Protokoll der Sitzung vom 19.08.2010

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Sehr schade!)

Die Studienplätze, die mit dem sogenannten Hochschulpakt neu geschaffen werden, sind unterfinanziert und die benötigten Ausbildungsplätze wiederum nicht vorhanden, wie meine Zahlen belegt haben.

Meine Damen und Herren, vor dieser Situation dürfen die Augen nicht verschlossen werden. Darum fordert die Linksfraktion die Landesregierung auf, hier rasch nachzubessern. Es ist enormer Handlungsbedarf vorhanden. Die Schulabgängerinnen und Schulabgänger dürfen nicht auf der Straße stehen gelassen bzw. nicht aus unserem Bundesland vertrieben werden, um sich anderswo Perspektiven zu suchen.

Schließen Sie sich unserem Antrag an, lassen Sie uns darüber diskutieren, und handeln Sie endlich.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke schön. - Für die SPD-Fraktion hat Herr Kollege Will das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Fraktion DIE LINKE hat auf ca. zwei DIN-A4-Seiten ihres Antrags ausführlich die Themen Jugendarbeitslosigkeit und Arbeitslosigkeit allgemein beschrieben. Sie hat es allerdings auch mit so vielen weiteren Aspekten vermischt, dass der Titel und die Zielsetzung eher unscharf werden. Es wirkt stellenweise wie ein Besinnungsaufsatz, was Sie hier abgeliefert haben.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Sehr gut, Herr Will!)

Die Zahlen sind im Wesentlichen unstrittig. Wir haben aber auch kein Erkenntnis-, sondern ein Handlungsdefizit.

Wegen der besseren konjunkturellen Entwicklung stabilisiert sich zwar der Arbeitsmarkt, die Kurzarbeit geht zurück, die Zahl der Arbeitslosen sinkt, aber auf Kosten einer massiven Ausweitung der Leiharbeit. Gerade die Arbeitnehmergruppen, die davon betroffen sind, schließen Sie von fairen Arbeitsbedingungen und fairer Bezahlung aus. Hier sieht die Landesregierung immer noch keinen Handlungsbedarf. Minister Bode hat es gerade wieder angepriesen. Aber welchen Modal Split wollen Sie auf Dauer? Wollen Sie 50 % Leiharbeit und 50 % Festanstellung? Wollen Sie 60 % Leiharbeit? Wo soll das enden, wenn Sie der Entwicklung der Leiharbeit immer nur hinterherlaufen?

(Beifall bei der LINKEN)

Ich sage Ihnen deutlich: Wir wollen keine schlechteren Arbeitsbedingungen durch Leiharbeit, wir wollen nicht Arbeit in Armut, wir wollen nicht Arbeit um jeden Preis. Da unterscheiden wir uns von Ihnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Damit das auch klar ist: So sichert man auf Dauer keinen qualifizierten Facharbeiterstamm in den Unternehmen.

(Zuruf von Kurt Herzog [LINKE])

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, nun zur Jugendarbeitslosigkeit und zum Ausbildungsplatzmangel:

Fest steht, dass die Bewerberzahlen seit 2008 leicht sinken. Aber auch in diesem Jahr werden weit über 50 000 Jugendliche auf den Ausbildungsmarkt drängen. Es geht darum, möglichst vielen von ihnen die Chance zur Aufnahme einer dualen Ausbildung zu geben.

Hier hat die Landesregierung trotz der Folgen aus der Wirtschaftskrise gemeinsam mit der Wirtschaft dafür zu sorgen, dass möglichst viele betriebliche Ausbildungsplätze bereitgestellt werden, um den Jugendlichen eine Auswahlmöglichkeit zu geben.

Eine solche echte Möglichkeit zur Auswahl ist verfassungsrechtlich geboten und arbeitsmarktpolitisch notwendig, um zu verhindern, dass junge Menschen ihre Berufsausbildung abbrechen, da der Beruf einfach nicht zu ihnen passt; denn im letzten Jahr gab es nach Angaben des Wirtschaftsministeriums immerhin noch 1 400 unbesetzte Ausbildungsplätze, aber auch ca. 1 000 unversorgte Jugendliche. Entweder passte man räumlich oder fachlich nicht zusammen. Hier besteht nach wie vor Handlungsbedarf für die Niedersächsische Landesregierung.

In diesem Zusammenhang will ich noch einmal an den Rückstau von Altbewerbern erinnern, die sich seit Jahren bemühen, einen betrieblichen Ausbildungsplatz zu erhalten. Auch dieser Berg schmilzt leider viel zu langsam ab. Hier ist die Landesregierung in der Pflicht, tätig zu werden.

Die rückläufigen Schulabgängerzahlen bieten im Übrigen die Gelegenheit, einen Großteil der Altbewerber mit einem Ausbildungsplatz versorgen zu können. Wir dürfen nicht warten, bis diese jungen Menschen aus Altersgründen von den Unternehmen für eine Ausbildung abgewiesen werden. Wir

müssen aber feststellen, dass die Landesregierung nicht zuletzt wegen des krisenbedingten Rückgangs von Ausbildungsplätzen z. B. im Handwerk nicht genügend unternommen hat, um insbesondere die Altbewerber in Ausbildung zu bringen.

Gleichzeitig gibt es bei einem Teil der Jugendlichen die Tendenz, nach der Abschaffung des flächendeckenden BGJ in eine schulische Warteschleife einzumünden und die betriebliche Ausbildung ein Jahr später zu beginnen. Das ist häufig wenig sinnvoll, weil es die Ausbildung in die Zukunft verschiebt. Die rückläufigen Schulabgängerzahlen und der drohende Auszubildendenmangel bieten nun die Gelegenheit, diese Übergangssysteme auszutrocknen und auf das notwendige Maß zu beschränken.

Meine Damen und Herren, worauf kommt es bei den Zukunftschancen für die Jugend in Niedersachsen an? - Eine Herausforderung stellt der doppelte Abiturjahrgang 2011 dar. Es drohen mögliche Verdrängungseffekte für Haupt-, Real- und Förderschüler, die sich auch um einen Ausbildungsplatz bewerben werden. Dann werden auf keinen Fall 60 000, sondern eher 100 000 junge Menschen in die Ausbildung oder ins Studium drängen. Dann reichen auch nicht 60 000 Ausbildungsplätze aus. Wenn nicht jetzt entschlossene Anstrengungen zur Beschaffung von zusätzlichen Ausbildungsplätzen unternommen werden, steht uns 2011 noch einmal eine Ausbildungsplatzkrise bevor. Entscheidend ist, dass Haupt-, Förder- und Realschüler nicht zu den Verlierern auf dem Ausbildungsmarkt werden

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

und dass gleichzeitig genügend Studienplätze in Niedersachsen zur Verfügung stehen, um eine noch stärkere Abwanderung junger Niedersachsen zu verhindern. Wir brauchen jeden Schulabgänger und jede Schulabgängerin hier im Land.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, es ist Aufgabe der Landesregierung, nicht nur Bündnisse für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs mit der Wirtschaft unter Ausklammerung z. B. der Gewerkschaften zu schließen, sondern sie mit einzubeziehen und dies wirkungsvoll umzusetzen.

(Beifall bei der SPD)

Denn nach den Statistiken der Bundesagentur für Arbeit gilt nach wie vor, dass auch in diesem Jahr - Stand Juli 2010 - in Westdeutschland noch 122 000 Bewerber unversorgt sind, denen nur 85 000 offene Ausbildungsplätze gegenüberstehen. Standortfragen in Niedersachsen entscheiden sich in Zukunft immer mehr über ein gutes Angebot an qualifizierten Fachkräften. Wir stehen unmittelbar vor einem Drehen des Ausbildungsmarktes: Schon ab 2012 wird der Wettbewerb um junge Menschen die Lehrstellenmisere ablösen können.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Das stimmt!)

Das heißt nicht, dass jeder Schulabgänger sofort einen Ausbildungsplatz erhält. Es wird immer Jugendliche geben, die große Schwierigkeiten haben, den Einstieg in den Beruf zu finden. Sie bleiben auf Weiterqualifizierung und auf Unterstützung durch das Land angewiesen. Künftig aber wird der Regelfall anders aussehen. Künftig werden sich die Unternehmen bei den Schulabgängern bewerben müssen. Umso wichtiger ist es, dass wir auch die Bewerber von heute versorgen. Es darf niemand durchs Rost fallen.

(Zustimmung von Johanne Modder [SPD] und von Karl-Heinz Klare [CDU])

Herr Minister, für die Landesregierung muss gelten: Jede Schulabgängerin, jeder Schulabgänger muss 2010 einen Ausbildungsplatz erhalten.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN sowie von Karl-Heinz Klare [CDU])

Danke schön, Herr Will. - Frau König von der FDPFraktion hat sich jetzt zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Antrag heißt zwar „Maßnahmen gegen Jugendarbeitslosigkeit und Lehrstellenmangel“, beschäftigt sich allerdings zum größten Teil mit der allgemeinen Arbeitslosigkeit und beinhaltet eine speziell linke Interpretation der neuesten Zahlen der Arbeitsagentur.

(Olaf Lies [SPD]: Vielleicht gibt es ei- nen Zusammenhang!)

Gespickt ist er überdies mit falschen Auslegungen und leider - trotz der guten Ergebnisse - mit lauter negativen Unterstellungen und Miesmacherei.

Mittlerweile müssen Sie doch begriffen haben, dass saisonübliche Zuwächse der Arbeitslosigkeit kein plötzliches Phänomen sind. Der Vergleich mit dem Vorjahr ist immer hilfreich und zeigt: Es ist eine Verbesserung der Situation eingetreten. Gerade wenn die Schüler aus den Schulen kommen, stehen sie - das sagen wir jedes Jahr - meist kurzfristig ohne Arbeit da. Viele, die bis dato noch keinen Arbeitsplatz oder Ausbildungsplatz vorweisen können, werden von August bis November noch Gelegenheit haben, auf einen unbesetzten Arbeits- oder Ausbildungsplatz zuzugreifen. Das war in der Vergangenheit auch immer so. Die Handwerkskammer suchte vor Kurzem noch Bewerber für 1 000 freie Stellen, die sie nicht bekommen konnte. 20 Ausbildungsplätze in Banken blieben im letzten Jahr unbesetzt. Das bedeutet, dass noch einiges Potenzial übrig ist.

(Olaf Lies [SPD]: Landesweit?)

Außerdem sprechen Sie davon, dass wir in Niedersachsen im Vergleich zu den anderen Bundesländern schlechter dastehen. Ich weiß nicht, woher Sie diese Zahlen haben. Von den westdeutschen Bundesländern schnitt Niedersachsen bei der Entwicklung der Zahlen der sozialversicherten Beschäftigten am besten ab.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Ich empfinde Ihre Aussage, dass Jugendliche in Arbeitsmaßnahmen untergebracht werden, um aus der Arbeitslosenstatistik zu fallen, als infam. Sie sprechen sogar von „statistischen Tricks“. In Wirklichkeit handelt es sich dabei um eine sehr erfolgreiche Qualifizierung zum Einstieg in den Arbeits- und Ausbildungsmarkt und damit in einen sozialversicherten Arbeitsvertrag.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Sowohl die DEULA als auch die ALBuM organisieren vielversprechende Maßnahmen, um gerade diejenigen, die nur geringe Chancen haben, zu motivieren und zu qualifizieren, und zwar mit großem Erfolg. Das als Trick zu bezeichnen, um Arbeitslosenzahlen zu schönen, disqualifiziert Sie auf ganzer Breite.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Das zeigt, mit welchem Ernst und Engagement Sie den arbeitslosen jungen Menschen begegnen. Wenn Sie die Medienberichte richtig verfolgt hätten

und sich intensiv mit den Angeboten beschäftigt hätten, wären Sie unschwer darauf gestoßen, wie viel - gerade auf dem Sektor Jugendarbeitslosigkeit und bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund - bereits mit Erfolg geschieht.

Frau König, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Weisser-Roelle?