Mit der Novelle sollen die Bedarfssätze um 2 %, die Elternfreibeträge um 3 % und die Altersgrenze für Masterstudierende auf 35 Jahre angehoben werden.
Das alles ist kein großer Fortschritt. Die Linke hat hier viel weiter gehende Vorstellungen - gar keine Frage. Aber wir haben trotzdem diese Sofortmaßnahme unterstützt, weil sie notwendig ist, um die soziale Wirkung des BAföG wieder zu stärken und nicht zu riskieren, dass sie weiter abgeschwächt wird.
Zur Verdeutlichung: In den 1970er-Jahren wurden noch über 40 % der eingeschriebenen Studierenden mit dem BAföG gefördert, sie alle übrigens mit einem Vollzuschuss. Heute sind es unter 20 %, und die bekommen nur noch einen hälftigen Zuschuss. Zeitgleich gibt es immer weniger BAföGEmpfänger, die den Höchstsatz erhalten - ein Hinweis darauf, dass die Erhöhung der Elternfreibeträge nicht mit der Einkommensentwicklung Schritt hält.
Auch Studien, wonach 77 % der studierfähigen jungen Menschen von einem Studium Abstand nehmen, weil sie Angst vor der damit verbundenen finanziellen Herausforderung haben, sind eine eindeutige Aufforderung, das BAföG zu stärken.
Doch nun versagt die regierende Politik wieder einmal bei der Bildung. Noch im April hat Frau Wissenschaftsministerin Wanka hier im Parlament die von der Bundesregierung lange angekündigte BAföG-Novelle abgefeiert. Damals waren bereits alle Details bekannt, auch die wahrscheinlichen Mehrausgaben für die Länder.
Es ist auch keine neue Erkenntnis, dass die Länderhaushalte unter finanziellem Druck stehen, insbesondere deshalb, weil die regierende Politik von CDU und FDP, von SPD und Grünen seit mehr als zwei Jahrzehnten die Einnahmeseite des Staates vernachlässigt und den Banken, Konzernen und Superreichen Milliardengeschenke gemacht hat. Genau deshalb ist es völlig inakzeptabel, dass Schwarz-Gelb die BAföG-Erhöhung blockiert und Bund-Länder-Streitigkeiten auf dem Rücken der Studierenden austrägt.
Die Begründung dafür ist zudem unglaubwürdig, weil die Mehrheit der Länder zeitgleich grünes Licht dafür gegeben hat, dass der Bund zunächst bis 2013 eine winzige Elite von 0,3 % der Studierenden mit einem millionenschweren Stipendienprogramm sponsert, wo es nach Leistung und nicht nach sozialer Bedürftigkeit geht. Geld für die Elite,
Wenn die schwarz-gelben Länder glaubwürdig argumentieren würden, dann hätten sie gesagt: Ja, wir wollen ein höheres BAföG. Ja, wir wollen auch, dass sich der Bund dafür stärker engagiert. Aber nein, wir wollen nicht, dass der Bund stattdessen Millionen in ein Förderprogramm für Elitestudenten steckt, für das überhaupt kein Bedarf besteht.
Meine Damen und Herren, die aktuelle BAföGNovelle wurde den Schülern und Studierenden während der letzten Bildungsstreiks im Herbst 2009 versprochen. Die regierende Politik ist in der Bringschuld. Was man verspricht, muss man auch halten. Das lernt man doch schon in der Schule. Aber die schwarz-gelbe Bundesregierung und diese schwarz-gelbe Landesregierung dürfen sich wohl etwas anderes erlauben. Ich appelliere trotzdem und gerade deshalb an Sie, Frau Wanka: Zeigen Sie, dass Sie zu Ihren Worten stehen, und blockieren Sie nicht die BAföG-Erhöhung!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der schwarz-gelben Bildungspolitik lässt sich seit Längerem das Phänomen beobachten, dass die Größe der Ankündigungen in umgekehrt proportionalem Verhältnis zur Größe der dann folgenden Taten steht.
Wir erinnern uns alle an den schönen Bildungsgipfel von Frau Merkel. Als Ziel wurde verkündet, bis zum Jahr 2015 10 % des Bruttoinlandsproduktes für Bildung auszugeben. Um dieses Ziel zu erreichen, sollten Bund und Länder 13 Milliarden Euro zusätzlich in Kitas, Schulen und Hochschulen investieren. Doch als es dann in diesem Sommer endlich konkret werden sollte und Zahlen auf den Tisch gelegt werden sollten, war der Gipfelsturm - man staune! - plötzlich beendet. Was vom Aufbruch in die Bildungsrepublik übrig blieb, waren
lauwarme Absichtserklärungen - übrigens auch aus Niedersachsen, nachzulesen in der Antwort der Landesregierung auf unsere Große Anfrage zum Bildungsgipfel. Wie immer: viel Geschwafel, nichts Konkretes.
Nicht besser als dem Bildungsgipfel erging es der angekündigten Bologna-Reform. Was wurde den streikenden Studierenden nicht alles versprochen! Die Mobilität sollte erhöht, die Curricula entrümpelt und die Lehre verbessert werden. Frau Schavan lud die Studierenden zum Kummergipfel, und Herr Stratmann gründete damals eine Arbeitsgruppe. - Auf die Ergebnisse warten wir noch heute!
Meine Damen und Herren, nun kommt ganz frisch der neueste Rohrkrepierer auf den Tisch - Herr Perli hat ihn benannt -: das nationale Stipendienprogramm, Lieblingskind der FDP und das Renommierprojekt von Schwarz-Gelb. Mit dem nationalen Stipendienprogramm wollen FDP und CDU eine neue Stipendienkultur aufbauen. Dafür sollte nicht gekleckert, sondern gleich geklotzt werden. 8 % der Studierenden sollten bis 2013 in den Genuss einer solchen Eliteförderung kommen. Daraus wurde nur nichts. Am 1. August ist das Programm in Kraft getreten. Aber statt der angekündigten 180 000 Studierenden sollen nur noch 6 000 Studierende bis 2013 die Förderung bekommen. Die geplante Förderquote von 8 % - Herr Perli erwähnte es - reduziert sich damit auf lächerliche 0,3 %. Und noch völlig offen ist die Frage, wer den Hochschulen die enormen Kosten für die Akquise und Verwaltung der Stipendien bezahlt.
Meine Damen und Herren, statt einer Eliteförderung für wenige hat sich die SPD für den Ausbau des BAföG ausgesprochen.
Doch selbst die kleine BAföG-Novelle droht jetzt am Widerstand der CDU-Ministerpräsidenten zu scheitern.
Die letzte BAföG-Novelle liegt zwei Jahre zurück. Mit ihr wurden 2008 die Bedarfssätze um 10 % angehoben und die Freibeträge auf das Elterneinkommen um 8 % erhöht. Mit diesen Verbesserungen gelang es, die Zahl der geförderten Studierenden jedenfalls bei uns in Niedersachsen deutlich zu erhöhen, bei uns allein um 10 %. Inzwischen bekommt in Niedersachsen fast jeder dritte Studierende BAföG. Damit bleibt das BAföG die wichtigste Säule der Studienfinanzierung. Es ist für Kinder aus ärmeren Familien unverzichtbar.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ohne BAföG können diese jungen Menschen nicht studieren. Das BAföG ist zielgenau und berechenbar. Es ist zielgenau, weil nur diejenigen eine Förderung bekommen, die sie wirklich brauchen, und das BAföG ist berechenbar, weil schon vor dem Studium feststeht, ob man einen Anspruch hat oder nicht.
Mit der 23. BAföG-Novelle sollten nun das BAföG um 2 % und die Elternfreibeträge um 3 % angehoben werden. Die Studentenvertretungen, das Deutsche Studentenwerk und die Gewerkschaften haben alle deutlichere Verbesserungen gefordert. Auch wir hätten uns mehr Mut gewünscht. Um zusätzlich 100 000 junge Menschen zu fördern, wie von Frau Merkel angekündigt, müssten die Freibeträge um 18 % angehoben werden. Davon sind wir weit entfernt. Mit 3 % kann vielleicht der Status quo gehalten werden. Doch auch wenn wir uns eine deutlichere Verbesserung gewünscht hätten, vor allem auch eine Antwort auf die Fragen zu Teilzeitstudiengängen und zum Übergang vom Bachelor- zum Masterstudium, so ist doch jede bescheidene Erhöhung notwendig und willkommen, auch die vom Bundestag beschlossene.
Umso bitterer ist, dass selbst diese kleine Verbesserung im Bundesrat blockiert wird, auch von Niedersachsen. Das ist für uns ein Trauerspiel.
Liebe CDU und FDP, es wäre besser gewesen, Sie hätten den Mut gehabt, mit Nein zu stimmen, als es um die teuren Geschenke für die Hoteliers ging.
- Das ist nicht billig, das ist leider Realität. Aber da ging es um die Interessen Ihrer Klientel, und da konnte das Geschenk nicht großzügig genug sein.
Meine Damen und Herren, nun hat der Bundesrat den Vermittlungsausschuss angerufen. Dort soll auch über eine Beteiligung des Bundes an den Mehrkosten verhandelt werden. Die Forderung der Länder, dass der Bund einen größeren Finanzierungsanteil beim BAföG übernimmt, wird von uns unterstützt, zumal der Bund 100 Millionen Euro für ein elitäres und bürokratisches Stipendienprogramm ausgibt, das außer der FDP und Frau
Schavan niemand will und keiner braucht. Diese Mittel wären im BAföG wahrhaftig besser und gerechter angelegt.
Meine Damen und Herren, meine Fraktion, die SPD, hat nichts gegen Stipendien. Es gibt in Deutschland elf Begabtenförderwerke, die gute Arbeit leisten. Aus allen uns vorliegenden Daten wissen wir aber, dass durch diese Stipendiensysteme die große soziale Selektivität beim Hochschulzugang nicht verringert wird. Im Gegenteil: Sie wird sogar noch verschärft, so die aktuellen Ergebnisse einer HIS-Studie. Die Stipendien bekommen vor allem die Kinder gut verdienender Akademiker. Arbeiterkinder schaffen es selten in den Kreis der Auserwählten. Will man mehr junge Menschen aus ärmeren Familien für ein Studium gewinnen, so erreicht man das nicht mit der vagen Aussicht auf ein Stipendium. Das ist nur mit einem Fördersystem möglich, das mit klaren und berechenbaren Rechtsansprüchen Planungssicherheit schafft.
Meine Damen und Herren, das BAföG hat sich für uns bewährt. Es ist eine Erfolgsgeschichte für mehr Bildungsgerechtigkeit, Durchlässigkeit und Aufstiegschancen. Deshalb muss das BAföG erhalten und weiterentwickelt werden. Ein Nein zur Erhöhung wäre ein fatales Signal für die jungen Menschen und ein bildungspolitisches Armutszeugnis.
Wir fordern Sie alle auf: Stimmen Sie heute unserem Antrag zu, damit die Landesregierung im Bundesrat zustimmt! Wir beantragen sofortige Abstimmung.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Ausführungen meiner Vorredner haben es schon deutlich gemacht: Die Prioritäten
christlich-liberaler Bildungspolitik werden hier einmal wieder offenkundig. Das jetzt vom Bund finanzierte Stipendienmodell ist reine Elitenförderung und bedient die eigene bildungsbürgerliche Klientel. Das Programm zeigt in mehrfacher Hinsicht die Schwächen schwarz-gelber Bildungspolitik. Erstens ist es ungerecht. Wenn Habitus und Herkunft über Chancen auf ein Stipendium maßgeblich mit entscheiden, dann ist das nationale Stipendienprogramm die gänzlich falsche Antwort auf die soziale Schieflage in unserem Bildungssystem und vor allem beim Hochschulzugang. Nur 7 % der heutigen Stipendiaten stammen aus bildungsfernen Schichten. Da sprechen die Zahlen für sich.
Zweitens ist es schlecht gemacht. Es wird scheitern, weil es an eine hälftige Finanzierung durch die Wirtschaft bzw. durch Private gekoppelt ist. Umfragen haben gezeigt, dass die Hochschulen die Chance, private Mittel einwerben zu können, als sehr gering einschätzen.
Drittens macht es wieder einmal die Schwächen des Bildungsföderalismus deutlich. Da der Bund sich mit den Ländern nicht einigen konnte, ist jetzt ein alleine vom Bund finanziertes Stipendienprogramm als Schrumpfprogramm übrig geblieben. Statt der ursprünglich geplanten 110 000 Stipendien werden lediglich 6 000 Stipendien vergeben, und die wirklich wichtige BAföG-Erhöhung steckt immer noch im Vermittlungsausschuss.
Werte Kollegen von CDU und FDP, auch Ihr zum Haushaltsjahr 2009 vollmundig verkündetes Stipendienprogramm ist bereits vom Scheinriesen zum Kleckerprogramm verkommen. Dem nationalen Stipendienprogramm ist es jetzt offensichtlich auch nicht anders ergangen. Deshalb appellieren wir an Sie: Es darf nicht sein, dass die Mehrheit der Studierenden darunter leidet, dass SchwarzGelb ohne Rücksicht auf Verluste sein unausgegorenes Stipendienmodell durchdrückt. Setzen Sie sich für eine Rücknahme dieses Programms ein, solange es noch nicht angelaufen ist, und sorgen Sie für eine bessere Ausstattung des BAföG!