Protokoll der Sitzung vom 08.09.2010

(Johanne Modder [SPD]: Verkehrssi- cherheit!)

Natürlich können wir den schlechten Zustand zahlreicher Landesstraßen nicht wegdiskutieren. Unsere Aufgabe ist es - das ist auch im Sinne der Bürger -, das Wünschenswerte und Notwendige mit den finanziellen Möglichkeiten in Einklang zu bringen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

In diesem Jahr stehen 73,5 Millionen Euro zur Verfügung. Davon fließt kein einziger Euro in die globale Minderausgabe. Zu der Frage, wie es in den nächsten Jahren weitergeht, sollten wir erst einmal die Haushaltsberatungen abwarten. Wir werden uns in den Fraktionen wie schon in den vergangenen Jahren konsequent dafür einsetzen, für die Landesstraßen wieder eine angemessene Summe bereitzustellen. Eines kann ich Ihnen allerdings jetzt schon sagen: Die von Ihnen geforderten 300 Millionen Euro für die nächsten drei Jahre sind völlig undenkbar. Wahrscheinlich ist Ihnen entgangen, dass wir gerade die schwerste Finanz-

und Wirtschaftskrise in Niedersachsen und in der Geschichte der Bundesrepublik hinter uns bringen. Mit Ihren Vorschlägen aus dem Antrag würden wir genau dort weitermachen, wo die SPD-Regierung 2003 aufgehört hat, wofür sie dann abgewählt worden ist.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Björn Thümler [CDU]: Richtig!)

Meine Damen und Herren, die letzte Zustandserfassung unserer 8 000 km Landesstraßen datiert aus dem Jahre 2005. Ende dieses Jahres bekommen wir ein neues, aktuelles Ergebnis einschließlich der Bewertung der 4 500 km Radwege. Dann werden wir sehen, ob und wie sich der Zustand verändert hat. Bis Ende September sind die Winterschäden ausgebessert. Besonders marode Abschnitte werden zügig saniert. Wenn alles nicht so schnell geht, wie wir uns das wünschen, dann liegt das vielleicht auch daran, dass bestimmte Streckenabschnitte erst vermessen und die Leistungen und Arbeiten dann ausgeschrieben werden müssen.

Ich jedenfalls bedanke mich an dieser Stelle ausdrücklich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Wirtschaftsministeriums, bei der Landesbehörde für Straßenbau und bei den Straßenmeistereien dafür, dass sie die Arbeiten so zügig angehen und erledigen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren von der SPD, wir sind für gute Vorschläge und Anregungen immer dankbar. Es ist auch nicht alles falsch, was in Ihrem Antrag steht.

(Björn Thümler [CDU]: Das meiste aber schon!)

- Klar, das meiste schon. - Trotzdem empfehle ich Ihnen, sich hin und wieder daran zu erinnern, wie es zu Ihren eigenen Regierungszeiten war, anstatt wider besseres Wissen überzogene Forderungen in den Raum zu stellen und damit Erwartungen zu wecken, deren Erfüllung unsere finanziellen Möglichkeiten bei Weitem überschreiten würde. Wir lehnen den Antrag deswegen ab.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Herr Hagenah das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man kann die meisten Dinge ja von zwei Seiten sehen, Herr Kollege Hoppenbrock. Deshalb will ich Herrn Minister Bode heute trotz aller sonst berechtigten Kritik im Hinblick auf einen Aspekt des aktuellen Themas aber dennoch einmal ein Lob aussprechen. Minister Bode ist der Verkehrsminister in Niedersachsen mit den meisten neuen Tempolimits, die je in so kurzer Zeit eingeführt worden sind. Das ist doch auch schon mal was.

(Beifall bei den GRÜNEN - Björn Thümler [CDU]: Das ist jetzt aber ein vergiftetes Lob, oder?)

- Möglicherweise unfreiwillig, aber die Fakten sind nun einmal so.

Um das zu kaschieren und um die Raserlobby vorsorglich zu beruhigen, verkündete er im Frühjahr noch trickreich, er werde die Tempolimits auf den Autobahnen überprüfen und alles Unnötige entfernen lassen. An diesen machtvollen Aufschlag erinnere ich mich noch sehr deutlich.

Entfernt worden sind bisher aber noch keine Tempolimits, weil nämlich alle die, die auf den Autobahnen stehen, berechtigt sind. Stattdessen sind jede Menge Tempolimits neu hinzugekommen, und das nicht nur auf Autobahnen und Bundesstraßen, sondern auch auf vielen Landesstraßen.

(Björn Thümler [CDU]: Abwarten, Herr Hagenah!)

Geschehen ist dies leider nicht etwa aus Gründen des Klimaschutzes, sondern deshalb, weil die Rollbahnen stark lädiert sind. Das liegt auch nicht an höherer Gewalt, also an dem schweren Winter, womit Sie sich jetzt herausreden, sondern ist schlicht Ergebnis einer falschen Investitionspolitik in den Jahren davor.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Sie und Ihre Vorgänger haben in den vergangenen Jahren von den begrenzten Finanzmitteln für Verkehrsinvestitionen ideologisch getrieben immer einen zu großen Anteil in den Straßenneubau gesteckt, für die Bestandserhaltung aber nicht genug übrig gelassen.

(Björn Thümler [CDU]: Das ist falsch!)

Genug Geld ist jedoch durchaus da. Es kommt nur darauf an, welchen Schwerpunkt man setzt. Sie

wollen immer nur neue Bänder durchschneiden, nicht aber alte Löcher solide flicken, Herr Kollege Hoppenbrock.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

So ist es auch mit den Winterschäden aus dem letzten Jahr. Es wird nur an der Oberfläche ausgebessert und drübergekleckert, damit erst einmal wieder Ruhe herrscht. Aber der nächste ordentliche Winter macht das wieder kaputt. Grundsanierungen wären da nötig. Aber dafür setzen Sie das Geld nicht ein.

Herr Kollege Hagenah, gestatten Sie eine Zwischenfrage des CDU-Abgeordneten Thiele?

Aber klar. Herr Kollege Thiele stellt immer so schöne Fragen.

Herr Thiele!

Frau Präsidentin! Herr Hagenah, mich würde einmal interessieren, welche Landesstraßenneubauprojekte Sie denn meinen, bei denen irgendwelche Bänder durchgeschnitten werden. Oder meinen Sie die kommunalen Ortsumgehungen, die in den letzten Jahren gebaut wurden, weil wir in vielen Ortszentren Handlungsbedarf hatten?

Herr Hagenah!

Herr Kollege Thiele, ich meine z. B. die Mittel, die Sie für Autobahnneubauprojekte binden, die nie kommen werden.

(Zurufe von der CDU)

- Entschuldigen Sie! Das sind keine Bundesmittel. Sie nehmen Landesmittel, um die A 39 vorzuplanen. Aber da diese Projekte nie gebaut werden, werden diese Mittel nicht refinanziert, und damit ist das vergeudetes Geld.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Nicht nur die auf den Landesstraßen, sondern auch die auf den Bundesstraßen und Autobahnen

wegen mangelhaften Straßenzustands ausgebrachten diversen Tempolimits liegen in der Verantwortung Ihres Ressorts, Minister Bode; denn schließlich entscheidet das Land darüber, ob es den Schwerpunkt auf Ausbau, Reparatur oder Neubau setzt. Sie, Herr Thiele, setzen auch bei den Bundesmitteln immer wieder nur auf Neubau, statt diese in eine ordentliche Instandhaltung zu investieren. Das ist Ihre Prioritätensetzung.

(Björn Thümler [CDU]: Das ist falsch!)

- Das ist nicht falsch.

(Björn Thümler [CDU]: Das ist falsch!)

Sie sollten im Ausschuss einmal genau überprüfen, was da möglich ist.

(Björn Thümler [CDU]: Sie sollten einmal in den Haushaltsplan gucken!)

Ein Beispiel: Auf fast der Hälfte der 120 km langen Strecke der A 7 südlich von Hildesheim in Richtung Hessen haben Sie inzwischen ein Tempolimit von 80 erlassen müssen, weil der Straßenzustand bemitleidenswert ist. Im Vergleich zu dem, was Sie da machen müssen, sehen sogar grüne Tempopläne noch blass aus.

Da die knappen Kassen angesichts der in der Verfassung inzwischen verankerten Schuldenbremse in Zukunft eher noch knapper werden, ist die Konsequenz, die die SPD in ihrem Antrag zieht, nämlich die Straßenbaumittel insgesamt deutlich zu steigern, natürlich illusorisch und falsch, Herr Kollege Will. Da drücken Sie sich um eine ehrliche Antwort, die auch funktioniert.

Es gibt eben nur einen Weg, genügend Geld für den Erhalt der Infrastruktur in den Haushaltsplanberatungen der kommenden Jahre abzusichern: Sie müssen sich endlich, wie wir, von den vielen Straßenneubauprojekten verabschieden und die dafür eingeplanten Bau- und Planungsmittel auf den Bestandserhalt konzentrieren. Der Bund ist schon dabei. Wir werden das ab 2013 auch hier so machen müssen.

Die aktuelle Studie, die im Auftrag des Bundesverkehrsministers zur Planung der zukünftigen Bundesinvestitionen erstellt wurde, prognostiziert bis 2025 eine Abnahme des Personenverkehrs auf den Straßen um 5 %. Die absehbare Energiepreissteigerung und unverzichtbare Klimaschutzvorgaben werden diesen Trend sicherlich noch beschleunigen.

Sie sehen also: Wir müssen mit dem, was an Straßen da ist, klarkommen, und wir sollten mehr darin investieren, dass sie auch tatsächlich befahrbar sind. Tempolimits sollten wir nicht wegen des bemitleidenswerten Zustands der Straßenoberflächen erlassen, sondern deshalb, weil wir klüger sind und wissen, dass Tempolimits das Klima schonen, Unfälle verhindern, den Verkehr verflüssigen und sogar zusätzliche Kapazitäten schaffen, wo es zurzeit etwas eng ist.

Vielen Dank.