Protokoll der Sitzung vom 07.09.2010

Die Konsequenz kann nur sein: Es gibt entgegen der Mär, es gebe nur einen McAllister im Lande, ganz offensichtlich mindestens zwei, nämlich den, der draußen sagt, alles sei in Ordnung, und den, der drinnen sagt, alles sei in Unordnung und im Ungleichgewicht.

(Christian Grascha [FDP]: Das glau- ben Sie selbst nicht ernsthaft, was Sie da sagen!)

Das ist das Resultat dieser Debatten und dieser Zitate. Aber Herr Möllring liebt ja die Debatte, vielleicht kann er das erklären.

(Jens Nacke [CDU]: Unterirdisch!)

Nun zu dem, was in der Debatte über die Verfassung auch noch gesagt wird. Es gibt offenbar eine gewisse laxe Haltung: Artikel 71 der geltenden Verfassung - alles Schnee von gestern! Wir haben jetzt ja die neue Verfassung: 2020 keine Schulden mehr!

Wer so lax mit der vorhandenen Verfassung umgeht, Herr Möllring, der geht genauso schludrig mit der künftigen Verfassung um. Auch das wird bereits deutlich.

Einer der Kernpunkte des neuen Artikels 109 a des Grundgesetzes ist: Wir haben einen Stabilitätsrat. - Der Stabilitätsrat sagt: Ihr liefert jetzt pünktlich in jedem Land einen Stabilitätsbericht ab. Der Termin, der dafür gesetzt wird, ist in diesem Jahr der 15. September.

Da sagen wir als kleine popelige Oppositionsfraktion: Vielleicht entspräche es parlamentarisch ordentlichem Brauch, wenn wir dieses wichtige Papier - die Stabilitätsposition von Niedersachsen - im Rahmen der Haushaltsdebatte, die am

7. September beginnt, mit vorgelegt bekommen. - Darauf kriegen wir aus dem Ministerium die laxe Antwort: Nein, das machen wir nicht, das müssen wir erst zum 15. machen, das machen wir am 14. im Laufe des Tages.

So gehen Sie mit der Verfassung um, so zeigen Sie Respekt vor ihr: Sie machen das auf den letzten Drücker, und das zeigt Ihr ganzes Herangehen nicht nur gegenüber der gültigen, sondern auch gegenüber der künftigen Verfassung dieses Landes und der Bundesrepublik.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, es geht hier um die Verfassung, es geht um das Lokale, und es geht um Demokratie. Damit komme ich zum zweiten Punkt.

Dass Sie nicht nur die finanziellen Grundlagen der kommunalen Situation in Niedersachsen gefährden, sondern auch noch mehr gefährden, nämlich die Demokratie, sagen nicht nur wir - das sagen auch wir, das müsste Sie nicht beunruhigen, Herr Busemann -, sondern auch der Niedersächsische Städtetag hat das veröffentlicht und sich zu eigen gemacht.

Die Resolution des Präsidiums des Deutschen Städte- und Gemeindebundes - da sind auch Ihre Parteifreunde Mitglied - vom 15. Juni 2010 trägt folgende Überschrift: Rettet die lokale Demokratie. - Das ist die Münze, mit der wir gegenwärtig diese Frage verhandeln. Sie sagen, dass die Kommunen das Leben vor Ort gestalten, das aber immer weniger können, weil die Finanzlage der Städte und Gemeinden katastrophal ist. „Sie werden von wegbrechenden Einnahmen und explodierenden Sozialausgaben in die Zange genommen.“

Das ist die Realität, die Sie herbeiwirtschaften und damit vertiefen, dass der kommunale Finanzausgleich unter dem Ist von 2009 geblieben ist. Sie zerrütten die Grundlagen der kommunalen Demokratie in unserem Lande. Das ist Fakt!

(Beifall bei der LINKEN)

Ferner sind Sie die Regierung der sozialen Kälte, auch das ist genannt worden. Sie sind die Regierung, die die Studiengebühren weiter erheben wird. Sie sind die Regierung, die die Kinder - im Landkreis Peine beispielsweise - immer weiter fahren lässt, weil die kommunalen Verkehrsträger immer weniger Geld für Schülertransporte haben. Sie verweigern weiterhin die Lernmittelfreiheit. Sie

lassen die Investitionen in die Krankenhäuser weiter gegen null fahren.

(Björn Thümler [CDU]: 350 Millionen sind bei Ihnen null?)

Sie reduzieren die Ansätze für Präventionsarbeit und Frauenhäuser. Darüber werden wir am Donnerstag noch einmal ausführlich sprechen. Sie sind die Regierung der sozialen Kälte! Das wird an jedem Ihrer Haushaltsposten deutlich.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN - Björn Thümler [CDU]: Falsch! Abenteuerlicher Unfug!)

Das macht einigen in Ihren Reihen auch schon Sorgen. Herr Busemann ist schon genannt worden. Herr Busemann hat nicht nur darauf hingewiesen, dass ohne eine Verstärkung der Einnahmeseite, ohne dass man den Reichen in die Tasche greift, mit denen Sie aber einen Haushalt der Kumpanei gemacht haben, nichts in Ordnung bringen kann, sondern Herr Busemann sagt noch mehr - da hat der Mann recht -: Ohne spürbaren Wandel dieser Politik auch dieser Landesregierung sieht er jedenfalls auch die Macht der Union in Niedersachsen gefährdet. - Deshalb haben Herr Dürr und Herr Thümler hier so erbarmungswürdige Reden gehalten.

(Karl-Heinrich Langspecht [CDU]: Das ist eine Unverschämtheit, wie Sie sich aufführen!)

Er sagt dann weiter: Die Berliner Politik reißt alles runter, auch wenn wir uns hier mit noch so ordentlicher Politik abstrampeln. So fürchtet Busemann. Auch da hat er recht!

Schauen Sie einmal nach Helgoland. Das ist das rote Menetekel in der Nordsee. Dort gehen wir jetzt gerade in die Stichwahl, und es droht Ihnen die erste rote Bürgermeisterin, nämlich Felicitas Weck, übrigens ein hannoversches Urgestein der Linken.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich kann Ihnen nur raten, Herr Thümler: Statt sich in Ihre Unterlagen zu vertiefen, hören Sie auf Herrn Busemann! Was Ihnen in Helgoland passieren wird, passiert Ihnen demnächst in vielen Städten des Westens. Auch der Westen wird rot! Warten Sie nur ab. Wir sind auf bestem Wege.

(Björn Thümler [CDU]: Helgoland ge- hört zu Schleswig-Holstein! Das soll- ten Sie wissen! Aber wenn Sie noch nicht einmal das wissen!)

- Natürlich weiß ich, dass Helgoland zu SchleswigHolstein gehört. Ich habe auch nicht von Niedersachsen, sondern vom Westen gesprochen. Vielleicht können wir wenigsten noch Norden und Süden und Ost und West auseinanderhalten!

(Beifall bei der LINKEN - Björn Thüm- ler [CDU]: Das ist immer noch der Norden!)

Wir werden zu den einzelnen Positionen dieses Haushaltes in den Detailberatungen kommen.

(Björn Thümler [CDU]: Mit Ihnen nicht!)

- Natürlich werden Sie mit uns reden, es sei denn, Sie verweigern weiterhin die Diskussion. Sie sind ja noch nicht einmal in der Lage, die guten Vorschläge Ihrer Jugendorganisation in Nordhorn in Bezug auf einen Bahnanschluss einigermaßen zu vertreten. Auch dafür muss jetzt schon die Linke herhalten. Wir werden in Nordhorn Aufnahmeanträge verteilen.

(Beifall bei der LINKEN - Zurufe von der CDU)

Wir werden im Laufe der Debatte noch zu den einzelnen Punkten kommen.

(Karl-Heinrich Langspecht [CDU]: Das hier ist Volkskammerniveau!)

Der Ausverkauf, das möchte ich als letztes noch anmerken - auch Frau Hermenau ist im Saal -: Wir haben uns natürlich gefragt, was das für ein merkwürdiger Landeshaushalt ist,

(Christian Dürr [FDP]: Wir fragen uns, was das für eine merkwürdige Rede ist!)

der in seinem Kern besagt: Wir kriegen das alles in den Griff. Wir verkaufen mal für 300 Millionen Euro Vermögen. - Da fragt man sich natürlich: Was für 300 Millionen Euro sind das? - Wenn man in die Unterlagen schaut, sieht man, dass es nicht bei diesen 300 Millionen Euro bleibt, sondern im Folgejahr stehen 150 Millionen Euro, dann noch einmal 150 Millionen Euro, insgesamt 750 Millionen Euro bis 2014. Da haben wir uns gefragt, was das ist. Die VW-Blase ist ja offensichtlich öffentlich ein bisschen stinkend geplatzt. Da fragen wir uns weiter: Was zum Henker sind diese 300 Millionen Euro? - Wir wollen das gerne wissen!

(Jens Nacke [CDU]: Das Niveau ist grenzwertig!)

Bisher steht der Finanzminister da und zuckt mit den Schultern, setzt ein optimistischen Zwangslächeln auf und sagt: Das wird sich schon alles finden. - Ich sage Ihnen eines, Frau Hermenau, weil das auch durch die Zeitungen ging und weil ich in den letzten Wochen und Tagen ziemlich viel bei den öffentlich-rechtlichen Versicherungen war - auch heute morgen war ich wieder in einem dieser Häuser -: Lassen Sie die Finger von den öffentlichen Versicherungen! Das ist Vermögen, thesauriertes Kapital, in das niemals ein Heller Landesvermögen geflossen ist, von keiner Regierung der letzten 250 Jahre. Lassen Sie davon die Finger, sonst werden die Gerichte Sie zwingen, die Finger davon zu lassen! Wenn das weg ist - - -

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung bei der SPD - Zuruf von Christi- an Dürr [FDP] )

- Herr Dürr, fragen Sie einfach einmal nach, und lesen Sie nicht nur Ihre offiziellen Drucksachen. - Wenn diese 300 Millionen Euro so nicht gedeckt sind, dann möchten wir gern - Herr Möllring, Sie lieben die Debatte - hier und heute wissen, wie Sie sich das mit diesem Brocken eigentlich vorstellen.

Wir haben den Ausweg skizziert. Ich nenne nur Vermögensteuer, Erbschaftsteuer, die ganze Geschichte - Sie kennen das. Das ist ein Ausweg für einen solide finanzierten Haushalt. Es wird eben so sein, auch wenn Sie das nicht hören möchten: Erst wenn die verschiedenen Roten dabei sind, den Haushalt zu machen, werden die Haushalte sozial gerecht. Erst die Roten werden wieder schwarze Zahlen in dieses Land bringen.

Schönen Dank.

(Beifall bei der LINKEN - Lachen bei der CDU)

Meine Damen und Herren, Herr Finanzminister Möllring hat um das Wort gebeten. Ich erteile ihm das Wort. Bitte schön!

(Ronald Schminke [SPD]: Der hat doch schon geredet! - Gegenruf von Christian Grascha [FDP]: Er muss den Unsinn richtigstellen!)

Ich habe noch eine Restredezeit von 14 Minuten und 30 Sekunden, sodass ich Sie bisher nicht sehr belastet habe.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Tun Sie es jetzt bitte auch nicht!)

Eigentlich wollte ich das Letzte gar nicht kommentieren. Ich hatte schon gesagt, dass wir in Nordrhein-Westfalen sehen, was passiert, wenn RotRot-Grün regiert.