Protokoll der Sitzung vom 05.10.2010

Minister für Umwelt und Klimaschutz Staatssekretär Dr. Stefan B i r k n e r ,

Hans-Heinrich S a n d e r (FDP) Ministerium für Umwelt und Klimaschutz

Beginn der Sitzung: 13.31 Uhr.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich wünsche Ihnen allen einen guten Tag und heiße Sie namens des Präsidiums zu unserer heutigen Sitzung sehr herzlich willkommen.

Tagesordnungspunkt 1: Mitteilungen des Präsidenten

Zur Tagesordnung: Die Einladung und die Tagesordnung für diesen Tagungsabschnitt liegen Ihnen allen gedruckt vor.

Für die Aktuelle Stunde, die für morgen früh vorgesehen ist, sind fünf Themen benannt worden. Es liegen im Übrigen vier Dringliche Anfragen vor, die Donnerstag früh ab 9.10 Uhr beantwortet werden.

Auf der Grundlage der im Ältestenrat für die Beratung einzelner Punkte vereinbarten Redezeiten und des im Ältestenrat vereinbarten Verteilerschlüssels haben die Fraktionen die ihnen jeweils zustehenden Zeitkontingente so verteilt, wie Sie das aus der Ihnen vorgelegten Übersicht ersehen können. - Ich stelle das Einverständnis des Hauses mit diesen Redezeiten fest.

Die heutige Sitzung soll gegen 19.30 Uhr enden.

Ich möchte Sie noch auf zwei Veranstaltungen hinweisen: In der unteren Wandelhalle ist die vom Verbund der niedersächsischen Frauen- und Mädchenberatungsstellen gegen Gewalt konzipierte Ausstellung „Der richtige Standpunkt: Gegen Gewalt an Frauen und Mädchen“ und in der Portikushalle die von der Bibliothek des Niedersächsischen Landtages konzipierte Präsentation „20 Jahre Deutsche Einheit“ zu sehen. Ich würde mich freuen, wenn Sie ungeachtet der Fülle der von uns zu behandelnden Themen ein wenig Zeit finden könnten, sich die Ausstellung und die Präsentation anzusehen.

Rede zur deutschen Einheit

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 3. Oktober 1990 waren die Deutschen das glücklichste Volk der Welt - in Frieden und Freiheit wiedervereinigt. Der Fall der Mauer und die Wiedervereinigung unseres Vaterlandes waren nur möglich, weil die Freiheit gesiegt hat, weil die Bürgerinnen und Bürger in der DDR sie sich erkämpft haben. Deshalb gehört die friedliche Revolution zu den großen und glücklichsten Ereignissen in der deutschen Geschichte.

Die dramatischen Entwicklungen der Jahre 1989/1990 haben die Welt nachhaltig verändert. Dieser Prozess war Teil einer Entwicklung, die sich im gesamten Osteuropa abspielte. Die friedliche Revolution und die Öffnung der Grenzen schufen die Voraussetzungen für den folgenden unaufhaltsamen Prozess der deutschen Wiedervereinigung und das weitere Zusammenwachsen Europas, damit Grenzen uns nicht länger trennen, sondern verbinden.

Das Jahr 2010 steht ganz im Zeichen der Erinnerung an den Wandel, der auch von Niedersachsen aus durch Partnerschaften und Hilfestellungen begleitet und auch unterstützt wurde. Mit dem Land Sachsen-Anhalt verbindet uns nach wie vor eine vertrauensvolle und freundschaftliche Zusammenarbeit. Die Veranstaltung „Zukunftswerkstatt deutsche Einheit“ vor einigen Wochen im Niedersächsischen Landtag, in der Schülerinnen und Schüler aus Sachsen-Anhalt und Niedersachsen ihre Erfahrungen und Bewertungen ausgetauscht haben, ist ein gelungenes Beispiel dafür. Die deutsche Einheit wird erwachsen. Auch uns in Niedersachsen als Bundesland mit der längsten Grenze zur früheren DDR erfüllt das mit Stolz und großer Dankbarkeit.

(Lebhafter Beifall)

Mitteilungen des Präsidenten

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Initiative „Schulen in Niedersachsen online“ wird in den kommenden Tagen wiederum mit einer Onlineredaktion live aus dem Landtag berichten. Es handelt sich um Schülerinnen und Schüler der Pingel- Anton-Haupt- und Realschule aus Galgen

moor/Cloppenburg. Die Abgeordnete Renate Geuter hat sich dankensweiterweise bereit erklärt, als Patin die Arbeit der jungen Leute nach Kräften zu unterstützen und erste Ansprechpartnerin der Nachwuchsjournalisten sein.

(Beifall bei der SPD)

Ich darf Sie herzlich bitten, Ihre Reden bis spätestens morgen Mittag, 12 Uhr, an den Stenografischen Dienst zurückzugeben.

Die mir zugegangenen Entschuldigungen teilt Ihnen nunmehr die Schriftführerin mit.

Schönen guten Tag, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es haben sich entschuldigt: von der Landesregierung Justizminister Herr Busemann ab 15 Uhr, von der Fraktion der CDU Herr Höttcher und von der Fraktion DIE LINKE Frau Reichwaldt bis 17 Uhr sowie das fraktionslose Mitglied des Hauses Frau Wegner.

Vielen Dank. - Verehrte Kolleginnen und Kollegen, bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich Sie bitten, sich von den Plätzen zu erheben.

Am 10. September 2010 verstarb die ehemalige Abgeordnete der ersten Stunde des Niedersächsischen Landtages, Frau Ilse Reinhardt, im Alter von 99 Jahren. Frau Reinhardt gehörte sowohl dem ernannten als auch dem ersten frei gewählten Niedersächsischen Landtag von 1946 bis 1974 als Mitglied der DP/NLP- und später der CDU-Fraktion an. Während dieser Zeit war sie in verschiedenen Ausschüssen tätig, die sich mit sozialen Themen und den Angelegenheiten von Vertriebenen, Flüchtlingen und Kriegssachgeschädigten befassten. Sie gehörte außerdem dem Kultusausschuss an.

Frau Reinhardt wurde für ihre Verdienste mit dem Großen Verdienstkreuz des Niedersächsischen Verdienstordens, mit der Niedersächsischen Landesmedaille und dem Großen Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet. Wir werden Frau Reinhardt in guter Erinnerung behalten. - Ich danke Ihnen.

Ich komme jetzt zu Tagesordnungspunkt 2:

Einzige (abschließende) Beratung: Entwurf eines Gesetzes zum Vierzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag - Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs. 16/2653 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bundes- und Europaangelegenheiten und Medien - Drs. 16/2855 - Schriftlicher Bericht - Drs. 16/2911

Der Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten und Medien empfiehlt Ihnen, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen.

Eine mündliche Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Wir treten in die Beratung ein. Dazu erteile ich Frau Kollegin Behrens von der SPD-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine geehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, für uns alle ist unstrittig, dass Kinder und Jugendliche beim Umgang mit Medien und im Internet besser geschützt werden müssen. Wir müssen auch den Eltern helfen, ihre Kontroll- und Erziehungsfunktion bei den neuen Medien zu bewältigen; denn das Internet ist ein fester Bestandteil für uns alle. Bei den Kindern und Jugendlichen ist es auf alle Fälle so. Die letzte BITKOMStudie von Anfang dieses Jahres hat gezeigt: Schon bei den 10-Jährigen sind 71 % im Netz. Bei den 11- bis 14-Jährigen sind es 93 %. Von den über 16-Jährigen sind 99 % im Internet. Für die jungen Menschen ist die virtuelle Welt also Realität. Sie ist daher von uns genauso zu schützen wie die reale Welt.

(Beifall bei der SPD und bei der LINKEN)

Die große Frage ist nun: Leistet die Novellierung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages diese Schutzfunktion, die wir uns alle wünschen? Ist es eine wirkliche Verbesserung des Jugendschutzes und vor allem des Jugendmedienschutzes? Oder ist es nur ein Placebo, damit wir politisch Verantwortlichen uns besser fühlen können?

Der uns vorliegende Staatsvertrag setzt auf Kontrolle statt auf Zensur. Dabei sollen die Betreiber von Internetseiten zur freiwilligen Alterskennzeichnung ihrer Angebote bewegt werden. Besondere PC-Schutzprogramme sollen dabei die Altersangaben lesen und die Seiten dann entweder freige

ben oder stoppen. Dabei setzt man vor allem auf die Eltern; denn allein die Erziehungsberechtigten entscheiden, ob sie ein Jugendschutzprogramm auf dem Rechner installieren wollen oder nicht.

Die Seitenanbieter sollen eine freiwillige Alterskennzeichnung in den Altersstufen 0, 6, 12, 16 und 18 vornehmen. Sie können das selbst machen oder sich der Freiwilligen Selbstkontrolle bedienen. Wenn Seitenbetreiber keine Kennzeichnung vornehmen, gehen diese Schutzprogramme davon aus, dass die Inhalte nur für Volljährige erlaubt sind. Man greift also auf einen Jugendschutzmechanismus zurück, den wir auch vom Kino, von DVDs oder Online- und Videospielen kennen.

Anbieter der Internetzugänge sollen schließlich für die Verbreitung von Schutzprogrammen sorgen und sie ihren Kunden anbieten. Die Provider sind aber nicht in der Verantwortung für die Inhalte der Seiten. Allein die Erziehungsberechtigten entscheiden, ob sie ein Jugendschutzprogramm auf dem Computer installieren und Kinder so vor verstörenden Inhalten im Netz schützen. Internetprovider sollen künftig verpflichtet sein, ihre Nutzer - die Kinder - auf Jugendschutzprogramme hinzuweisen.

Wir als SPD-Landtagsfraktion wollten wissen, ob das eigentlich ein Instrument ist, das alle in die Lage versetzt, Kinder- und Jugendmedienschutz im Internet durchsetzen zu können. Wir haben eine Anhörung zu diesem Thema durchgeführt und dazu viele Experten aus dem Land Niedersachsen eingeladen. Wir haben uns von ihnen darstellen lassen, wie sie zu diesem Gesetz stehen. Die Meinungen waren relativ eindeutig: Das Gesetz - so die deutliche Einschätzung der Experten - geht an der wirklichen Problematik vorbei. Die Medienkompetenz und die medienpädagogische Arbeit müssen mehr in den Fokus - nicht die technische Installation von Schutzprogrammen, mit denen sich sicherlich nicht alle Eltern auseinandersetzen.

(Beifall bei der SPD sowie Zustim- mung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Als großes praktisches Problem wird die Kennzeichnungspflicht beschrieben. Denn eine Kennzeichnung nach Altersstufen können sich nur große Anbieter leisten. Landesjugendorganisationen, Freiwilligenverbände, Medienpädagogen usw., die kleine, auch wichtige medienpädagogische Angebote im Netz zur Verfügung stellen, können diese Alterskennzeichnung in der Regel nicht leisten - so die Einschätzung der Experten. Das würde bedeu

ten, ihre Internetseiten wären automatisch nur für Nutzer ab 18 Jahre zugänglich und damit für Kinder tabu. Das ist wirklich kontraproduktiv.

(Zustimmung bei der SPD)

Ich möchte aus einer Bewertung der Niedersächsischen Landesmedienanstalt aus unserer Anhörung zitieren:

„Notwendig wäre ein verstärkter aktiver Jugendschutz im Internet, z. B. die Stärkung des Datenschutzes für Jugendliche in sozialen Netzwerken, leicht auffindbare und personell gut ausgestattete Beschwerdeseiten der Plattformbetreiber und der Aufbau von jugendgerechten Beratungsseiten.... Generell muss der Jugendschutz in das Netz getragen werden, und dabei müssen Aufklärung und Beratung vor repressiven Maßnahmen stehen.“

Das, meine geehrten Kolleginnen und Kollegen, leistet dieses Gesetz nicht. Es befreit im Grunde genommen die Landesregierung davon, sich mehr um das Thema Medienkompetenz zu kümmern.

Meine Fraktion ist der Meinung, dass wir die Medienkompetenz im Bildungsbereich viel stärker zum Zuge kommen lassen müssen. Wir fordern in jedem Fall vor der Installation von Filtersystemen mehr Schutz und Sicherheit durch Medienkompetenz.

(Beifall bei der SPD sowie Zustim- mung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Ich möchte an dieser Stelle an eine Debatte erinnern, die wir zu Anfang dieses Jahres im Landtag geführt haben, als wir die Große Anfrage meiner Fraktion zum Thema Medienkompetenz behandelt haben. Dort hat die Landesregierung in ihrer ausführlichen Beantwortung eine Einschätzung zum Thema Medienkompetenz gegeben. Ich möchte daraus nur zwei Sätze zitieren, um das Problem in Niedersachsen deutlich zu machen. Die Landesregierung sagt in ihrer Antwort auf unsere Große Anfrage:

„Der Erwerb von Medienkompetenz findet im Alltag überall dort statt, wo Menschen Medien nutzen.“

Der zweite Satz lautet: