Protokoll der Sitzung vom 06.10.2010

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Aber was machen Sie? Statt den Arbeitslosen zu helfen, in Arbeit zu kommen, kürzen Sie nebenher noch die Mittel der aktiven Arbeitsmarktförderung. Dann sagen Sie aber: Wir müssen ihnen das Leben möglichst schwer machen, damit sie arbeiten gehen. - Das ist wirklich unverschämt.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Und Sie schüren Ressentiments in der Bevölkerung. Es ist doch kein Zufall, dass der von Ihnen beschworene biertrinkende und kettenrauchende Arbeitsverweigerer das neue Feindbild der unteren Mittelschicht geworden ist. Sie verstärken dieses Feindbild ununterbrochen. Das haben Sie jüngst wieder getan.

Das ist sehr bequem. Denn wenn Sie Kleinrentner, Niedrigverdiener und Langzeitarbeitslose gegeneinander in den Kampf ziehen lassen, dann müs

sen Sie sich den großen Verteilungsfragen in dieser Gesellschaft nicht mehr stellen. Sie spielen die Ärmsten gegen die Armen aus. Es ist schändlich, was Sie da machen.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Zuruf von der CDU: Sie haben es nicht verstanden!)

Meine Damen und Herren, nächster Redner für die FDP-Fraktion ist der Kollege Grascha. Bitte!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst einmal für alle Beteiligten noch einmal zur Erinnerung: Die Hartz-Reformen gehen auf eine SPD-Grünen-Regierung zurück. Das muss doch noch einmal festgehalten werden.

(Zustimmung bei der CDU)

Zum ersten Mal, meine sehr geehrten Damen und Herren, werden die Regelsätze transparent und nachvollziehbar berechnet und nicht, wie das Bundesverfassungsgericht kritisiert hat, ins Blaue hinein geschätzt. Zum ersten Mal erklärt die Politik, was und warum im Regelsatz enthalten ist und was nicht. Zum ersten Mal wird der Bedarf von Kindern und Jugendlichen eigenständig erfasst und nicht mehr vom Erwachsenensatz abgeleitet. Zum ersten Mal werden die Bildungsausgaben für Kinder und Jugendliche berücksichtigt und zielgenau an die Kinder durch Sachleistungen weitergegeben. Rot-Grün hat den Kindern dort keinen Cent gegeben.

(Zustimmung bei der CDU)

Meine Damen und Herren, es ist von Frau Mundlos und von Herrn Riese schon gesagt worden, das Bundesverfassungsgericht hat ausdrücklich nicht die Höhe des Regelsatzes kritisiert, sondern das Verfahren, wie es zu der Höhe dieses Satzes gekommen ist. Das, was Sie daraus ableiten, meine Damen und Herren von SPD, Grünen und Linken, ist reine Willkür. Das Urteil - das muss man an der Stelle noch einmal eindeutig feststellen - führt dazu, dass wir als Regierungsparteien im Bund und auch im Land das Thema entsprechend ernst nehmen. Wir verspotten dieses Urteil nicht, sondern wir nehmen es ernst und setzen es entsprechend um. Das ist das, was wir in der heutigen Situation brauchen.

Es geht darum, realitäts- und bedarfsgerecht die Höhe der Hartz-IV-Regelsätze zu ermitteln. Darum geht es, meine Damen und Herren, es geht um die Realität. Es muss sich also an der Lebenswirklichkeit der Menschen orientieren. Und genau das macht diese Bundesregierung, meine Damen und Herren. Alles andere - das möchte ich an der Stelle auch noch einmal eindeutig sagen - wäre eine Verhöhnung der Geringverdiener; denn genau von diesen Beträgen leiten sich ja die Hartz-IV-Sätze ab.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Sorgen Sie doch mal für einen Mindestlohn!)

Die Geringverdiener müssen für dieses Geld hart arbeiten. Es wäre eine Verhöhnung der Geringverdiener.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Die Arbeitslosengeld-II-Empfänger erhalten ein steuerfinanziertes Budget zur freien Verfügung. Das Verfassungsgericht hat ausdrücklich festgelegt, dass der Warenkorb von der Politik zusammengesetzt werden darf. Die Solidarität der Gesellschaft ermöglicht ein eigenverantwortliches Handeln. Wer allerdings Alkohol und Tabak trotzdem konsumieren möchte - dagegen hat ja niemand etwas, das möchte auch niemand vorschreiben -, der muss dafür die Verantwortung übernehmen, und es muss eben an anderer Stelle dafür gespart werden.

(Frauke Heiligenstadt [SPD]: Wo denn?)

Die Regelsätze, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind gegenüber den kleinen Einkommen in ihrer Höhe fair. Der Anreiz zur Aufnahme von Arbeit wird nicht gemindert. Das Lohnabstandsgebot bleibt gewahrt.

Sie reden hier, meine Damen und Herren - Herr Humke-Focks hat das auch wieder getan mit der Herunterrechnung auf die tägliche Erhöhung -, von 5 Euro. Ich rede bei einer vierköpfigen Familie von über 1 800 Euro. Diese Unterstützung bekommen Familien in Deutschland, die kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit haben. Das ist die Realität, meine Damen und Herren. 1 800 Euro! Das muss man doch einmal sagen.

(Beifall bei der CDU)

Nehmen wir als Beispiel einen Familienvater, der zwei Kinder und seine Frau zu ernähren hat

(Zurufe von den GRÜNEN: Das ist Ihr Rollenbild! Genau!)

- das ist nicht das Rollenbild, sondern das ist ein Beispiel - und der jeden Tag beispielsweise hier in Hannover im Einzelhandel arbeiten geht. Der muss brutto erst einmal so viel verdienen, dass er am Ende 1 800 Euro netto herausbekommt. Das ist die Realität in Deutschland.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Hans-Henning Adler [LINKE]: Ja, weil wir keinen Mindestlohn haben! - Ge- genruf von Ansgar-Bernhard Focke [CDU]: Mit Mindestlohn fällt der Ar- beitsplatz doch weg, Mann! Sie haben doch keine Ahnung von Wirtschaft! - Olaf Lies [SPD], auf Ansgar-Bernhard Focke [CDU] zeigend: Da drüben spricht ein Fachmann! - Unruhe - Glo- cke des Präsidenten)

Wir machen Politik für die Mitte unserer Gesellschaft. Mitte ist für uns der Facharbeiter genauso wie der Einzelhandelskaufmann, Mitte ist der Betriebswirt genauso wie der Kellner. Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie haben bei Ihrer Politik mittlerweile Mitte und Maß völlig verloren.

(Zustimmung von Roland Riese [FDP])

SPD und Grüne machen willkürliche Sozialpolitik. Sie helfen mit ihrer Sozialpolitik keinem einzigen Menschen.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Eines in dieser Debatte ist für die Menschen sehr interessant und wird immer klarer und deutlicher: Wenn Grüne und SPD jetzt willkürlich höhere Regelsätze fordern, dann haben sie sich von der Mitte in Deutschland längst verabschiedet.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, von der SPD-Fraktion hat sich der Kollege Watermann zu Wort gemeldet. Bitte!

(Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Jetzt wie- der eine Hartz-IV-Verteidigung!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege, Sie werden von mir nie etwas anderes hören, weil ich zu denen zähle, die sich nicht - wie CDU und FDP - vom Acker machen.

(Beifall bei der SPD)

Was sie hier veranstalten, ist eine ganz interessante Nummer. Das ist ja auch schlimm. Die Landeszentrale für politische Bildung ist weg, und der politische Geist einer ganzen Fraktion verschwindet mit ihr.

(Zustimmung bei der SPD und bei der LINKEN)

Wenn Sie sich nämlich erinnern könnten, dann würden Sie wissen: Als diese Reform auf der Bundesebene gemacht worden ist, waren in diesem Landtag zwei Regierungsfraktionen von der CDU und von der FDP,

(Roland Riese [FDP]: Die schreiben aber keine Bundesgesetze!)

und die Sozialministerin war Frau von der Leyen.

Wenn Sie sich einigermaßen - nur ein bisschen - mit dem Gesetzgebungsverfahren auskennen, dann wissen Sie, dass ein Bundestag beschließen kann, aber dafür auch den Bundesrat braucht. Der war damals von CDU und FDP dominiert. Deshalb sage ich Ihnen - das ist doch relativ einfach -: Sie stehen mit in dieser Verantwortung! Aber Sie tun hier so, als wenn Sie nicht dabei gewesen wären. Das nenne ich verantwortungslose Politik.

(Lebhafter Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Mir müssen Sie das nicht vorhalten. Ich bin der Einzige in diesem Landtag, der ständig sagt: Ich stehe zu dieser Verantwortung. - Das habe ich beim letzten Mal getan, und das tue ich auch jetzt.

(Christian Grascha [FDP]: Da sind Sie aber der Einzige! Ihre Fraktion macht da nicht mit!)

Aber Sie machen sich ganz billig vom Acker,

(Beifall bei der SPD)

und zwar nicht nur, indem Sie hier Ihre eigene Verantwortung wegdrücken, sondern weil Sie auch noch keine Ahnung haben.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Herbert Wehner hätte zu Ihnen gesagt, Sie seien ein ahnungsloser Schwan.