Wenn man sich die Zahlen über bestehende Stipendiensysteme, die ihre Stipendien nach Leistungsparametern vergeben, anschaut, ist ein ganz klares Ergebnis zu verzeichnen. Kinder aus bildungsfernen Schichten kommen in solchen Systemen, wenn überhaupt, in einstelligen Prozentzahlen vor. Migranten finden Sie in solchen Systemen so gut wie überhaupt nicht, verehrte Frau Wanka.
Deshalb geht es nicht darum, hier eine große Debatte über Stipendien einerseits und BAföG andererseits aufzumachen. Es geht vielmehr einfach darum, nach welchen Kriterien festgelegt wird, wer staatliche Förderung bekommt. Wenn Sie ein Stipendiensystem erarbeiten wollen, mit dem Sie die Hochschulen öffnen wollen, dann vergeben Sie Ihre Stipendien doch nach sozialen Kriterien. Das muss nicht nach Leistungskriterien geschehen. Das ist der Punkt, um den es hier geht. Das Stipendiensystem sozusagen schönzureden und zu sagen, rein theoretisch hat jeder - auch Angehörige bildungsferner Schichten oder Migrantinnen oder Migranten - Zugriff auf dieses System, hilft uns wenig, wenn die Realität anders aussieht.
Der nächste Redner ist Herr Perli. Er hat ebenfalls nach § 71 Abs. 3 der Geschäftsordnung anderthalb Minuten Redezeit. Herr Perli, bitte schön!
Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Wanka, Sie haben gesagt, dass Sie die Wirtschaft in die Pflicht nehmen möchten. Ihnen sollte bekannt sein, dass DIE LINKE die Wirtschaft ebenfalls in die Pflicht nehmen möchte. Sie wollen Studierende und den Staat allerdings zu Bittstellern machen, die um Spenden betteln müssen. Wir hingegen wollen, dass die Wirtschaft entsprechend der Leistungsfähigkeit wieder Steuern in diesem Land zahlt, damit die Parlamente darüber entscheiden können, wofür das Geld ausgegeben wird, damit hier wieder Gerechtigkeit einkehrt und es nicht vom Zufall und vom Gutdünken von ein paar Firmenchefs abhängt, wer ein Stipendium bekommt und wer nicht. Wir möchten, dass alle entsprechend ihrem Bedarf BAföG bekommen können. Das ist eine Frage der Gerechtigkeit. Dar
über können nur demokratisch gewählte Parlamente entscheiden, nicht aber undemokratisch zusammengesetzte Wirtschaftsunternehmen.
Auch die FDP-Fraktion hat zusätzliche Redezeit beantragt. Herr Professor Zielke, auch Sie bekommen anderthalb Minuten Redezeit. Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es geht um zwei ganz verschiedene Dinge, die man deswegen auch trennen sollte. Es geht um die soziale Dimension des Studieren-Könnens und es geht um die Leistung beim Studieren. Das sind Dinge, die man nicht einfach miteinander vermengen sollte. Sie sind zwar nicht völlig unabhängig voneinander, aber die Trennung ist durchaus berechtigt.
(Dr. Gabriele Heinen-Kljajić [GRÜNE]: Wenn man wenig Geld hat, muss man doch aber entscheiden, wo man den Schwerpunkt setzt: beim sozialen As- pekt oder beim Leistungsaspekt!)
- Für mich ist das keine Frage im Sinne von entweder/oder, bei der der eine Aspekt den anderen Aspekt ausschließt. Es ist einfach so: Diejenigen, die besonders leistungsfähig sind, sind für unsere Gesellschaft besonders wichtig. Deswegen verdienen sie auch die besondere Aufmerksamkeit unserer Gemeinschaft. Sie verdienen es deshalb auch, dass es für sie eine zusätzliche Förderung gibt. Es ist doch überall so: Leistung soll sich lohnen.
Auch im Studium soll sich Leistung lohnen. Davon sollten wir, glaube ich, nicht abgehen. Das hat mit BAföG und mit der sozialen Dimension, bildungsferne Schichten zum Studium zu bewegen, überhaupt nichts zu tun.
Eines ist völlig klar: Wir brauchen nicht nur viele Studenten, sondern wir brauchen auch leistungsstarke Studenten. Wir brauchen junge Leute, die
Wir haben ein BAföG-System. Das kann man Schritt für Schritt verbessern. Wir haben es im Zuge der letzten Novelle gerade erst exzellent verbessert, mit sehr viel Geld. Wir brauchen aber auch Leistungsanreize.
Sie verwechseln etwas, Frau Andretta. Zu unseren Begabtenförderwerken wie z. B. zur Konrad-Adenauer-Stiftung oder zur Rosa-Luxemburg-Stiftung geht nur ein Teil der jungen Leute hin. Jetzt jedoch kann die Hochschule, wo die Studierenden eh sind, darüber entscheiden, wer ein Stipendium bekommt. Dort erreicht man auch solche, die sonst gar nicht auf die Idee kommen, einen Antrag zu stellen.
Gerade aus bildungsfernen Schichten haben 74 %, glaube ich, noch nie einen Antrag bei irgendeinem Begabtenförderwerk gestellt, weil dies für sie nicht denkbar ist und auch nicht zum Erfahrungshintergrund ihrer Eltern gehört. Deshalb ist es etwas anderes, wenn dieses Instrument in der Hochschule angesiedelt wird. Also kann man nicht einfach sagen: Weil es da so und so funktioniert, muss es in der Hochschule so sein.
Frau Heinen-Kljajić, Sie haben danach gefragt, wie viele Studierende mit Migrationshintergrund gefördert werden. Es sind 13 %. Das ist noch zu wenig. Es ist aber so. Mit dem Stipendienprogramm aber können Studierende mit Migrationshintergrund besonders gefördert werden. Das können Sie nicht einfach wegreden.
Ich denke, wir sollten gemeinsam dafür kämpfen, dass beides geht: eine gute Grundförderung und eine exzellente Spitzenförderung.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, zu den Tagesordnungspunkten 7 und 8 liegen mir weitere Wortmeldungen nicht mehr vor. Wir sind somit am Ende der Beratung.
Die auf Ablehnung lautende Beschlussempfehlung ist die weitestgehende Empfehlung. Über sie ist daher nach § 39 in Verbindung mit § 31 unserer Geschäftsordnung zunächst abzustimmen. Nur falls sie abgelehnt werden würde, wäre anschlie
ßend über die Änderungsanträge abzustimmen. In diesem Fall müssten wir zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und im Anschluss daran gegebenenfalls über den Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE abstimmen.
Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen und den Antrag der Fraktion DIE LINKE in der Drs. 16/2401 (neu) ablehnen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Stimmenthaltungen? - Das Erste war die Mehrheit. Der Beschlussempfehlung des Ausschusses ist gefolgt worden.
Die SPD-Fraktion hat für ihren Antrag in Drs. 16/2751 beantragt, die zweite Beratung und damit die Entscheidung über den Antrag sofort anzuschließen. Ich habe vernommen, dass die Union diesen Antrag nicht mittragen will. Mir liegt bislang aber kein Antrag auf Ausschussüberweisung vor. Ich möchte gern formal korrekt verfahren und frage deshalb: Wird Ausschussüberweisung beantragt, Herr Kollege Nacke?
Der Landtag kann nach § 27 Abs. 2 Satz 1 der Geschäftsordnung entsprechend verfahren, wenn mindestens 30 Mitglieder des Landtages für eine Überweisung des Antrags an einen Ausschuss oder mehrere Ausschüsse stimmen. Da Ausschussüberweisung beantragt worden ist, frage ich, wer dafür stimmen möchte. - Das sind deutlich mehr als 30.
- Gewisse Zweifel können sicherlich intern ausgeräumt werden. Es sind deutlich mehr als 30. Der Ausschussüberweisung ist also zugestimmt worden.
Der Ältestenrat schlägt vor, den Antrag zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Wissenschaft und Kultur und zur Mitberatung an den Ausschuss für Haushalt und Finanzen zu überweisen. Wer dieser Empfehlung folgen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Es ist so beschlossen worden.
Zweite Beratung: Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes: Regelsätze der sozialen Mindestsicherung endlich menschenwürdig und sozial gerecht bestimmen (Artikel 1 und 20 Grundge- setz) - Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/2513 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Integration - Drs. 16/2759
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach der Debatte über das BAföG beschäftigen wir uns jetzt mit einem weiteren sozialen Thema. Dies betrifft diejenigen, die Sie auf der rechten Seite dieses Hauses allerdings von der Bildung fernhalten wollen.
Wir haben mit unserem Antrag, der Ihnen heute zur zweiten Beratung vorliegt, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar aufgegriffen mit dem Ziel, wesentliche Bestandteile und Inhalte dieses Urteils hier zu thematisieren und den Einfluss Niedersachsens auf die Bundesregierung - sofern es solch einen Einfluss überhaupt gibt - zu nutzen, damit die betroffenen Leistungsempfängerinnen und -empfänger des SGB II schnell Gewissheit darüber bekommen, auf welche Weise die Regierenden gedenken, die Regelsätze verfassungskonform zu entwickeln. Der Antrag wurde im Ausschuss „beraten“ - ich sage das einmal in Anführungsstrichen - und steht heute zur zweiten Beratung an.
Wie aber muss man sich die Beratung im Fachausschuss vorstellen? - Die Regierungsfraktionen stellten im Fachausschuss gleich zu Beginn fest, dass unser Antrag - ich zitiere - ablehnungsreif sei; denn - Zitat - Gründlichkeit gehe vor Schnelligkeit. Was immer die CDU damit meint.
Verehrter Herr Humke-Focks, warum zitieren Sie in einer öffentlichen Landtagssitzung aus nicht öffentlichen Ausschusssitzungen?
Zum einen habe ich diese Zitate nicht bestimmten Personen zugeordnet. Zum anderen spricht Ihre Zwischenfrage ja für sich. Vielleicht ist Ihnen das, was im Ausschuss gesagt worden ist und was Sie dort unter Beratung verstanden haben, ja peinlich.