Wenn Sie sagen, wir wollen auch bei älteren Jugendlichen weiterhin das Jugendstrafrecht anwenden, so ist das natürlich richtig. Überall da, wo Rechte wahrgenommen werden, wird auch Verantwortung wahrgenommen, und es kommt weniger zu Straftaten. Wir alle wollen doch mithelfen, dass sie zurückgehen. Ich denke, Jugendliche mehr in Verantwortung zu nehmen, führt auch dazu. Das wäre ein guter Ansatz.
Jugendliche dürfen weiterhin mit 16 Jahren heiraten. Sie dürfen einen Eid leisten. Aber beim Wählen hat ihre Mitbestimmung ein Ende. Wahlgänge in anderen Bundesländern haben eindrucksvoll bewiesen, dass Jugendliche genauso von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen wie die Erwachsenen.
Eigentlich bleibt dann nur noch eine Frage: Sind Jugendliche leichter manipulierbar? - Die Antwort ist ganz klar: nicht mehr als Erwachsene auch. Wichtig ist, dass die jungen Menschen ernst genommen werden, dass wir ihnen politische Gestaltungsmöglichkeiten geben und ihnen zeigen, wie demokratischer Parlamentarismus aussehen kann. An die Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen gerichtet muss ich hierbei sagen: Im Niedersächsischen Landtag ist damit, wie Sie sich
die Geschäftsordnung hingebastelt haben, genau das Gegenteil der Fall. So werden wir bei jungen Menschen nie zu einer demokratischen politischen Gedankenhaltung kommen.
Herzlichen Dank, Frau Zimmermann. - Für die SPD-Fraktion hat Herr Kollege Tonne das Wort. Bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Oktober 2007 diskutierten auf Einladung der Jahrgänge 12 und 13 des Gymnasiums Stolzenau alle Landtagskandidaten im Wahlkreis Nienburg-Schaumburg über verschiedene für die Schülerinnen und Schüler interessante Themen. Den Anwesenden wurden völlig unterschiedliche Konzepte bezüglich Wirtschaftspolitik, Studiengebühren und Schulsystem aufgezeigt. Tags darauf folgte das Abstimmungsergebnis: 50 % der Schülerinnen und Schüler haben SPD gewählt. Abgeschlagen dagegen die Mitbewerber: CDU 18 %, Grüne immerhin 17 %, FDP 7 %, der Anteil der Linken war völlig unbedeutend. Meine Damen und Herren, an der Urteilskraft der Schülerinnen und Schüler, der Jugendlichen ist nach diesem Wahlergebnis wirklich nicht zu zweifeln.
(Beifall bei der SPD - Heiner Bartling [SPD]: Sehr richtig! Jetzt müssen wir nur noch ein paar Jahre warten! - Hei- terkeit bei der SPD - Gegenruf von Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Die dun- keln alle nach! - Heiterkeit bei der CDU und bei der FDP)
Womöglich fühlten sich diese Jugendlichen wie viele andere auch von der Politik der Landesregierung außerordentlich betroffen. Der Vollständigkeit halber allerdings: Die Schülerinnen und Schüler waren 18 und 19 Jahre und damit wahlberechtigt.
Dass politische Inhalte, Strukturen demokratischer Willensbildung und die verantwortliche Nutzung der Einflussnahme auf die Willensbildung für die Schule altersgerecht aufbereitet und dort vermittelt werden können, ist völlig richtig. Das wird auch gemacht. Schule soll und muss vermitteln, was es bedeutet, zu wählen. Grundlagen und Kenntnisse sollen in der Schule vermittelt werden. Maßnahmen, die hier ansetzen und die politische Bildung
innerhalb sowie außerhalb der Schule stärken, finden unsere ausdrückliche Unterstützung. Dieser Weg ist deutlich anstrengender, als einfach das Wahlalter abzusenken. Dennoch ist er richtig.
Zur Landtagswahl 2008 wurden in 120 niedersächsischen Schulen die Juniorwahlen durchgeführt, wie die Antragsteller richtig anführen. An dieser Stelle habe ich in der Begründung allerdings den Faden verloren. Dort steht, die Teilnehmer an der Juniorwahl hätten tatsächlich wählen wollen. Teilgenommen haben Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe II. Sie stammen aus den Klassen 11 bis 13, dürften damit etwa 17 bis 20 Jahre alt und weitgehend wahlberechtigt sein - auf jeden Fall für die Kommunalwahlen, um die es hier geht. Sie benennen damit schlicht die falsche Zielgruppe für Ihren Antrag.
Als weitere Begründung wird die Strafmündigkeit ab 14 Jahren angeführt. Auch hier finde ich die Darstellung fragwürdig. Sicherlich ist nicht nur den Juristen klar, dass die Sachlage - freundlich formuliert - stark zusammengefasst dargestellt wurde. Bei genauerer Betrachtung stellt sich die Situation wie folgt dar, das will ich Ihnen nicht ersparen: Nach dem Jugendgerichtsgesetz ist bei Jugendlichen zwischen 14 und 17 Jahren die strafrechtliche Verantwortlichkeit individuell festzustellen. Es bedarf der positiven Feststellung, dass die geistige und sittliche Entwicklung gegeben ist, um Unrechtsbewusstsein zu haben. Im Zweifel liegt diese Verantwortlichkeit auch nach Jugendstrafrecht nicht vor. Eine ähnliche Regelung besteht zivilrechtlich bezogen auf die Geschäftsfähigkeit. Auch ich finde - das wurde vorhin erwähnt -, dass sich Ihre Forderung nach Absenkung des Wahlalters mit der Forderung beißt, das Jugendstrafrecht auf Heranwachsende anzuwenden. Ich halte die letzte Forderung ausdrücklich für berechtigt. Aber man kann nicht auf der einen Seite behaupten, Einsichts- und Urteilsfähigkeit sind gegeben, und das auf der anderen Seite wieder negieren. Das geht einfach nicht.
Die Regelungen im Jugendgerichtsgesetz wie auch im BGB existieren nicht ganz zufällig. Dort wird berücksichtigt, dass sich Jugendliche in einem Entwicklungsprozess befinden. Das Wahlrecht ist nicht weniger verantwortungsvoll zu handhaben als andere Rechte - ganz im Gegenteil.
Damit sind wir an der Stelle, die mich in diesem Antrag ärgert. Das Wahlrecht musste früher hart erkämpft werden. Auch und insbesondere Sozialdemokraten haben schmerzhaft zu spüren bekommen, was es bedeutet, für das Wahlrecht einzustehen und dafür zu kämpfen. Genau deswegen ist es unangebracht, damit Spielchen zu treiben, nur weil das womöglich pressewirksam ist. Das gehört sich einfach nicht.
(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP - Miriam Staudte [GRÜ- NE]: Dort auf der Tribüne sitzen die Jugendlichen, die das Wahlrecht ger- ne hätten!)
Verantwortungsbewusstsein muss entwickelt werden können. Dazu sollte die notwendige Zeit gewährt werden. Jugendliche dürfen nicht überfordert werden. Vor allem sollte ihnen gegenüber nicht der Eindruck vermittelt werden, Anspruch auf alle Rechte zu haben, ohne die damit verbundene weitgehende und schwerwiegende Verantwortung vermitteln zu können. Selbst wenn wir die erforderliche Reife unterstellen - ich glaube, dass einige 14- und auch 15-Jährige sie haben -, glauben Sie dann tatsächlich, dass wir Jugendliche für Politik und Demokratie begeistern, indem wir sie alle fünf Jahre zur Wahlurne schicken?
- Zu Kommunalwahlen. - Ich habe mir einmal die Diskussionen zur Einführung des Wahlrechts ab 16 im Jahr 1995 angeschaut. Besonders interessant fand ich die damalige Äußerung des Abgeordneten Schröder aus Bad Münder von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Er äußerte sich zum damaligen SPD-Antrag zur Absenkung des Wahlalters und merkte an, er befürchte, mit einem bloßen Absenken des Wahlalters wecke man Erwartungen bei Jugendlichen, die nicht erfüllt werden könnten. Wahlverdrossenheit könne man nicht mit einer Stimmabgabe alle fünf Jahre bekämpfen. - Ich finde, er hat ausdrücklich recht.
Das Ziel des Antrags ist richtig, der Weg jedoch nicht. Eine ähnliche Problematik erleben wir auf der rechten Seite des Hauses beim Turbo-Abitur.
Man fasst einen Beschluss, ohne gleichzeitig das Verfahren zu ändern. Seit Kurzem stellen CDU und FDP überrascht und betroffen fest, dass ihr großes G8-Ziel krachend über ihnen zusammenbricht. Das sollten wir uns bei der Beteiligung von Jugendlichen ersparen. Wir sollten vielmehr Wert darauf legen, die Beteiligungsmöglichkeiten von Jugendlichen zu erweitern bzw. bestehende Möglichkeiten konsequenter zu nutzen. § 22 e NGO bietet hierzu eine ausdrückliche Möglichkeit.
Die Formulierung ist zwar sehr allgemein. Aber hier gemeinsam über neue Möglichkeiten der Beteiligung zu reden und den Kommunen konkrete Handlungsideen mitzugeben, wäre doch eine spannende Aufgabe gemeinsam mit politischen und kirchlichen Jugendorganisationen, mit dem Landesjugendring wie auch mit den Kreisjugendringen.
Beteiligung und Mitsprache bei Spielplätzen, Schulen, Ausbildungs- und Arbeitsplätzen, Jugendzentren und Freizeitmöglichkeiten - durch konkrete Projekte kann man Jugendliche an die Politik binden. Das halte ich persönlich für weitaus Erfolg versprechender.
Meine Damen und Herren von den Grünen, wenn Sie diesen Weg gemeinsam mit uns gehen wollen, kommen wir auch auf einen gemeinsamen Nenner. Darin bin ich mir sicher.
Im Ergebnis: Der erste Teil der Begründung - Betroffenheit von Landespolitik, insbesondere Bildungspolitik - ist inhaltlich weitgehend zutreffend, hat mit dem Antragsgegenstand, der Absenkung des Wahlalters auf 14 Jahre, aber weniger zu tun. Im zweiten Teil der Begründung, wo Sie sich auf konkrete gesetzliche Grundlagen beziehen, haben Sie die Gegebenheiten in meinen Augen nicht voll getroffen. Mehr Rechte, mehr Möglichkeiten für Jugendliche - ja, aber nur in Verbindung mit der Chance, der damit verbundenen Verantwortung auch gerecht zu werden, und lieber konkrete Beteiligungsmöglichkeiten ausbauen.
Ein Gesamturteil: Es ist ein gut gemeinter Antrag, der sicherlich auch öffentlichkeitswirksam darstellbar ist, der inhaltlich aber in meinen Augen das Thema weitgehend verfehlt. Wir diskutieren den Antrag gern im Ausschuss, sagen aber auch gleichzeitig deutlich: Für eine Zustimmung müss
Danke schön, Herr Kollege Tonne. - Es folgt eine Kurzintervention des Herrn Kollegen Briese auf Herrn Kollegen Tonne. Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mich hat insbesondere ein Argument völlig verwundert. Das habe ich überhaupt nicht verstanden, Herr Tonne. Sie haben gesagt, das Wahlrecht schaffe Politikmüdigkeit oder Politikverdrossenheit. So, glaube ich, haben Sie es dargestellt. Was ist denn dann Ihre Konklusion? - Um Politikverdrossenheit abzuschaffen, schaffen wir auch das Wahlrecht ab. Oder wie? - Das habe ich überhaupt nicht verstanden.
Das ist mein erster Beitrag. Wenn man den Leuten also ein Wahlrecht gibt, dann schafft man damit die Politikverdrossenheit. Das müssen Sie mir also noch einmal erklären.
Das Zweite, was ich nicht verstanden habe und wirklich für unverschämt halte, ist, wenn Sie uns hier Medienpopulismus vorwerfen. Das haben Sie in Ihrer Rede eben getan. Sie haben gesagt, wir würden diesen Antrag nur für die Öffentlichkeit schreiben. Meiner Meinung nach hat Frau Staudte das Thema sehr gut dargestellt. In der Wissenschaft gibt es wirklich sehr gute Argumente dafür. Auch ich - ich sage das ganz ehrlich - habe auf unserem Parteitag bei der Abstimmung über unser Landtagswahlprogramm kritisch hinterfragt, ob dieses Anliegen sinnvoll ist. Ich habe mich jedoch dahin gehend belehren lassen, dass es ziemlich gute Bücher in der Wissenschaft gibt, die dafür sprechen. Die sollte man sich einmal durchlesen. Sie wurden sowohl von Jugendforschern als auch von Juristen geschrieben. Man sollte sich diese Bücher einmal anschauen und diese Geschichte hier nicht nur einfach denunzieren.
Vor welchem großen Problem stehen wir momentan? - Wir haben einfach ein strukturelles Ungleichgewicht in Bezug auf die demografische Verschiebung. Dazu kann man Herrn Herzog an
führen. Er hat in der Bild-Zeitung in einem großen Artikel geschrieben, dass wir in die Rentnerdemokratie eintreten. Das ist das große Problem. Die Jugendlichen haben einfach kein Mitspracherecht.
Ihre eineinhalb Minuten sind um. Sie haben sich zu einer Kurzintervention gemeldet. Sie haben die Geschäftsordnung selbst mit beschlossen. Herr Kollege Briese - - -
Herr Kollege Tonne hat jetzt die Möglichkeit, zu antworten. Sie wissen: anderthalb Minuten. Das gilt auch für Sie.