Meine Damen und Herren, für unsere starken Gymnasien - immerhin 42 % der Schüler gehen dorthin - besteht kein Grund zur Sorge. Im Gegenteil: Die Leistungsbilanz der Landesregierung gerade für die Schulform Gymnasium kann sich mehr als sehen lassen.
Keine andere weiterführende allgemeinbildende Schulform erhält eine gesetzlich verbriefte Bestandsgarantie. Die Neugründung eines Gymnasiums wird bei Mindestzügigkeit von zwei Zügen im Sekundarbereich I und drei Zügen im Sekundarbereich II weiterhin möglich. Von 2003 bis 2011 sind in Niedersachsen insgesamt 21 neue Gymnasien genehmigt worden.
Im Übrigen wollen wir sicherstellen, dass ein gymnasiales Angebot an einer Oberschule nur unter Sicherung des bestehenden Gymnasiums eingerichtet wird. Einen „Schülerklau“ darf es natürlich nicht geben! Letztendlich gilt es, die Verantwortungspartnerschaft von Landkreisen und Mitglieds
Aber noch einmal zum Gymnasium: Die Lehrerarbeitszeit am Gymnasium ist im Vergleich der Schulformen und Bundesländer optimal ausgestaltet. Die Faktoren für die Berechnung der Anrechnungsstunden sind hoch, die Beförderungsmöglichkeiten ebenso. Es ist vorgesehen, die Klassenobergrenzen zum Schuljahresbeginn 2011 auf 30 Schülerinnen und Schüler im 5. und gegebenenfalls 6. Jahrgang abzusenken. Dies ist im Übrigen an der Integrierten Gesamtschule schon der Fall.
Dies sind eindeutige Belege für die klare Haltung der Landesregierung und der sie tragenden Mehrheitsfraktionen zu dieser Schulform. Wir wissen um die Leistungsfähigkeit unserer Gymnasien und werden sie nicht antasten!
Meine Damen und Herren, vor diesem Hintergrund wird die neue Oberschule, deren genauen Rahmenbedingungen wir mit Blick auf das haushalterisch Mögliche noch erörtern, keinesfalls privilegiert. Im Gesamtvergleich von Funktionsstellenausstattung, einer möglichen Unterrichtsverpflichtung von 25 bis 26 Wochenstunden und Klassenobergrenzen von voraussichtlich 28 Schülern wird dies sichtbar werden. Wenn die Landesregierung darüber hinaus an dieser Stelle nach Maßgabe des Landeshaushalts den Einstieg in die teilweise gebundene Ganztagsschule beginnt, dann ist das gut investiertes Kapital zum Wohle der Zukunft unseres Landes und unserer Kinder.
Ich stelle fest: CDU und FDP haben sich mit der geplanten Einführung der Oberschule bewegt. Andere müssen jetzt aufpassen, nicht bewegungslos in der Vergangenheit stecken zu bleiben.
Die Oberschule ist ein bildungspolitisches Angebot und damit ein entscheidender Beitrag zum viel zitierten Schulfrieden. Sie kann überwiegend schulzweigbezogen, teilweise schulzweigübergreifend oder kursdifferenziert ausgerichtet werden. Sie greift Elemente von Haupt- und Realschule, der zusammengefassten Haupt- und Realschule, dem Gymnasium sowie kooperative und teilweise integrierte Elemente der Gesamtschule auf. Sie optimiert und kombiniert diese Ansätze durch eine konsequente berufspraktische und berufsorientierende Ausrichtung, insbesondere in den Schul
jahrgängen 9 und 10, und die konsequente Verklammerung entweder mit dem beruflichen Gymnasium oder der gymnasialen Oberstufe.
Wir werden die kommenden Wochen bis zum zweiten Bildungsgipfel am 30. November noch für den Dialog und die Auswertung vorliegender Forderungen nutzen. Sollten wir in Niedersachsen damit mittel- und langfristig den Weg in die Zweigliedrigkeit wie andere Bundesländer auch mutig beschreiten, sind wir vielleicht der Zukunft ein wenig voraus. Wer in Untätigkeit verharrt, wird seine Zukunft nicht gestalten und erst recht nicht gewinnen.
Meine Damen und Herren, sollten wir in den nächsten Wochen eine breite Mehrheit für die richtigen Weichenstellungen der Schullandschaft in Niedersachsen erreichen, sind wir ein Stück vorangekommen; das ist wahr. Aber es bleibt noch eine Menge zu tun: Inklusion - die gemeinsame Beschulung von behinderten und nicht behinderten Kindern - wird unsere volle Konzentration fordern, ebenso die verbesserte Integration von Kindern mit Migrationshintergrund als Schlüssel zum Bildungserfolg. Die Landesregierung ist auch für diese Debatte gut gerüstet.
Zum Schluss: Niedersachsen braucht den Vergleich mit anderen Bundesländern auch künftig nicht zu scheuen. In Fragen der Schulqualität haben wir gehandelt, statt zu klagen oder längst vergangenen Zeiten nachzutrauern. Wir werden durch unsere Vorschläge zu Stabilität und Kontinuität im Bildungswesen in Niedersachsen beitragen. Wir sollten vermeiden, dass wir uns in absehbarer Zeit wieder in endlosen Schulstrukturdebatten verlieren. Stattdessen sollten wir uns auf ein optimales Bildungsangebot verständigen, um die Zukunftschancen der uns anvertrauten jungen Generation im nationalen Wettbewerb zu sichern. Es geht schließlich um die Zukunft unserer Kinder, und jedes davon - gleich welcher Begabung - wird gebraucht.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Redezeit für die Regierungserklärung betrug 23 Minuten. Die Redezeiten der Fraktionen verlängern sich dementsprechend.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Herr Dr. Althusmann, Sie haben auch von meiner Fraktion besonders viel Applaus bei der Zeile bekommen: „Kein Zweifel, es besteht Handlungsbedarf.“ - Kein Zweifel, meine Damen und Herren: Es besteht erheblicher Handlungsbedarf in der niedersächsischen Bildungspolitik!
Seit Jahren ist die Praxis der Landesregierung von den Vorstellungen der Eltern, der Schulträger, der Lehrkräfte und vieler schulpolitischer Verbände von einer guten Schule meilenweit entfernt. Die Unzufriedenheit mit der niedersächsischen Bildungspolitik ist an den Schulen ununterbrochen gewachsen. Zahlreiche Demonstrationen gab es allein in dieser Legislaturperiode.
Daran haben auch mehrere Ministerwechsel im Bereich der Kultuspolitik seit 2003 nichts ändern können.
Meine Damen und Herren, beim Ministerpräsidentenwechsel im laufenden Jahr hat Herr McAllister noch von einer ideologiefreien Überprüfung der Schulstrukturpolitik gesprochen.
Sie haben hier seit 2003 in Ihrer Bildungspolitik nichts anderes gemacht, als Ideologie pur umzusetzen.
Sie haben mit der Abschaffung der Orientierungsstufe und mit der Entscheidung über die Schullaufbahnempfehlung den Druck in die Grundschulen gegeben, sodass dort in den letzten Jahren bereits im dritten Jahr die höchsten Nachhilfeausgaben entstehen.
(Björn Thümler [CDU]: Olle Kamelle! - Heinz Rolfes [CDU]: Mein Gott, bli- cken Sie doch einmal nach vorn!)
ganz oft: Wir werden die Weichen in der Schulpolitik neu stellen. - Herr Althusmann, Sie betiteln heute Ihre Regierungserklärung mit den Worten „Die Weichen für Niedersachsens Schulen richtig stellen“. - Diesen Vorsatz hören wir seit Jahren. Genau das Gegenteil ist in der praktischen Umsetzung von Bildungspolitik in Niedersachsen allerdings passiert. Wenn Sie das heute so formulieren, ist das für uns eher eine Drohung, muss ich ehrlich sagen.
Herr Minister Althusmann, mit der Einführung der von Ihnen beschriebenen zwei neuen Schulformen - um nichts anderes handelt es sich bei der Oberschule mit gymnasialem Angebot und ohne gymnasiales Angebot - bleiben Sie weit hinter den Erfordernissen einer zukunftsfesten, an den regionalen Bedürfnissen von Schulträgern und Eltern ausgerichteten Schulstruktur zurück.
Erst aufgrund des öffentlichen Drucks von zahlreichen Lehrerverbänden, von Volksbegehren, vom Landeselternrat, von vielen an Bildungspolitik aktiv Beteiligten und von der gesamten Opposition in diesem Landtag
waren Sie Mitte dieses Jahres bereit, überhaupt einmal in dieser Form über Schulstrukturen zu diskutieren.