Protokoll der Sitzung vom 19.08.2010

Ganz herzlichen Dank, Herr Minister Bode. - Nach § 71 Abs. 3 der Geschäftsordnung erteile ich jetzt für eine Minute Frau Kollegin Weisser-Roelle von der Fraktion DIE LINKE das Wort. Bitte schön!

Herr Minister Bode, eine Anmerkung und eine Frage. Die Anmerkung: Heute Morgen wurde in den Nachrichten bekanntgegeben, dass zwar die Tarifverträge zwischen ver.di und Schlecker abgeschlossen wurden, aber Schlecker trotzdem nicht zahlt. Jetzt muss alles einzeln von der Gewerkschaft und den Beschäftigten durchgeklagt werden, um diese gerechtfertigten Ansprüche aus

dem Tarifvertrag zu erhalten. Wie stehen Sie denn dazu? Das passt nicht zu Ihren Ausführungen, dass jetzt bei Schlecker die Welt in Ordnung ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Minister Bode, Sie sprachen von schwarzen Schafen, nannten dabei Schlecker, sagten, das Problem sei behoben. Dazu habe ich gerade etwas gesagt. Ich würde gern noch einmal auf zwei Zahlen eingehen, die ich genannt habe. In Niedersachsen gibt es gut 13 000 feste Arbeitsstellen im verarbeitenden Gewerbe weniger als im letzten Jahr. Gleichzeitig haben wir einen Anstieg bei den Leiharbeitern in fast gleicher Höhe.

Da können Sie doch nicht von schwarzen Schafen in Einzelfällen sprechen. Leiharbeit ist ein grundsätzliches Problem. Ich sage noch einmal: Das unternehmerische Risiko wird auf die Menschen abgewälzt, und die Unternehmen bedienen sich dieser Leiharbeit. Ist vergleichbar mit Tagelöhnertum. Das geht einfach nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Herzlichen Dank. Wir befinden uns nicht in der Fragestunde. Herr Minister Bode ist aber bereit, die Frage zu beantworten. Herr Minister!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine allgemeine Antwort, weil wir nicht auf jeden Einzelfall im Zusammenhang mit Schlecker eingehen können. Wenn ein Arbeitgeber einen Arbeitsvertrag mit einem Arbeitnehmer abschließt, hat er sich an gewisse tarifvertragliche Regelungen zu halten, und dann ist er auch in der Verpflichtung zu zahlen. Wenn er das nicht tut, gibt es zwei Dinge, die erfolgen werden: Zum einen wird ein Gericht das entsprechend klären, und zum anderen wird - was ja beim Fall Schlecker noch viel interessanter ist -, wenn man einmal so in den Schlagzeilen steht, die öffentliche Diskussion dafür sorgen, dass man sich überlegt, macht man es wirklich, will man sich nicht an Vereinbarungen halten bzw. wie verlängert man die nächsten Vereinbarungen, und welche Auswirkungen hat das eigentlich auf das Kundenverhalten.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Herzlichen Dank. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Der Antrag soll an den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr überwiesen werden. Höre oder sehe ich Widerspruch? - Nein. Dann ist das so beschlossen. Herzlichen Dank.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 25 auf:

Schulsozialarbeit - Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 16/2699

Die Fraktionen - ich hatte es mitgeteilt - haben sich darauf verständigt, den Antrag direkt an die Ausschüsse zu überweisen, und zwar federführend an den Kultusausschuss, und mitberatend soll der Ausschuss für Haushalt und Finanzen tätig werden. Höre oder sehe ich Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann haben Sie das so beschlossen. Herzlichen Dank.

Dann rufe ich Tagesordnungspunkt 26 auf:

Erste Beratung: Maßnahmen gegen Jugendarbeitslosigkeit und Lehrstellenmangel - Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/2693

Zur Einbringung hat sich von der Fraktion DIE LINKE Frau Kollegin Weisser-Roelle zu Wort gemeldet. Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Statistische Bundesamt hat anlässlich des von der UNO ausgerufenen Tages der Jugend - das ist der 12. August - in einer Spezialuntersuchung festgestellt, dass in Deutschland junge Menschen unter 25 Jahren häufiger arbeitslos sind und schlechter gesicherten Beschäftigungsverhältnissen nachgehen als noch vor zehn Jahren. Das ist ein Alarmsignal. Dieses Alarmsignal nehmen wir ernst. Die Fraktion DIE LINKE wird das so nicht weiter hinnehmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Etwa 360 000 junge Männer und Frauen waren Ende Juli 2010 in der Bundesrepublik offiziell von

Jugendarbeitslosigkeit betroffen. In Niedersachsen wiederum waren es 37 600 Personen.

Nicht in diese Zahlen einbezogen sind bundesweit weitere 100 000 junge Menschen bzw. in Niedersachsen 10 000 junge Frauen und Männer ohne Job. Dieser Personenkreis ist in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen tätig bzw. erhält einen Gründungszuschuss.

Im Vergleich zum Juli 2009 ist die Jugendarbeitslosigkeit im Bundesdurchschnitt deutlich schneller zurückgegangen als in Niedersachsen. Das, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, muss die Niedersächsische Landesregierung doch endlich wachrütteln.

(Beifall bei der LINKEN)

Dazu kommt, dass fast 40 % der jungen Menschen, die einen Job suchten, nur ein prekäres Arbeitsverhältnis gefunden haben. Minijobs und Leiharbeit mit Dumpinglöhnen prägen auch bei den jungen Männern und Frauen die Stellenangebote. Das hat eine aktuelle Untersuchung der IG Metall ergeben.

All das zeigt, junge Menschen, darunter Hunderttausende Mädchen und junge Frauen, sind die größten Verlierer dieser Krise. Sie gehören zu den ersten Opfern von Stellenstreichungen. Oftmals werden sie nach der Ausbildung nicht übernommen bzw. finden erst gar keine Lehrstelle. Gerade bei jungen Menschen werden befristete Verträge oftmals nicht verlängert. Vielfach werden sie gezwungen, in Praktika ohne Vergütung zu arbeiten. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, all das ist ein gesellschaftspolitischer Skandal.

(Beifall bei der LINKEN)

Die aktuellen Erwerbslosenzahlen, darunter auch die der jungen Menschen, spiegeln nicht zuletzt die arbeitsmarktpolitische Untätigkeit der Bundesregierung wider. In diesem Zusammenhang fordert die Fraktion DIE LINKE die Landesregierung auf, sich bei der Bundesregierung und im Bundesrat für die Förderung guter Arbeit und guter Löhne einzusetzen, von denen gerade auch junge Frauen und junge Männer profitieren werden.

Wir verlangen von der Landesregierung, endlich Widerstand gegen den Kahlschlag in der Arbeitsmarktpolitik zu leisten, der mit dem Entwurf des Bundeshaushalts 2011 und der Finanzplanung bis 2014 angekündigt worden ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Im Zeitraum bis 2014 sollen die Mittel für die Arbeitsmarktpolitik und die Erwerbslosen um insgesamt rund 14 Milliarden Euro gekürzt werden. Das, meine Damen und Herren, ist angesichts dieser Zahlen unerhört.

(Beifall bei der LINKEN)

Zu der Mittelkürzung durch die Bundesregierung kommt noch die anhaltende Lethargie der Landesregierung hinzu, die in der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit überhaupt nichts unternimmt. Die Landesregierung tut so, als gingen sie die entsprechenden Erwerbslosenzahlen überhaupt nichts an.

Wir fordern die Landesregierung daher auf, endlich ein etatreifes Landesprogramm gegen Jugendarbeitslosigkeit vorzulegen. Zugleich bekräftigen wir, dass Niedersachsen damit beginnen muss, in den öffentlich geförderten Beschäftigungssektor einzusteigen. Wir haben dazu bereits im letzten Jahr einen Antrag vorgelegt.

Die langjährigen Erfahrungen des Berliner Senats, aber auch die jüngsten Entscheidungen der Landesregierung in Brandenburg zeigen, dass es auf diese Weise möglich ist, Tausende existenzsichernde Vollarbeitsplätze für langzeitarbeitslose junge Menschen zu schaffen.

(Beifall bei der LINKEN)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, gute Schulausbildung sowie eine gute berufliche Ausbildung sind ein wirksamer Schutz gegen Jugendarbeitslosigkeit. Ein Blick auf den Lehrstellenmarkt in Niedersachsen belegt aber, dass weiterhin nicht alle Jugendlichen einen Arbeitsplatz erhalten, weil das Angebot zu gering ist.

Meine Damen und Herren, ich kenne die Zahlen der Kammern. Die IHK Oldenburg spricht von 4 % Lehrstellenplus, die IHK Lüneburg-Wolfsburg von 2,3 %. Alle Kammervertreter sagen, dass es noch zahlreiche freie Lehrstellen gebe. Bei diesen Mitteilungen vermisse ich allerdings im Vergleich dazu die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber. Nach wie vor übersteigt deren Zahl nämlich die Anzahl der Ausbildungsplätze. Die hiesige Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit hat nach den neuesten vorliegenden Angaben ermittelt, dass in Niedersachsen noch 17 877 Jugendliche auf der Straße stehen. Im Vergleich zu den fast 18 000 Jugendlichen, die keine Ausbildung haben, gibt es nur 10 000 offene Lehrstellen. Das sind insgesamt, meine Damen und Herren, 0,58 Stellen für jeden Bewerber. Damit kann man Jugendarbeitslosigkeit

nicht bekämpfen. Es gibt einfach zu wenige Lehrstellen.

(Beifall bei der LINKEN)

Unabhängig von den positiven Meldungen der IHKs ist das die Lage, und das ist die bittere Wahrheit.

Ich möchte ausdrücklich noch einmal darauf hinweisen, dass es sich bei den 17 877 jungen Frauen und Männern, die noch keinen Ausbildungsplatz gefunden haben, ausschließlich um Jugendliche handelt - so wörtlich die Angaben der Arbeitsagentur -, die ausbildungswillig und ausbildungsfähig sind, wobei ich die beiden Begriffe sehr differenziert betrachte. Das will ich hier sagen, nicht dass der Eindruck entsteht: Wir würden gerne ausbilden, aber die jungen Menschen sind gar nicht in der Lage, die Stelle wahrzunehmen. - Das stimmt nicht. Die Zahlen belegen es.

(Beifall bei der LINKEN)

Insofern trifft das mitunter aus Kreisen der Wirtschaft angeführte Argument - ich sagte es bereits - der unfähigen Jugendlichen überhaupt nicht zu. Das sollte uns zu denken geben.

(Beifall bei der LINKEN)

Daher verlangt die Linksfraktion einen Vorstoß der Landesregierung für eine Ausbildungsplatzumlage. Ausbildungsfähige Unternehmen, die ihrer Ausbildungsverantwortung nicht nachkommen, sollen zahlen. Verantwortungsbewusste Unternehmen wiederum, die sich um die Perspektive von Jugendlichen kümmern, sollen von dieser Umlage ausdrücklich profitieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Der niedersächsische Ausbildungspakt führt eben nicht zu dem Ergebnis, dass alle Bewerberinnen und Bewerber einen Ausbildungsplatz erhalten.

Mit Blick auf den doppelten Abiturjahrgang im nächsten Jahr wird sich die Situation weiter verschärfen. Im Jahr 2011 werden 26 000 Abiturientinnen und Abiturienten mehr als in diesem Jahr die Gymnasien verlassen. Etwa 5 000 von ihnen werden auf den Ausbildungsmarkt gelangen, weitere 18 000 Jugendliche werden ein Studium aufnehmen. Auf beides ist Niedersachsen nicht ausreichend vorbereitet.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Sehr schade!)