Protokoll der Sitzung vom 08.09.2010

- Ja, aber Sie haben gerade kritisiert, dass es unübersichtlich sei. Deshalb versuche ich Ihnen jetzt darzulegen, warum es sinnvoll ist, viele kleinere Dateien zu haben. Insofern freue ich mich, dass Sie das nicht nur akzeptieren, sondern jetzt anscheinend auch begrüßen.

(Ralf Briese [GRÜNE]: Etwas weniger Dateien zu haben, Herr Kollege! Nicht viele kleine, sondern etwas weniger!)

Beispielsweise dient die bundesweite Inpol-Falldatei Kinderpornografie ausschließlich der Bearbeitung dieses Deliktes, sodass wesentliche Informationen strukturiert zur Verfügung stehen, um Vertriebsstrukturen aufzudecken und an die Hintermänner heranzukommen.

Hierbei dürfen aber selbstverständlich vor allem sensible Opferdaten nur den zur betreffenden Aufgabenerfüllung vorgesehenen Stellen zur Verfügung stehen. Eine Reduzierung der Anzahl der Dateien hätte zwangsläufig die zahlenmäßige Erhöhung der jeweiligen Anwenderkreise zur Folge - und das wollen Sie sicherlich auch nicht.

Die Gewährleistung der Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger ist eine Kernaufgabe des Staates. Die Bevölkerung erwartet einen handlungsfähigen Staat, der sowohl die notwendigen Maßnahmen ergreift, um Gefahren rechtzeitig zu identifizieren und zu bekämpfen, als auch zugleich eine moderne und wirksame Strafrechtspflege gewährleistet. Zur Erfüllung dieser Aufgaben ist eine moderne Datenverarbeitung unverzichtbar.

Die wirksame Bekämpfung von Kriminalität und Terrorismus und der Datenschutz als Ausdruck des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung stellen keine unüberbrückbaren Gegensätze dar.

Mit der Antwort auf die Große Anfrage erhalten Sie einen Überblick über die von Polizei und Verfassungsschutz betriebenen Dateien. Zu jeder Datei werden detaillierte Aussagen getroffen, „wer, wie oft, wie lange und warum in welcher Datei gespeichert“ werden kann.

In der Beantwortung wird aber auch deutlich, dass Dateien und Anwendungen der niedersächsischen Sicherheitsbehörden stets ein Baustein in einem Bündel von Maßnahmen zur professionellen Gewährleistung der inneren Sicherheit darstellen. Ihre Einrichtung und ihr Betrieb erfolgen insbesondere zur Verhütung von Straftaten, zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus oder zur Analyse und Ermittlungsunterstützung im Rahmen der Kriminalitätsbekämpfung.

Der Datenschutz stellt dabei für die Landesregierung ein hohes und schützenswertes Gut dar. Die Sicherheitsbehörden gehen mit den personenbezogenen Daten der Menschen im Bewusstsein ihrer großen Verantwortung für unser Land sensibel und angemessen um.

Damit bleibt der „klare Maßstab, unter welchen Bedingungen der Bürger mit der Speicherung seiner Daten rechnen muss“ auch und gerade in der Zukunft sichergestellt.

So weit zur Beantwortung der Großen Anfrage.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für die CDU-Fraktion spricht jetzt Frau Jahns. Ich erteile Ihnen das Wort, Frau Jahns. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Thema „Datenschutz und Datenrecht“ hat uns in den letzten Jahren immer mehr beschäftigt. Es sind viele Fälle von Datenmissbrauch aufgetreten - überwiegend im öffentlichen Bereich. Deswegen ist es natürlich auch besonders wichtig, dass wir uns hier im Niedersächsischen Landtag mit diesem Thema beschäftigen.

Die Antwort der Landesregierung zu der Großen Anfrage der Grünen ist sehr umfangreich; wir haben es eben schon gehört. Die Beantwortung umfasst 71 Anlagen und ist ausschließlich in elektronischer Form erfolgt. Daran können Sie sehen, wie viel Mühe sich auch die Sicherheitsbehörden gegeben haben, um ausführlich auf Ihre Fragen zu antworten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Dafür möchte ich mich im Namen meiner Fraktion natürlich ganz herzlich bedanken. Der Verfassungsschutz und das Innenministerium, die Justizbehörden, die Polizei sowie der Landesbeauftragte für den Datenschutz Niedersachsen und seine Mitarbeiter verdienen einen großen Applaus für diese ausführliche Beantwortung.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Um noch einmal auf den Unterschied zwischen öffentlichem Datenschutz bzw. der entsprechenden Rechtsprechung und privatem Datenschutz bzw. der entsprechenden Rechtsprechung zurückzukommen, möchte ich kurz ein Beispiel schildern, das gestern bei uns in Wolfsburg in der Zeitung stand. Ein Mitbürger aus Wolfsburg hat sich darüber mokiert, dass er einen Katalog einer Firma erhalten hat. Er wusste nicht, wie diese Firma an seine Daten gelangt ist, und hat dann bei dieser Firma nachgefragt, wie sie dazu gekommen ist. Sie hat ihm mitgeteilt - glücklicherweise gibt es einen Rechtsanspruch auf Mitteilung, woher die Daten

kommen -, dass diese Daten von der Post Direkt GmbH geliefert worden sind. Daraufhin hat man bei der Verbraucherberatung nachgefragt, ob es denn zulässig war, dass die Daten weitergegeben wurden. Das wurde bejaht. Die Post Direkt GmbH hat dann aber auch angegeben, dass sie mittlerweile über 37 Millionen Datensätze verfügt.

Das sollte uns alle sehr nachdenklich machen, glaube ich. Deswegen bin ich auch sehr froh und dankbar, dass wir uns hier mit diesem Thema beschäftigen.

Meine Damen und Herren, der Innenminister hat sehr deutlich gemacht, welche Voraussetzungen hier in Niedersachsen geschaffen werden müssen und auch gegeben sein müssen, um eine konsequente Kriminalitätsbekämpfung, aber auch Vorbeugung zu betreiben. Dazu ist es nun einmal unbedingt erforderlich, auch Daten zu sammeln.

Ich freue mich darüber, dass wir aus der Beantwortung der Anfrage ganz gezielte Informationen entnehmen können, um z. B. zu sehen, in welchen Bereichen Daten gesammelt werden; denn es ist für die Betroffenen wichtig, zu wissen, wer ihre Daten sammelt. Vor allen Dingen ist es auch sehr wichtig, dass man weiß, welche Möglichkeiten des Rechtsschutzes man hat.

In der Beantwortung ist sehr deutlich geworden, dass sowohl die Betroffenen als auch die Mitbürger erstens die Möglichkeit haben, Widerspruch gegen die Erfassung ihrer Daten zu erheben, und dass es zweitens nach dem niedersächsischen Datenschutzrecht oder auch nach dem SOG die Chance auf Berichtigung der Daten, Sperrung der Daten oder sogar Löschung der Daten gibt. Damit hat das Land Niedersachsen eine gute Voraussetzung geschaffen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, wir in Niedersachsen sind dankbar dafür, dass es hier einen Innenminister gibt, der großen Wert auf die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung legt, und dass sich die Menschen hier in Niedersachsen sicher sein können: Sie haben einen Anspruch darauf, dass sie hier in Niedersachsen auch sicher leben können.

Dazu gehört nun einmal auch die Schaffung von verschiedenen Dateien. In den Worten des Innenministers ist eben auch sehr deutlich geworden, dass es nicht unbedingt weniger Dateien geben muss, wie Herr Kollege Briese gefordert hat, son

dern dass es darauf ankommt, dass es die richtigen und die wichtigen Dateien gibt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, die Rechtsprechung sowie der Rechtsschutz für die Betroffenen richten sich sowohl auf Bundesebene nach dem Datenschutzrecht und nach dem Bundeskriminalamtgesetz als auch in Niedersachsen nach dem Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung und natürlich nach dem Datenschutzrecht. Ich halte es auch für wichtig, dass die Bürger und die Betroffenen wissen, dass sie dann, wenn sie mit ihrem Antrag auf Löschung oder Berichtigung nach den entsprechenden gesetzlichen Richtlinien keinen Erfolg hatten, auch die Chance haben, auf Bundesebene noch einmal Widerspruch dagegen zu erheben.

Ich denke, dass wir damit einen Teil der Rechte abgearbeitet haben, die die Betroffenen und auch die Bürgerinnen und Bürger haben. Ich möchte aber auch nochmals auf einige konkrete Dateien eingehen.

Ich bin sehr dankbar und froh darüber, dass es z. B. das NIVADIS gibt. Ich glaube, es ist vielen von Ihnen bekannt. Es handelt sich dabei um eine niedersächsische Datei zur Vorgangsbearbeitung. Es ist wichtig, dass die Polizei mit den vorhandenen Daten im Rahmen der Einsatzbewältigung und auch der Ermittlungsführung Unterstützung erhält. Darin werden Personen, Institutionen, Objekte oder Sachen erfasst.

Im POLAS, dem Polizeilichen Auskunftssystem, sind Daten zu Fahndungen enthalten. Diese Datei ist bundesweit angelegt, damit natürlich gerade im Rahmen von Fahndungen auch in anderen Bundesländern oder auf Bundesebene nachgefragt werden kann. Das ist meiner Meinung nach für die Sicherheit der Menschen sehr wichtig, aber auch, um vor Ort erfolgreiche Ermittlungen zu führen.

Der Bund und Europa arbeiten sehr eng zusammen. Im Rahmen der internationalen Kriminalitätsbekämpfung ist es außerordentlich wichtig, dass auch auf dieser Ebene die Zusammenarbeit, die Weitergabe und der Zugriff auf Dateien gewährleistet sind. Im Rahmen der internationalen Kriminalitätsbekämpfung muss natürlich auch im europäischen Ausland nachgefragt werden dürfen. Herr Kollege Briese, Sie haben vorhin gesagt, dass es sicherlich sehr schwierig ist, ausländisches Datenschutzrecht genau erläutert zu bekommen. Aber für ausländische Behörden wäre es sicherlich auch

nicht einfacher, wenn sie bei uns nachfragen. Das ist sicherlich auch etwas kompliziert. Deshalb bin ich froh, dass es diese gegenseitige Übermittlung gibt, dass es den Zugriff gibt und dass die Behörden dabei auf der Grundlage einer sehr guten Kommunikation zusammenarbeiten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Besonders wichtig ist für mich auch der Aspekt - das ist in Ihrer Anfrage auch deutlich geworden - der Gewalttäter im Sport. Der Innenminister hat eben deutlich gemacht - das ist sehr wichtig -, dass Eintragungen in die Datei nicht zu Stadionverboten oder Stadionverweisen führen, sondern dass es genau anders herum ist: Wenn irgendwo ein Stadionverbot durch einen privaten Verein ausgesprochen wird, führt dies dazu, dass jemand in die Datei aufgenommen wird. Es kann also nicht umgekehrt ein Stadionverbot aufgrund eines Eintrags in der Datei ausgesprochen werden.

Meine Damen und Herren, ich bin fast am Ende meiner Redezeit, möchte aber noch zwei Dinge anführen. Der Innenminister hat eben die Begriffe LIMO, REMO und AUMO benutzt und darauf hingewiesen, dass es sich um keine eigenständigen Dateien handelt, sondern nur um Ergänzungen, z. B. zu INPOL. Weil ich einige fragende Gesichter gesehen habe, darf ich erläutern: Bei LIMO geht es um einen linksextremistisch motivierten Hintergrund, bei REMO um Tatbestände mit einem rechtsextremistisch motivierten Hintergrund und bei AUMO um politisch motivierte Ausländerkriminalität. Ich glaube, es ist wichtig, den Kolleginnen und Kollegen diese Begriffe zu erläutern.

Für besonders wichtig halte ich auch, dass wir uns im Rahmen der Aufrechterhaltung von Dateien damit beschäftigen müssen, welche Möglichkeiten der Löschung von Daten gegeben sind. Ich habe das vorhin angeführt; denn zum Teil handelt es sich um personenbezogene oder gar personengebundene Informationen, die in diesen Dateien enthalten sind. Ich will einige wenige Beispiele nennen. Zu den personengebundenen Dateien, z. B. bei INPOL, gehört, ob der Betroffene bewaffnet, gewalttätig oder geisteskrank ist. Mit diesen Daten muss man sehr sensibel umgehen.

Ich wünsche mir, dass wir auch bei den künftigen Beratungen, die wir im Innenausschuss zu den Anträgen von SPD und Grünen bezüglich Google usw. haben, auf eine gemeinsame Linie kommen; denn ich halte es für gegeben, dass alle hier im Landtag vertretenen Parteien ein sehr großes Interesse daran haben, dass wir mit Daten sensibel

umgehen und gemeinsam dafür sorgen, dass unsere Bürgerinnen und Bürger hier in Niedersachsen gut und sicher leben können.

Herzlichen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für die Fraktion DIE LINKE hat Frau Flauger das Wort. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Uns liegt eine umfangreiche Antwort mit mehreren Dutzend Anhängen vor. Ich bin sicher, das war eine Menge Arbeit. Ich möchte mich bei allen bedanken, die daran mitgewirkt haben, diese Antwort zu erstellen.

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung von Ralf Briese [GRÜNE])

Meine Damen und Herren, das Bundesverfassungsgericht hat schon 1983 im sogenannten Volkszählungsurteil das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Grundrechten abgeleitet, die in unserer Verfassung verankert sind und die wir Linke immer verteidigen werden. Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Urteil auch festgestellt, dass es keine personenbezogenen Daten gibt, die ganz unbedenklich gespeichert werden können, weil es nämlich die Möglichkeit gibt, Daten miteinander zu verknüpfen, daraus Schlussfolgerungen zu ziehen und dann möglicherweise neue Daten aus den vorhandenen zu erzeugen.

Das ist für das Jahr 1983 sehr weitsichtig gewesen, wenn man einmal überlegt, welche technischen Möglichkeiten es damals gab. Sie waren hinsichtlich der Speicher- und Rechnerkapazitäten doch noch recht beschränkt. Das ist heute anders. Ich weiß, wovon ich rede. Denn ich habe von 1985 bis 2005 im IT-Bereich gearbeitet, und zwar überwiegend in Rechenzentren, in denen mehrere Hundert Banken betreut wurden, und habe die technische Entwicklung miterlebt. Von Zeiten, in denen jedes Byte gespart werden musste und in denen Daten von Festplatten auf Bänder aus Platzgründen ausgelagert wurden, bis zur heutigen Zeit, in der Speicherkapazitäten eigentlich kein Problem mehr sind und Rechenleistung genauso wenig.

Natürlich wurden in diesen Rechenzentren, in denen ich gearbeitet habe, für Banken Programme geschrieben, mit denen genau die Möglichkeiten genutzt wurden, die das Bundesverfassungsgericht schon 1983 angesprochen hatte: Es wurden Daten verknüpft, es wurden daraus neue erzeugt. Aus Informationen wie Wohnort, Tilgungsverhalten, Kreditinanspruchnahme wurden über Erfahrungswerte, über Wahrscheinlichkeiten und über Korrelationen Schlussfolgerungen über die verschiedenen Kunden gezogen und gespeichert. Weil aber Wahrscheinlichkeiten und entsprechende Annahmen die Grundlage dieser Schlussfolgerungen sind, kann es im Einzelfall eben auch zu fehlerhaften Schlussfolgerungen bei bestimmten Personen kommen. Das führt dann z. B. dazu, dass Personen wegen einer schlechten Punktezahl keine oder nur noch teure Kredite bekommen.

Es lohnt sich vor diesem Hintergrund, in die Antwort auf diese Große Anfrage genau zu schauen, wie man in die vielen genannten Dateien hineinkommt. Ich will zwei Beispiele nennen.

Da wird die Datei Castortransporte ISA genannt. In ihr werden u. a. abgespeichert: Tatverdächtige, Anmelder, Beschuldigte, Leiter von Versammlungen, und zwar fünf Jahre lang. Die Betroffenen müssen dafür gar nichts getan haben, nichts Verwerfliches jedenfalls.