Meine Damen und Herren, informieren Sie die Bürgerinnen und Bürger über ihr Recht zum Widerspruch! Geben Sie ihnen Musterwidersprüche an die Hand, die aus meiner Sicht auf die Seiten der Ministerien gehören! Helfen Sie insbesondere denen, die im Internet nicht so firm sind und sich auf traditionellem Weg zur Wehr setzen wollen! Informieren Sie die Bürgerinnen und Bürger, dass sie zu jeder Zeit Widerspruch erheben können und nicht an eine Vierwochenfrist gebunden sind! Gerne hätte ich auch die Frage diskutiert, wie man mit der Monopolisierung von frei zugänglichen Informationen im öffentlichen Raum in Zukunft umgehen möchte. Hier hätten wir Antworten geben müssen. Vor allen Dingen müssen wir uns auch mit der Frage beschäftigen: Wie würden diejenigen, die jetzt zustimmen, reagieren, wenn der Staat angekündigt hätte, die Daten zu sammeln, die Google Street View jetzt bereitstellt?
Wir benötigen dringend eine Landesinitiative zur Stärkung der Medienkompetenz. Gerade die jüngere Generation sieht eher die Chancen denn die Gefahren der neuen Medien. Wir sollten sie in einer verantwortungsvollen Nutzung unterstützen und ihnen gleichzeitig klarmachen, welche Folgen die Einstellung persönlicher Daten und Fotos in einem niemals vergessenden Internet haben kann. Die neuen Medien bieten große Chancen, wenn wir als Politik für eine Eindämmung der ebenfalls existierenden Gefahren sorgen. Deswegen müssen wir handeln. Wir brauchen mehr als eine Aktuelle Stunde.
Danke schön, Herr Tonne. - Für die Landesregierung spricht Herr Minister Schünemann zu diesem Thema. Bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin dem Parlament sehr dankbar für eine sehr sachliche und ausgewogene Debatte. Sie hebt sich sehr angenehm von der teilweise hektischen Debatte ab, auch von Politikern geführt, mit Forderungen, die vielleicht nicht zum Ziel führen.
Bei allen Redebeiträgen ist zum Ausdruck gekommen, dass es sich hier um eine klassische Abwägung handelt. Auf der einen Seite geht es um die wirtschaftliche Unternehmensfreiheit und die Informationsfreiheit jedes einzelnen Bürgers. Auf der anderen Seite geht es darum, die Persönlichkeitsrechte, den Persönlichkeitsschutz zu gewährleisten. Informationelle Selbstbestimmung ist ein ganz hoch zu schützendes Gut. Hier geht es darum, dass man selber bestimmen will, welche persönlichen Daten wo und in welchem Ausmaß dargestellt werden.
Deshalb müssen wir uns genau anschauen, wie wir beim Thema Google Street View vorgehen. Gerade ist von den Linken dargestellt worden, dass wir geschlafen hätten. Das ist insgesamt nicht richtig; denn schon im Jahr 2008 haben die Datenschutzbeauftragten klar gesagt: Hier müssen wir tätig werden. - Sie haben den Hamburger Datenschutzbeauftragten gebeten, die Gespräche mit Google aufzunehmen. Daraus ist ein Forderungskatalog mit 13 Punkten verbindlich vereinbart worden. Genau diese Punkte sind entscheidend. Klar ist, dass Personen ebenso wie Kfz-Kennzeichen und Hausnummern verschleiert werden, dass ein Widerspruchsrecht nicht nur eingeräumt wird, sondern man es auch nachvollziehen können muss. Es kann vor Einstellung der Daten verschleiert werden. Dies ist aber auch jederzeit im Nachhinein möglich.
Ich bin sehr froh, dass der Hamburger Datenschutzbeauftragte dies so nicht nur vereinbart, sondern auch umgesetzt hat. Trotzdem gibt es Verunsicherung, die wir sehr ernst nehmen müssen. Deshalb hat der Hamburger Senat im Bundesrat ein Gesetz eingebracht, in das genau diese 13 Punkte aufgenommen worden sind. Es ist die Frage, ob das notwendig war oder nicht; denn die Datenschutzbeauftragten selbst sagen, dass das bestehende Gesetz völlig ausreicht, um die Kontrolle vorzunehmen. Das ist der entscheidende
Punkt. Dennoch ist es richtig, dass wir ein Zeichen gesetzt haben, um zu einer klaren gesetzlichen Regelung zu kommen.
Ich habe allerdings genauso Verständnis für den Bundesinnenminister, der sagt: Wir müssen aufpassen, ob die Dinge, die wir im Bundesrat beschlossen haben, tatsächlich zielführend sind, ob es nicht nur eine Lex Google ist und ob wir durch dieses Gesetz vielleicht nicht sogar die Marktstellung von Google verfestigen. Ich habe Gespräche mit kleineren Geoinformationsbetrieben geführt, die vieles von dem gar nicht umsetzen können. Das Gesetz ist so formuliert, dass wir anschließend Probleme haben können. Wenn wir damit ein Monopol verfestigen können, müssen wir sehr vorsichtig sein. Deshalb ist es richtig, dass wir uns in dem Zusammenhang Zeit nehmen.
Zum Widerspruchsrecht, das hier eingeräumt worden ist: Es war wichtig, von den Datenschutzbeauftragten festzulegen, dass in jeder Stadt kenntlich gemacht wird, dass Google dort die Aufnahmen tätigt; denn dann konnte von Anfang an Widerspruch eingelegt werden. All die Informationen, die hier eingefordert werden, sind bei den Datenschutzbeauftragten nicht nur über das Internet, sondern auch in Papierform erhältlich. Sie können nicht nur Widerspruch einlegen, in dem Sie das Tool im Internet benutzen. Sie können es genauso schriftlich machen. Google sitzt zur Stunde mit dem Hamburger Datenschutzbeauftragten zusammen, um die Zeit für das Einlegen des Widerspruchs noch zu verlängern, wahrscheinlich um zwei Wochen. Dies ist der Punkt, der noch eingehalten werden muss.
Meine Damen und Herren, warum sage ich das so ausführlich? - Es macht keinen Sinn, in Hysterie zu verfallen; denn - das ist wichtig - schon die bestehende Gesetzeslage gibt es her, dass der Datenschutzbeauftragte das Widerspruchsrecht kontrolliert. Er kann insbesondere auch kontrollieren - er hat auch entsprechende Sanktionsmöglichkeiten -, ob die Daten - das betrifft auch den Fall, dass z. B. ein Haus verschleiert dargestellt oder aus einem Bild entfernt wird - sofort gelöscht werden und damit kein Missbrauch betrieben wird. Diese Möglichkeit gibt das geltende Recht schon her, und das ist auch notwendig.
Ich will Ihnen einen Punkt nennen, der nicht geregelt ist - ich bin froh, dass der Bundesrat in diesem Bereich tätig geworden ist; Niedersachsen hat dem auch zugestimmt; dieser Punkt kann nicht durch
Gesetz, sondern nur durch eine Vereinbarung auf internationaler Ebene geregelt werden -: Wenn Daten aus dem europäischen Ausland z. B. in die USA transferiert werden, dann hat der Datenschutzbeauftragte keine Möglichkeit zur Kontrolle.
Deshalb will ich Ihnen zum Abschluss einen ganz wichtigen Punkt aus der Bundesratsentschließung vorlesen - wir müssen die Bundesregierung auffordern, hier international tätig zu werden -: Geschaffen werden sollen „völkerrechtliche Vereinbarungen zur datenschutzrechtlichen Verantwortlichkeit, die auch für nicht öffentliche Stellen, die ihren Sitz außerhalb der EU haben, verbindlich sind und deren Einhaltung von den deutschen Datenschutzaufsichtsbehörden wirksam überprüft werden kann“. Das ist ganz entscheidend, um diesen aus meiner Sicht letzten Punkt abschließend zu regeln.
Abschließend möchte ich sagen, meine Damen und Herren: Ich bin froh, dass diese Debatte geführt wird. Denn das Internet darf kein rechtsfreier Raum sein.
Ich finde es richtig, dass wir jetzt bei Google Street View ganz genau hinschauen. Ich finde es aber genauso richtig, auch in anderen Bereichen die Rechtsfragen zu prüfen. Ich habe mich bei der Initiative der damaligen Bundesfamilienministerin von der Leyen im Bereich Kinderpornografie sehr dafür eingesetzt. Dabei ist argumentiert worden, dass wir das nicht regulieren können und sollen. Das hat mich schon sehr verwundert.
Meine Damen und Herren, wir dürfen im Internet keinen rechtsfreien Raum schaffen. Dabei geht es nicht nur um informationelle Selbstbestimmung, sondern auch darum, Kriminellen das Handwerk zu legen. Diese Debatte muss genauso geführt werden. Ich würde mich freuen, wenn wir darüber genauso sachlich diskutieren würden.
Herzlichen Dank, Herr Minister Schünemann. - Ich stelle fest, dass damit der Tagesordnungspunkt 13 c erledigt ist.
Ministerin Grotelüschen im Interessenkonflikt zwischen Tierschutz und industrieller Massentierhaltung - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/2720
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am 9. August zeigte die ARD grausame Bilder von gequälten Puten aus Mastanlagen und konfrontierte damit die Ministerin Grotelüschen. Danach und in den folgenden Tagen behauptete die Ministerin, die Zustände seien nicht wünschenswert, aber es sei unklar, ob die Bilder überhaupt aus Mastställen im Zusammenhang mit dem Unternehmen ihres Mannes kommen. Außerdem habe sie damit selbst überhaupt nichts zu tun.
Die Ministerin berief sich dabei auf drei eidesstattliche Erklärungen von Putenmästern, die abstritten, dass die Bilder im April aufgenommen worden seien. Einmal davon abgesehen, dass laut ARD die Bilder vom Juli stammen, wie auch eine aktuelle Zeitung im Film zeigt, war sehr verwunderlich, dass das Ministerium auf Nachfrage von Journalisten nicht bereit war, die eidesstattlichen Versicherungen vorzulegen.
Mir liegen drei Faxe mit den eidesstattlichen Erklärungen der augenscheinlich betroffenen Minister vor.
(Zurufe von der CDU: Minister? - Jens Nacke [CDU]: Welche Minister? - Björn Thümler [CDU]: Was reden Sie denn da? - Gegenruf von Stefan Wenzel [GRÜNE]: Ist ja gut! Das er- klärt er doch gerade!)
- Mäster. - Wenn das, was ich hier lese, zutrifft und die Faxe stimmen, dann gibt es ein weiteres Problem für Sie, Frau Grotelüschen, und zwar ein riesengroßes.
Wochenlang haben Sie nähere Beziehungen zwischen den Unternehmen Ihres Mannes, in denen Sie lange selbst an höchstverantwortlicher Stelle tätig waren, und den offensichtlichen Skandalmästern abgestritten. Das erste Fax wurde am 6. August um 9.41 Uhr, offenbar von der Mastputenbrüterei Ihres Mannes vorformuliert, an die Mäster geschickt. Die Betroffenen brauchten nur noch zu unterschreiben
und faxten die vom Grotelüschen-Betrieb formulierte Erklärung unverändert wenige Stunden später zurück, wie man oben an der Faxkennung erkennen kann.
Das heißt, bereits drei Tage vor der Veröffentlichung der Vorwürfe in der ARD-Sendung - also bevor die Mäster und Betriebe eigentlich von den Vorwürfen wissen konnten - sorgte sich demnach der Betrieb Ihres Mannes um eine Abwehrstrategie. Diese allerdings brach schnell zusammen, als die ungeschnittenen Filmaufnahmen vom NDR gezeigt wurden.
Meine Damen und Herren, ich frage mich und frage Sie: Von wem konnte die Mastputenbrüterei von Herrn Grotelüschen über die Vorwürfe informiert worden sein? Warum ließ der Ehemann der Ministerin offenbar die eidesstattlichen Versicherungen wortidentisch vorformulieren, obwohl es doch mit der Mast und seinen Bedingungen angeblich keine Verbindung gebe?
(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN - Karl-Heinz Klare [CDU]: Das ist hier eine Aktuelle Stunde!)
Jetzt bitte ich um besondere Aufmerksamkeit: Weil möglicherweise eine der drei Mästerinnen die vorformulierten Erklärungen nicht unterschrieben hatte, wurde am 6. August um 11.14 Uhr erneut ein Fax versendet, also rund anderthalb Stunden nach den ersten Faxen. Der Faxabsender ist dieses Mal nicht die Mastputenbrüterei Ihres Mannes, sondern die Nummer: 0 44 35/ 96 68 77. Frau Ministerin, Sie werden das sicher bestätigen: Das ist Ihre
private Faxnummer - laut Ihrer offiziellen Homepage, laut Ihrer Eintragung im Bundestagshandbuch und im Rat der Gemeinde Großenkneten.