Protokoll der Sitzung vom 11.06.2010

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Dr. Biester, Ihre Rede, die Sie gerade für die Landesregierung und für die Mehrheitsfraktionen gehalten haben, war schon eine Verteidigungsrede. Sie befinden sich völlig in der Defensive.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

In vorauseilendem Gehorsam senken Sie schon jetzt die Erwartungen an die Verhandlungsergebnisse und haben auch schon die Ausflucht: Am Ende liegt es daran, dass auf beiden Seiten auch Bremen mit am Tisch sitzt. - Niedersachsen hält 51 % an der JadeWeserPort Realisierungsgesellschaft. Der Hafen wird auf unseren Landesflächen realisiert. So kommen Sie aus der Verantwortung nicht heraus. Sie haben die Verträge mit Eurogate gemacht! Sie sind im Augenblick für die Fristen verantwortlich! Sie haben gegenüber der Bevölkerung Versprechungen hinsichtlich der Schienenanbindung und des entsprechenden Lärmschutzes gemacht! Sie haben die Turboprämie ausgelöst und gesagt: Wir müssen die 8,5 Millionen Euro in die Hand nehmen, damit es schneller fertig wird. - Jetzt ist das für Niedersachsen zu einem ganz teuren Bumerang geworden. Jetzt ist die Turboprämie das Gegenteil von dem, was wir brauchen. Jetzt brauchen wir eigentlich eine Verlangsamungsprämie.

(Ulf Thiele [CDU]: Jetzt aber mal langsam! Sie wollen, dass der Hafen später fertiggestellt wird? Das ist doch ein Skandal!)

- Entschuldigung! Was hat denn gerade Ihr Fraktionskollege gesagt? - Er will, dass wir den auf das nächste Jahr anberaumten Fertigstellungstermin einhalten. Er freut sich dann, wenn der Betrieb im August des übernächsten Jahres beginnt. Haben Sie eigentlich einmal nachgerechnet, wie viel Geld das kostet?

(Ulf Thiele [CDU]: Das ist doch Quatsch!)

Wir müssen den Hafen bezahlen, wenn er fertig ist. Ich kann Ihnen das einmal als Architekt sagen; vielleicht wissen Sie es ja nicht. Man muss ein Bauwerk bezahlen, wenn es fertig ist. Ab jetzt lau

fen schon die Zinsen von dem, was schon bezahlt ist. Wir haben aber noch keine Einnahmen ab nächstem November bis hin zu dem Zeitpunkt irgendwann in der Zukunft, zu dem Sie es schaffen werden, dass Eurogate und Maersk ihren Betrieb beginnen. Ihr Projektmanagement in Wilhelmshaven ist ein einziges Desaster zulasten der Steuerzahler in diesem Land.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Lesen Sie doch einmal die Protokolle der letzten Monate und des letzten Jahres nach! Was hat denn diese Landesregierung alles versprochen? - Sie hat die Termine versprochen. Sie hat gesagt: Da wird der Betrieb stattfinden. Wir haben eine rechtssichere Position. Da gibt es überhaupt kein Vertun. Wir verhandeln. Das müssen wir ja machen. Aber der Termin wird gehalten. - Sie haben gesagt: Natürlich wird die Schienenanbindung an den Hafen einschließlich des Lärmschutzes rechtzeitig fertig sein. - Wir haben ständig Sondersitzungen der Ausschüsse mit Berliner Beteiligung durchgeführt. Und was erleben wir jetzt? - Ihre schwarz-gelbe Bundesregierung hat es versäumt, in den Haushalt 2010 und in die mittelfristige Finanzplanung die dafür erforderlichen Mittel einzusetzen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Das ist doch ein Skandal! Hier in Niedersachsen regiert Schwarz-Gelb. Im Bund regiert auch Schwarz-Gelb. Und beide Seiten verhindern es, dass der Hafen rechtzeitig ans Netz geht und dass auch rechtzeitig eine leistungsstarke Schienenanbindung einschließlich des Lärmschutzes vorhanden ist. Das ist ein Skandal. Ihre Behauptung, dass Sie wirtschaftlich kompetent und für das Land da sind, erweist sich in diesem Fall als das Gegenteil. Sie vergeuden hier Steuergelder. 80 Millionen Euro an Nachforderungen von Bunte stehen noch im Raum. Die 8,5 Millionen Euro für die Turboprämie sind völlig nutzlos verausgabt worden, und jetzt entstehen noch 15 Millionen oder sogar noch mehr Euro an Stillstandskosten und zusätzliche Zinsausgaben dadurch, dass der Hafen später ans Netz geht.

Und jetzt ein letzter Satz!

Das ist ein einziges Desaster, und diese Landesregierung hat dies zu verantworten.

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Danke schön, Herr Hagenah. - Für die FDPFraktion hat Herr Kollege Rickert das Wort. Bitte schön!

(Christian Grascha [FDP]: Jetzt wird es wieder seriös!)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Tat befassen wir uns heute hier im Plenum nicht zum ersten Mal mit dem JadeWeserPort, dem zugegebenermaßen größten Infrastrukturprojekt des Landes, vor allem natürlich auch der Städte Wilhelmshaven und Oldenburg. Das ist aber auch ein Infrastrukturprojekt für die Bundesrepublik Deutschland. Das sollten wir viel mehr kommunizieren - gerade auch in den Süden der Republik -, anstatt uns hier gegenseitig mit schlauen Reden zu beschimpfen.

(Beifall bei der FDP)

Ich sage hier nur eines, was auch Walter Hirche hier des Öfteren angemerkt hat: Was nützen den Süddeutschen die besten Produkte, wenn die Transportwege in den Weltmarkt nicht ausreichend geebnet sind? - Ich glaube, es ist an der Zeit, dass alle Abgeordneten dieses Landtags dies erkennen und diese Erkenntnis der Bundespolitik - ganz gleich, welcher Couleur - gemeinsam nahebringen.

Der Antrag der SPD-Fraktion enthält insgesamt drei Gesichtspunkte. Der eine ist der Zeitpunkt der Inbetriebnahme, der zweite die verkehrliche Anbindung mit Zweigleisigkeit und Elektrifizierung, und der dritte sind die Lärmschutzmaßnahmen. Der Antrag enthält aber nichts zur Beseitigung des Problems der höhengleichen Bahnübergänge, das wir ja auch noch zu lösen haben. Als Oldenburger nenne ich nur einmal die Stichworte „Bahnübergang Alexanderstraße“ und „Ofenerdiek“.

(Olaf Lies [SPD]: Ein guter Hinweis!)

Ich komme zum ersten Teil, nämlich zur Vereinbarung zwischen der JadeWeserPort Realisierungsgesellschaft mbH und der Eurogate Container Terminal Wilhelmshaven GmbH & Co. KG. Es

scheint sich im Hinblick auf die Inbetriebnahme - auch ich kenne die Vertragsverhandlungen natürlich nicht - eine neunmonatige Verspätung bis August 2012 abzuzeichnen. Ich kann den rechtlichen Teil, wie gesagt, nicht würdigen. In gewisser Hinsicht habe ich aber auch Verständnis für das Unternehmen Eurogate, das angesichts zurückgehender Containerzahlen auch seinen Terminal CT 4 in Bremerhaven im Fokus haben muss.

(Enno Hagenah [GRÜNE]: Ein teures Verständnis!)

Die Geschäftsführung hat natürlich das Problem, dass sie ihrer eigenen Belegschaft klarmachen muss, dass sie dann, wenn sie auf der einen Seite die Kapazitäten in Wilhelmshaven aufbaut, auf der anderen Seite aber auch die Mitarbeiter in Bremerhaven in Kurzarbeit schicken muss bzw. Leiharbeiter überhaupt nicht mehr weiterbeschäftigen kann. Dafür, dass das den Sozialdemokraten nicht gefällt, habe ich überhaupt kein Verständnis. Ich hoffe natürlich, dass das Land für die anfallenden Kapitalbindungskosten einen entsprechenden Ausgleich erhält.

Ich komme zur Zweigleisigkeit und Elektrifizierung. Das ist hier angesprochen worden. In der Tat ist man mit der durchgehenden Zweigleisigkeit, soweit es scheint, mit dem Inbetriebnahme- oder Fertigstellungsdatum 2014 zu spät dran. Die Umbau- oder Inbetriebnahmearbeiten würden den reibungslosen Gesamtbetrieb, der ja 2012 laufen soll, erheblich stören. Das können wir in der Tat so nicht akzeptieren. Wie ich den Protokollen entnommen habe, soll die Elektrifizierung, wenn es so kommt, sogar erst 2017 fertig sein. Das ist natürlich überhaupt nicht akzeptabel; denn der Anspruch auf Lärmschutz ist unmittelbar mit der Elektrifizierung verbunden, und eine Verschiebung der Lärmschutzmaßnahmen auf den SanktNimmerleins-Tag können wir uns überhaupt nicht gefallen lassen. Das ist nicht akzeptabel.

(Zustimmung von Olaf Lies [SPD] und Enno Hagenah [GRÜNE] - Olaf Lies [SPD]: Komisch! Das scheint die Frei- en Demokraten nicht so sehr zu inte- ressieren! - Gegenruf von Christian Dürr [FDP]: Doch, natürlich!)

Meine Redezeit lässt es nicht zu, hier weitere Einzelheiten zu besprechen.

Wer wie ich seit meinem Einzug in den Landtag die Diskussionen und die Statements zu vermeintlichen Zusagen zu Finanzierung und Zeitplänen

verfolgt, kann sich gelegentlich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier zwischen der Bundesregierung und der Deutschen Bahn Pingpong gespielt wird.

(Olaf Lies [SPD]: Allerdings!)

Wie man hört, hat die Bahn mittlerweile ihre Planungsaufgaben - wenn auch spät; hoffentlich nicht zu spät - im Griff, und der Ball liegt im Feld der Bundesregierung. Ob die Minister nun Tiefensee oder Ramsauer heißen - denn Minister Tiefensee hat es auch versäumt, die entsprechenden Finanzierungsmittel bereitzustellen; das hat mich immer ein bisschen an das „virtuelle Finanzamt“ erinnert; Sie können das vielleicht noch nachvollziehen -,

(Enno Hagenah [GRÜNE]: Der letzte Haushalt ist aber von Schwarz-Gelb!)

richtig konkret und verbindlich wird das mit den Finanzierungsvereinbarungen und der Zeitplanung nicht.

Unsere Wirtschaftsminister - ob sie nun Hirche, Rösler oder Bode heißen - laufen sich in Berlin einen Wolf, um hier endgültige und positive Klarheit zu bekommen. Wir sollten sie bei ihrem Bemühen unterstützen, und zwar geschlossen - nach Möglichkeit auch gemeinsam mit den anderen norddeutschen Bundesländern.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Danke schön, Herr Rickert. - Zu einer Kurzintervention auf Sie hat sich von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - - -

(Elke Twesten [GRÜNE] gerät auf ih- rem Weg zum Redepult ins Stolpern)

- Frau Twesten ist gestürzt. Ich hoffe, dass nichts passiert ist.

(Elke Twesten [GRÜNE]: Nein, es ist nichts passiert!)

- Gut. Ich freue mich, dass alles gut gegangen ist. - Frau Twesten, Sie haben das Wort.

Herr Rickert, auch wenn ich Ihnen eben fast in die Arme gefallen wäre, muss ich Ihnen zu dem, was Sie gesagt haben, doch ein bisschen entgegenhalten. Ich kann überhaupt kein Verständnis dafür aufbringen, dass Sie Eurogate und Maersk Ver

ständnis dafür entgegenbringen, dass sie nach Bremerhaven gehen. Die Aufgabe dieser Landesregierung wäre doch, tatsächlich die niedersächsischen Interessen zu vertreten - und nicht auf die Wirtschaftsinteressen von Eurogate und Maersk abzuzielen. Das kann ich an dieser Stelle überhaupt nicht nachvollziehen.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Das ist die FDP!)

Sie reden davon, dass dieser Hafen in Volllast fahren soll, und wissen schon heute nicht, wie Sie die Reeder für den Hafen begeistern sollen. Sie haben die Fachwelt nicht überzeugen können, wieso der JadeWeserPort einzigartig sein soll und wieso zusätzlich möglicherweise auch noch andere Logistiker diesen Hafen anlaufen sollen.

Bis heute - ich habe das Herrn Bode bereits einmal gefragt - liegt noch nicht einmal ein Antrag von Eurogate vor, in dem es darum geht, wie die Container dort abgefertigt werden sollen. Hierzu bedarf es eines Erkundungsverfahrens, hierzu bedarf es der Einrichtung von Hafentelematik, und hierzu bedarf es einer Bundesgesetzgebung. Alle diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Und dann wollen Sie uns hier erzählen, dieser Hafen werde rechtzeitig in Betrieb gehen! Das ist ein Märchen.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN)

Herzlichen Dank, Frau Kollegin Twesten. - Herr Rickert möchte antworten. Sie haben ebenfalls 1:30 Minuten. Bitte schön!