraktion. Herr Schwarz, ich erteile Ihnen das Wort.

(Unruhe)

- Einen kleinen Moment, Herr Schwarz, bitte! - Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Ihr Kollege Schwarz möchte jetzt zu Ihnen sprechen. - Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann es auch relativ kurz machen. Die Fakten und Ursachen, die Herr Riese und Herr Focke hier vorgetragen haben, werden ja von niemandem in diesem Hause wirklich infrage gestellt, schon gar nicht von der SPD-Fraktion, da Sie alle diese Fakten in unserem Antrag vom August vergangenen Jahres lesen können. Sie haben sie nicht nur lesen können - es geht ja noch weiter -, sondern Sie haben sie in großen Teilen in Ihrem Antrag übernommen oder - wie man auch sagen könnte - abgeschrieben.

Nun will ich Ihnen etwas zu dem sagen, was hier gerade kurz diskutiert worden ist, wenn es darum geht, ein solches Thema ernsthaft und zügig weiterzubringen, wie es Herr Focke und Herr Riese zum Ausdruck gebracht haben. Wir haben hier in der Tat im August 2009 einen Antrag eingebracht. Im Ausschuss ist wiederholt darauf hingewiesen worden, dass dieses Thema ganz ernsthaft beraten werden muss und man - wie das bisher bei dem Thema „Sucht“ fast immer üblich gewesen ist - doch bitte zu einer gemeinsam formulierten Beschlussempfehlung kommen sollte. Ich finde, das war eine gute Praxis. Der Antrag musste aber ständig von der Tagesordnung abgesetzt werden, Herr Riese, weil die Koalitionsfraktionen nicht in der Lage waren, sich zu einigen. Zwischenzeitlich

ist in jeder zweiten bis dritten Ausschusssitzung die Bitte geäußert worden, die Beratung noch einmal zu verschieben. Im Interesse der Sache haben wir uns darauf eingelassen.

Der letzte große Versuch in dieser Richtung fand am vergangenen Mittwoch statt. Am vergangenen Dienstag hat mein Kollegen Stefan Klein von Herrn Focke einen Antrag bekommen mit dem Hinweis: Der ist bei uns in der Fraktion noch nicht abgestimmt. - Am Mittwoch hat man sich dann darauf verständigt, das Thema noch einmal von der Tagesordnung abzusetzen, um zu einem gemeinsamen Ergebnis zu kommen. Das ist schon in der Sache problematisch, weil wir völlig unnötig zehn Monate verloren haben. Aber was dann passiert ist, meine Damen und Herren, ist an Dreistigkeit nicht zu überbieten. Sie erklären uns, mit uns einen gemeinsamen Antrag formulieren zu wollen. Dann erklären Sie am Mittwochvormittag, an einem gemeinsamen Änderungsantrag zu arbeiten, der noch in den Fraktionen abgestimmt werden muss. Wenige Stunden später erscheint dieser Ihr Antrag auf der Tagesordnung für die heutige Sitzung. Ich finde, viel dreister und viel unverschämter kann man miteinander nicht umgehen.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN - Heidemarie Mundlos [CDU]: Sie waren doch gar nicht in der Aus- schusssitzung!)

- Sie haben recht, Frau Mundlos, ich war nicht in der Ausschusssitzung. Aber Sie dürfen davon ausgehen, dass die Kollegen der SPD-Fraktion in der Lage sind, untereinander zu kommunizieren. Es wäre gut, wenn das bei Ihnen auch häufiger praktiziert würde.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Man war nicht in der Lage, einen SPD-Antrag zu einem gemeinsamen Änderungsantrag umzuformulieren, weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Da geht man viel simpler vor: Man nimmt den SPD-Antrag, stellt ein paar Formulierungen um, lässt wichtige Forderungen weg und verkauft das Ganze heute als ganz dringlichen Antrag. Ich finde es absolut unseriös und dreist, was Sie sich hier erlauben, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Ich will Ihnen auch noch etwas zum Thema Geschwindigkeit sagen - Herr Riese ist da ja Experte.

Mein Kollege Stefan Klein hat eine Vorlage von Ihnen bekommen, einen angeblich nicht autorisierten Änderungsantrag, und zwar mit folgender Überschrift: Änderungsvorschlag Ansgar Focke, überarbeitet R. Riese am 19. Februar 2010 um 17.50 Uhr.

Meine Damen und Herren, als die erwähnte Ausschusssitzung stattfand, war dieser Antrag schon seit zwei Monaten innerhalb der Koalition abgestimmt.

(Ansgar-Bernhard Focke [CDU]: Das stimmt nicht!)

Sie agieren hier in ganz dreister Form. Herr Focke, veräppeln können Sie mit diesem Umgang zukünftig andere. Sie machen jede sachliche Zusammenarbeit in diesem Ausschuss kaputt. Linken können Sie andere, uns nicht! Das können Sie sich für zukünftige Themen merken!

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Sie haben mit diesem Vorgehen eine alte Praxis verlassen, nämlich den Versuch, das Thema „Sucht“ im Niedersächsischen Landtag der Sache wegen einvernehmlich zu behandeln. Wir können das zukünftig auch anders diskutieren, wenn Sie dieses gemeinsame Vorgehen nicht mehr wollen. Seit Jahren frieren Sie im Niedersächsischen Landtag die Mittel zur Suchtprävention ein. Das führt faktisch aufgrund der steigenden Personal- und Sachkosten zu Reduzierungen. Sie lehnen jeden Antrag auf Erhöhung der Mittel zur Bekämpfung des Alkoholmissbrauchs in diesem Landtag ab. Sie lehnen jeden Antrag ab, der darauf ausgerichtet ist, dringend notwendige Präventionsarbeit in allen Schulformen Niedersachsens, nicht nur in der Hauptschule, umzusetzen. Sie machen öffentlich Werbung mit dem Bundesprojekt HaLT, sind aber bisher nicht gewillt und in der Lage, dieses landesweit auszudehnen. Sie feiern sich mit Alkoholtestkäufen - mal das Innenministerium, mal das Sozialministerium -, aber wenn es darum geht, die örtlichen Jugendämter gemeinsam mit der Polizei vor Ort zu unterstützen, dann schlagen Sie sich in die Büsche, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der SPD)

Wenn es darum geht, eine Bundesratsinitiative auf den Weg zu bringen, um ein Mindestbußgeld von 1 500 Euro beim Verkauf von Alkohol an Kinder und Jugendliche einzuführen, sind Sie nicht bereit, klare Konsequenzen zu ziehen. Sie sind auch dagegen, eine effiziente und unabhängige Selbstkon

trolle bei Alkoholwerbung zu schaffen. Meine Damen und Herren, alle diese Forderungen stehen in unserem Antrag, den Sie seit Monaten nicht beraten konnten.

Sie müssen sich entscheiden: Entweder steht beim Thema Alkoholmissbrauch bei Kindern und Jugendlichen der konsequente Kinder- und Jugendschutz im Vordergrund oder aber die Gewinnerwartung der Alkoholindustrie.

(Heidemarie Mundlos [CDU]: Also jetzt ist aber gut!)

Sie werden nicht beides miteinander verknüpfen können, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN - Glocke des Präsidenten)

Abschließend sage ich Ihnen noch einmal: Wir haben acht Monate auf Ihren Änderungsantrag gewartet, weil Sie Interesse signalisiert haben, wie bisher bei einem solchen Thema einen gemeinsamen Antrag auf den Weg zu bringen. Das, was Sie gemacht haben, ist aber die übelste Form des Linkens untereinander. So ist eine sachliche Zusammenarbeit mit Ihnen nicht möglich. Ich bedauere das wirklich; denn hier geht es um die Sache. Aber so nicht! Profilierung können Sie an dieser Stelle von uns auch anders bekommen, meine Damen und Herren. Verlassen Sie sich darauf!

(Starker, anhaltender Beifall bei der SPD und bei der LINKEN)

Zu einer Kurzintervention auf den Beitrag von Herrn Schwarz hat sich Herr Riese gemeldet. Sie haben anderthalb Minuten. Bitte!