Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir kommen dann zu den Tagesordnungspunkten 30 und 31, die ich vereinbarungsgemäß zusammen aufrufe:
Erste Beratung: Wiederherstellung der gültigen Arbeitszeitverordnung für Lehrkräfte - Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/105 - Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 16/152
Erste Beratung: Wort halten - Arbeitszeitkonten wie zugesagt an Lehrerinnen und Lehrer zurückzahlen und Unterrichtsversorgung sicherstellen - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 16/122 - Änderungsan
Zur Einbringung des Antrages in der Drucksache 16/105 hat sich die Abgeordnete Reichwaldt von der Fraktion DIE LINKE gemeldet. Frau Reichwaldt, ich erteile Ihnen das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst eine Bemerkung an den Kollegen Klare. Gestern haben über 11 000 Lehrerinnen und Lehrer in Hannover gegen den Wortbruch der Landesregierung bei der Rückzahlung der Arbeitszeitkonten protestiert.
Vor zwei Tagen haben Sie vor diesem Hause die Demonstration für überflüssig erklärt. Würden Sie das heute, nach dieser Kundgebung der Lehrerinnen und Lehrer, noch aufrechterhalten?
(Wolfgang Jüttner [SPD]: Herr Klare hat zustimmend genickt! - Gegenruf von Karl-Heinz Klare [CDU]: Ja, weil ihr den Leuten etwas Falsches erzählt habt!)
Gestern gab es eine „Nachhilfestunde der Empörten“ für die Kultusministerin, wie die Hannoversche Allgemeine Zeitung in ihrer Ausgabe von heute titelt. Die Verschiebung des Ausgleichs der Arbeitskonten, zunächst ohne Kompensation auf den Zeitpunkt kurz vor der Pensionierung geplant, soll jetzt dank massivem Druck auf vier Jahre reduziert werden. Es bleibt ein Vertrauensbruch ohnegleichen. Ich frage mich weiter, wie diese Kultusministerin Vertrauen wiedergewinnen kann.
Die gestrige machtvolle Kundgebung hat gezeigt: Diese Kultusministerin hat ihren Vertrauensvorschuss vollständig verspielt, egal wie schnell sie jetzt zurückrudert.
Die Verschiebung der Rückzahlung der Arbeitszeitkonten wurde seitens des Ministeriums mit der Entwicklung der Schülerzahlen, der Altersstruktur der Lehrerschaft, einer erhöhten Lehrersollstundenzuweisung im Rahmen der Schulzeitverkürzung, mit dem Ausbau der Ganztagsbetreuung und anderen Dingen begründet.
sind Fakten, die einem vorausschauenden Ministerium schon in den letzten Jahren hätten bekannt sein müssen.
Diese Entwicklungen dürfen nicht auf dem Rücken der Lehrkräfte ausgetragen werden, da hier durch geeignete Maßnahmen, insbesondere Neueinstellungen von Lehrkräften, rechtzeitig hätte Vorsorge getroffen werden können und müssen.
Erhöhte Sollstundenzuweisungen und Pflichtstundenzahlen, der Ausbau von Ganztagsbetreuung und notwendige Mehrarbeit im Rahmen der Eigenverantwortlichen Schule sind erst recht kein Naturgesetz, sondern auf Regierungsentscheidungen und Umsetzungen durch das Ministerium zurückzuführen.
Die somit seit der Einführung der Arbeitszeitkonten hinzugekommenen weiteren gewichtigen Tatbestände sind „hausgemacht“ und zum Teil, z. B. bei einer Ganztagsbetreuung, auch erfreulich, dürfen jedoch keinesfalls auf dem Rücken der vorhandenen Lehrkräfte ausgetragen werden. Es führt auch aus der Sicht der LINKEN kein Weg an einer sinnvollen und gebotenen Neuanstellung von mindestens 2 000 neuen Lehrkräften in Niedersachsen vorbei.
Die Behauptung, dass fachspezifischer Unterrichtsbedarf nur unzureichend durch Neueinstellungen abgedeckt werden kann, bedarf der genauen Überprüfung und der Beantwortung der Frage, was seitens des Ministeriums getan wird, um diesen eventuellen Lehrkräftemangel in Zukunft auszuschließen. Eine ständige Verschlechterung der Arbeitsbedingungen für Lehrerinnen ist im Übrigen kaum geeignet, diesen Berufen die dafür notwendige Attraktivität zu geben.
Allenfalls wäre als Notfallplan bei akuten und nachweislich nicht kurzfristig behebbaren Lehrkräftemangeln ein späterer freiwilliger Ausgleich von Mehrarbeit mit Verzinsung des Arbeitszeitkontos denkbar. In diese Richtung rudert die Ministerin ja nun auch zurück. Eine solche freiwillige Lösung müsste jedoch tatsächlich so gestaltet werden, dass das Land im Prinzip Strafzinsen zahlt, die das Ministerium zwingen würden, endlich alle notwendigen Schritte zur Neueinstellung von Lehrkräften und zur Nachwuchsgewinnung, wie sie z. B. im
Demonstrationsaufruf der GEW zu finden waren, umzusetzen. Was auch immer angeboten wird: Die Kolleginnen und Kollegen brauchen Rechtssicherheit.
Das, was jetzt vorliegt, ist eine Kabinettsvorlage und eine unverbindliche Willenserklärung der Ministerin, dass alle sofort mit dem Ausgleich ihrer Arbeitszeitkonten beginnen können. Diese Absichtserklärung reicht nicht. Wir unterstützen die Forderung der GEW, den Rechtsanspruch auf sofortigen Ausgleich in einem öffentlich-rechtlichen Vertrag zu regeln. Die Kolleginnen müssen ab dem kommenden Schuljahr mit dem Ausgleichen beginnen können, so wie es bei der Einführung des Überstundenkontos zugesagt wurde.
Eines zeigen jedoch die gestrige Demonstration und das vorherige und sicherlich noch kommende Presseecho zu diesem Thema: Das geschlossene Handeln aller Lehrerverbände und die Positionierung dreier Oppositionsparteien dazu wirken!
und zwar mit einer Parteitagsentschließung vom 19./20. April, die wir in unserem Entschließungsantrag weitgehend übernehmen.
Wir beantragen angesichts der Ungeduld der Lehrerinnen und Lehrer in dieser Angelegenheit, über den Antrag heute sofort abzustimmen.
Frau Ministerin, halbherziges Zurückrudern reicht nicht aus. Die Änderung der Regelung der Rückzahlung der Arbeitszeitkonten muss vom Tisch.
(Beifall bei der LINKEN - Karl-Heinz Klare [CDU]: Das wäre aber schade für die Lehrer, Frau Reichwaldt! Dann würden Sie alle Lehrer benachteili- gen!)
Meine Damen und Herren! Jetzt hat Herr Poppe das Wort, um den Antrag der SPD-Fraktion einzubringen. Bitte schön, Herr Poppe!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn Sie von der CDU und von der FDP gedacht haben und wenn die Regierung gedacht hat, mit einer Pressekonferenz und ein bisschen Entgegenkommen die landesweite Empörung eindämmen zu können, dann haben Ihnen die niedersächsischen Lehrerverbände gestern das Gegenteil bewiesen.
Immerhin mehren sich aber die Anzeichen, die darauf hindeuten, dass Sie dem Anliegen der Lehrkräfte entsprechen und tatsächlich etwas Entgegenkommen zeigen werden. Mit dem ursprünglichen Kabinettsbeschluss zur Änderung der Arbeitszeitverordnung werden die jetzt angekündigten Formulierungen nur noch wenig zu tun haben. Und das ist auch gut so.
Das wäre dann - warten wir die Formulierungen im Detail ab - ein Erfolg der Lehrerproteste und der Oppositionsfraktionen, die gemeinsam dafür gesorgt hätten, dass stümperhaftes Regierungshandeln rechtzeitig korrigiert würde.
Genauso wie die gestern demonstrierenden Lehrer kann ich nämlich eine echte Bereitschaft zum Umdenken nicht erkennen.