staatlichen Mitteln, sondern er wird sich auch weiterhin überwiegend im privaten Umfeld verwirklichen.“
Wir verlassen uns bei den anderen Schlüsselqualifikationen wie Lesen, Rechnen und Schreiben auch nicht auf die Zufälligkeit des Alltags, sondern nehmen das ganz bewusst in die Bildung auf. Medienkompetenz ist für meine Fraktion die vierte Kulturtechnik, die wir viel stärker in den Fokus rücken müssen.
Das Jugendmedienschutzgesetz, so wie es uns hier vorliegt, nimmt das Thema Medienkompetenz überhaupt nicht auf. Es wird keinen praktischen Nutzen für die Kinder und Jugendlichen bringen. Es wird keinen Effekt auslösen und Kinder und Jugendliche nicht vor schwierigen Inhalten im Internet schützen. Kinder und Jugendliche schützen würde es, wenn aufgezeigt würde, wie mit diesen neuen Medien zu verfahren ist. Das wird heute aber nicht auf den Weg gebracht. Daher lehnen wir dieses Gesetz ab.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jugendschutz und Medien sind zwei Bereiche, deren Beziehungen zueinander zu lange nicht ausreichend gesetzlich geregelt waren. Zwar ist bereits 2002 die Problematik eines angemessenen Schutzes von Kindern und Jugendlichen im Umgang mit Medien - und hier speziell im Umgang mit Computern und deren weltweiter Vernetzung - erkannt worden, doch auf die diesbezügliche Protokollerklärung der Länder erfolgte zunächst ein Evaluierungsbericht des Hamburger Hans-BredowInstitutes für Medienforschung, auf dessen Grundlage die Gesetzesnovelle erarbeitet wurde, die uns vorliegt.
Die Ministerpräsidenten haben den Staatsvertrag bereits unterzeichnet. Nun ist es an uns, ihn in den Parlamenten zu ratifizieren. Die Novelle verfolgt im Wesentlichen vier Ziele: erstens die Setzung von Impulsen für die Entwicklung und Verbreitung von Jugendschutzprogrammen, zweitens die Vereinheitlichung des Jugendmedienschutzgesetzes durch Bund und Länder, drittens die Einführung eines Systems der freiwilligen Alterskennzeichnung auch von Onlineangeboten und schließlich viertens die Fortentwicklung und Stärkung des Systems der regulierten Selbstregulierung.
Natürlich kann ein Staat den Eltern oder Erziehungsberechtigten die Aufgabe des Schutzes ihrer Kinder nicht komplett abnehmen. Aber als Gesetzgeber stehen wir in der Verpflichtung, Auswüchse des Missbrauchs einzudämmen bzw. ganz zu verhindern. Wir können und sollten den Rahmen setzen, in dem Eltern Wege zum Schutz finden können.
Dieser Staatsvertrag bietet hierfür eine gute Grundlage. Denn viele einzelne Maßnahmen, die in ihm geregelt werden, fügen sich zu einem Ganzen, das einen verantwortungsvollen, kompetenten Umgang der Kinder und Jugendlichen mit PC und World Wide Web ermöglicht. Richtungsentscheidend ist hierbei vor allem das Prinzip der regulierten Selbstregulierung. Staat und Wirtschaft übernehmen mit der Gesellschaft die Verantwortung für den Jugendmedienschutz. Die Wirtschaft hat in ihrem Bereich bereits reagiert, indem sie die Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia, ein System zur Selbstklassifizierung von Onlineinhalten, konzipiert hat, das den Anbietern internetgestützt als Wegweisung bei der konkreten Alterskennzeichnung ihrer Websites dienen soll.
Auch die nunmehr auf Dauer angelegte Finanzierung von „jugendschutz.net“ ist eine Maßnahme zur Steigerung des Systems der regulierten Selbstregulierung. „Jugendschutz.net“ arbeitet der Kommission für Jugendmedienschutz unmittelbar zu und sorgt durch ihr Abhilfeverfahren dafür, dass in mehr als 70 % der Fälle entwicklungsbeeinträchtigende Inhalte aus dem Netz verschwinden, und zwar bereits im Vorfeld möglicher Aufsichtsverfahren.
Richtungsweisend ist aber auch die neue freiwillige Alterskennzeichnung von Inhalten, besonders von Internetangeboten. Der Anbieter wird seine jugendschutzrechtliche Verpflichtung dadurch erfüllen können, dass er sein Angebot freiwillig mit einem Alterskennzeichen versieht. Dieses Alters
kennzeichen - die Altersstufen werden hierbei aus dem geltenden Jugendschutz übernommen und liegen bei 0, 6, 12, 16 und 18 Jahren - wird von einem anerkannten Jugendschutzprogramm ausgelesen werden können. Konkret wird es sich so darstellen, dass diese nutzerautonomen Programme von Eltern oder Erziehungsberechtigten auf den Computern installiert und aktiviert werden müssen. Wenn die Programme aktiviert sind und das Kind im Netz surft, sorgt die freiwillige Alterskennzeichnung für die Filterung der Inhalte, die oberhalb der von den Eltern eingestellten Altersstufe liegen. Die Filterung findet somit durch den Nutzer und nicht netzseitig statt.
Das Gesetz bevormundet weder Nutzer noch Anbieter. Vielmehr zwingt es zur beiderseitigen Auseinandersetzung mit dem Medium Computer und Internet. Anbieter müssen klare Zuordnungen treffen und Nutzer sich mit den Inhalten auseinandersetzen. Im besten Fall führt diese Kombination zur Förderung der Medienkompetenz bei Kindern und Eltern.
Wir sind uns darüber im Klaren, dass Kompetenz nicht automatisch allein durch Verbote erzielt werden kann. In der nunmehr gewählten Form steht vor dem Verbot aber ein Prozess der kritischen Auseinandersetzung mit dem Angebot, und zwar kein staatlich diktierter und reglementierter. Die Verantwortlichen entscheiden, bis zu welcher Grenze sie gehen wollen. Hierdurch wird Kompetenz erworben.
Bislang ist die Anerkennung von solchen Jugendschutzprogrammen an hohen Anforderungen gescheitert. Dies wird mit der vorliegenden Novelle erheblich vereinfacht. Nunmehr soll die Anerkennung nach dem Stand der Technik erfolgen. Hierdurch können wir erwarten, dass solche Programme sehr zeitnah auf den Markt kommen. Ihr Erfolg wird in hohem Maße von der Benutzerfreundlichkeit, einer einfachen Handhabung und großer Effizienz sowie ihrem Bekanntheitsgrad abhängen. Hierfür ist sicherlich eine gezielte Öffentlichkeitsarbeit geboten und hilfreich.
Was die Inhalte von Foren, Blogs oder Chatrooms betrifft, so sind die Verpflichtungen des Verantwortlichen für das Gesamtangebot bereits heute im Telemediengesetz des Bundes geregelt. Hieran werden wir nicht rütteln; denn nach geltendem Recht sind diese Anbieter verpflichtet, in bestimmten Fällen Inhalte Dritter zu löschen oder den Zugang zur Nutzung solcher Inhalte zu sperren.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, natürlich kann man auch am vorliegenden Entwurf manches bemängeln. Sicherlich sind technische Entwicklungen immer schneller als mögliche Reaktionen darauf. Sicherlich muss viel Aufklärungsarbeit zur Installation und Nutzung von Jugendschutzprogrammen erfolgen, und sicherlich kann keine Technik der Welt Erziehung ersetzen. Aber wir geben mit dieser Novelle Hilfen an die Hand, mit denen einerseits die Erziehung zur Medienkompetenz bei Kindern und Jugendlichen unterstützt wird und zugleich Minderjährige vor gefährdenden Inhalten geschützt werden können. Wir nehmen Anbieter und Nutzer gleichermaßen in die Pflicht und erleichtern staatlicherseits Entwicklung und Anwendung wirksamer Mechanismen.
Auch das Hans-Bredow-Institut hat den Staatsvertragsentwurf der Länder bewertet und kommt zu dem Ergebnis, dass die Novellierung sicher nicht der ganz große Wurf, aber eine wesentliche Verbesserung des Status quo ist. Diese überwiegend positiven Bewertungen sollten für uns Grund genug sein, dem Gesetzentwurf zuzustimmen, sodass der Vierzehnte Rundfunkänderungsstaatsvertrag zum 1. Januar 2011 in Kraft treten kann. Das Prinzip der regulierten Selbstregulierung hat sich bewährt. Geben wir diesem Prinzip auch im Internet eine Chance!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es geht um die gute Absicht, Kinder und Jugendliche vor Internetinhalten zu schützen, die nicht ihrem Alter gemäß sind und ihrer Entwicklung schaden können. Dazu sollen die Anbieter freiwillige Alterskennzeichnungen für ihre Internetinhalte vornehmen, wie wir es von der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft kennen. Dann soll ein kostenloses Programm auf den PCs genutzt werden, das nach diesen Kennzeichnungen die Inhalte filtert. Wird damit tatsächlich ein wesentlicher Beitrag für den Schutz von Kindern und Jugendlichen erbracht?
Die Anbieter sollen ihre Inhalte freiwillig mit Altersangaben versehen, diese Einstufung muss aber sinnvollerweise für einzelne Bestandteile eines Internetangebots getrennt erfolgen. Das ist auch eine Frage der Leistbarkeit. Große finanz- und personalstarke Anbieter können das, kleine oder private Anbieter nicht. Ihnen bleibt nur, Inhalte vorsichtshalber als „geeignet ab 18“ zu kennzeichnen oder ganz auf eine Kennzeichnung zu verzichten. Das läuft nach diesem Gesetzentwurf auf das Gleiche hinaus: Die Inhalte werden von dem Programm herausgefiltert.
Meine Damen und Herren, einer der fünf Gründungsherausgeber der FAZ hat einmal gesagt: „Pressefreiheit ist die Freiheit von 200 reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten.“ Das Internet hat diesem Ungleichgewicht etwas Starkes entgegengesetzt: die Möglichkeit, dass im Prinzip alle gleichberechtigt, fast kostenlos ihre Meinung verbreiten können. Für diese Demokratisierung der Informationsverbreitung wurde zu Recht oft der Ausdruck „digitale Revolution“ verwendet. Wenn jetzt für kleine, nicht finanzstarke Anbieter die neu gewonnenen Möglichkeiten gegenüber größeren Anbietern wieder eingeschränkt werden, dann geht der demokratische Charakter des Internets zum großen Teil wieder verloren.
Man könnte darüber diskutieren, ob das in Kauf zu nehmen wäre, damit Kinder und Jugendliche besser geschützt werden können. Aber dieses Gesetz hilft bei der Erreichung dieses Ziels nicht. Von dem vorgesehenen Jugendschutzprogramm werden die Inhalte ausgefiltert, die laut Alterskennzeichnung nicht geeignet sind, aber auch alle nicht gekennzeichneten und alle ausländischen Inhalte - das sind im Internet nicht wenige, auch viele der beliebten sozialen Netzwerke. Außerdem sollen nicht kindgerechte Angebote über Sendezeiten nur zu bestimmten Uhrzeiten angeboten werden, was völlig am Charakter des Internets vorbeigeht. Das verbleibende „Restkinderinternet“ ist höchstens für sehr junge Kinder bis vielleicht acht Jahre spannend genug. Für diese Altersgruppe gibt es aber bereits gute Filterprogramme. Außerdem wäre es wünschenswert, dass so junge Kinder nicht allein, sondern von den Eltern oder Lehrkräften begleitet surfen.
Ältere Kinder wollen solch ein abgestripptes „Kinder-Net“ nicht und werden schnell Wege finden, bei Freunden oder woanders zu surfen oder das
Sie können wir nur schützen, indem wir sie zu kritischem und mündigem Umgang mit Medien befähigen. Deshalb wäre es dringend an der Zeit, dass die Landesregierung endlich ein Konzept zur Vermittlung von Medienkompetenz in Kindertagesstätten und Schulen vorlegt. Bisher hat sie sich diesem konsequent verweigert.
Aus alldem folgt: Das vorliegende Gesetz wird seiner Zielsetzung nicht gerecht. Wer Kinder vor altersunangemessenen Internetinhalten schützen will, kann das für jüngere Kinder einfacher und besser erreichen als mit diesem Gesetz. Für ältere Kinder und Jugendliche wird das Ziel mit solchen technischen Maßnahmen ohnehin nicht erreicht.
Wer diesem Gesetz also zustimmt, erreicht das Ziel nicht, nimmt aber in Kauf, dass die digitale Revolution mit einer digitalen Konterrevolution zurückgedreht wird.
So wird das nichts mit dem Jugendschutz! Aber so zerstört man Demokratie im Internet. Wir lehnen den Gesetzentwurf ab.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Absicht, junge Menschen vor jugendgefährdenden Inhalten zu schützen, die über internetbasierte Medien verbreitet werden, ist gut. Das Problem ist nur, dass es so, wie vorgeschlagen, leider nicht geht. Der Grundirrtum des Gesetzes besteht darin, dass angenommen wird, das Internet funktioniere so ähnlich wie Fernsehen oder Radio und sei damit in Wirklichkeit eine Art Rundfunk. Das ist aber nicht so, insbesondere nicht im Web 2.0.
Im Grunde ist der Staatsvertrag der Versuch, im Internet die Grenzen der Kleinstaaterei aufzuziehen. Das gilt auch dann, wenn 16 Bundesländer versuchen, zu einer einheitlichen Regelung zu
kommen; denn das Internet kann mit keinem noch so schönen Regelwerk so sauber gemacht werden wie deutsche Vorgärten, weil es eben kein deutsches Internet gibt.
Man setzt sehr stark auf technische Filterprogramme. Sie bestehen aus zwei Komponenten, nämlich einerseits der freiwilligen Alterskennzeichnung der Inhalte durch den Anbieter und andererseits aus einem Programm, das die Netzprovider ihren Kundinnen und Kunden anbieten sollen, das dann auf dem PC installiert wird und die Webseiten blockieren soll, die nicht über eine entsprechende Alterskennzeichnung verfügen.
Aus medienpädagogischer Sicht sind solche Sperren und die damit verbundenen Probleme fragwürdig. Sie schützen das Kind vor jugendgefährdenden Inhalten nämlich nur scheinbar. In Wirklichkeit setzen sie zunächst voraus, dass es erstens Eltern gibt, die auf dem PC eine entsprechende Software installieren können. Schon daran wird es sehr häufig scheitern; denn im Regelfall kennen sich die Kinder und Jugendlichen besser mit den PCs aus als ihre Eltern und müssten sich im Zweifel das Programm selbst installieren.
Zweitens müssten die Eltern dann darauf achten, dass ihre Kinder das Internet nur mit dem Account des jeweiligen Kindes, also filterüberwacht, nutzen. Die Realität sieht anders aus: Die Jugendlichen und Kinder können den Filter wahrscheinlich problemlos deinstallieren oder ihn umgehen. Die technischen Sperren - das zeigt die Erfahrung - schaffen oft einen zusätzlichen Anreiz, sich gerade für diese gesperrten Inhalte zu interessieren.
Der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag arbeitet mit einer Art Schuldvermutung. Das heißt, alle internetbasierten Angebote, die nicht über eine Altersfreigabe verfügen, gelten als schlecht und werden blockiert. Hiermit werden nicht kommerzielle und private Anbieter diskriminiert, die sich diese teuren Filtergeschichten, die Alterskennzeichnungen wahrscheinlich gar nicht leisten können. Dann werden ihre Angebote, wenn ein Filter installiert ist, automatisch blockiert. Damit könnte es sogar dazu kommen, dass gute Angebote wie z. B. das von Myjuleica oder das von Jugendgruppen blockiert werden, obwohl sie für Kinder ausgesprochen gut geeignet und sogar für sie gedacht sind. Ich halte das für ziemlich sinnlos.