Protokoll der Sitzung vom 11.11.2010

Wenn Sie das heute ablehnen - im Ernst, meine Damen und Herren -, dann lassen Sie nicht nur die betroffenen Eltern und Kinder allein im Regen stehen, sondern dann erwecken Sie auch erhebliche Zweifel daran, dass Sie sich dieses Themas wirklich ernsthaft annehmen.

(Beifall bei der SPD)

Insofern sage ich Ihnen: Wir haben Wissenschaftler angehört. Sie haben uns gesagt - Norbert Böhlke, du hast es gesagt -: Es ist eine signifikante Erhöhung von Leukämieerkrankungen im Umfeld von Kernkraftwerken festzustellen. Der unmittelbare Zusammenhang kann nicht eindeutig wissenschaftlich belegt werden, aber das Gegenteil auch nicht. - Deshalb fordern wir ja auch immer die Beweislastumkehr. Das ist auch eine schlüssige Forderung daraus.

Alle Wissenschaftler haben uns gesagt: Ihr seid jetzt an dem Punkt, an dem eine politische Entscheidung zu treffen ist. - Die fordern wir nachdrücklich ein. Deshalb müssen auch unsere Entschließungsanträge abschließend beraten werden. Das müsste im nächsten Plenarsitzungsabschnitt geschehen.

Aber noch einmal: Hier besteht Einigkeit zumindest mit unserer Fraktion. Meine herzliche Bitte: Wenn Sie nicht völlig unglaubwürdig werden wollen, dann lassen Sie uns heute direkt darüber abstimmen!

(Beifall bei der SPD)

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Kollege Böhlke von der CDU-Fraktion. Bitte schön, Sie haben nur noch wenige Sekunden Redezeit.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meiner Meinung nach sollten wir das ganze Thema noch einmal im Fachausschuss behandeln. Was ich Ihnen heute zusagen kann, ist, dass wir dann im

Plenum alle Anträge gemeinsam gewichten und zur Abstimmung stellen sollten. Das sollte, wenn es die Tagesordnung erlaubt, im Dezember möglich sein. Ansonsten heute abzustimmen, Ihre Anträge nicht weiter zu behandeln und dann im Dezember wieder auf die Tagesordnung zu setzen, halten wir nicht für zielführend. Deshalb danken wir für das uns entgegengebrachte Vertrauen, möchten dann aber lieber im Dezember Ihre Zustimmung einfordern.

(Zustimmung bei der CDU)

Nur zur Verdeutlichung: Ein Antrag liegt dem Präsidium nicht vor. - Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit sind wir am Ende der Beratung dieses Tagesordnungspunktes angelangt.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Vorgesehen ist der Ausschuss für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Integration. Spricht jemand dagegen? - Enthält sich jemand der Stimme? - Dann ist so beschlossen worden.

Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 33 auf:

Erste Beratung: 100 Jahre Internationaler Frauentag. Frauenrechte voranbringen - Erfolge und Rückschritte der niedersächsischen Frauenpolitik auswerten - Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/2981

Einbringen möchte diesen Antrag Frau König. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit 100 Jahren zeigen Frauen am Internationalen Frauentag auf: Wir kämpfen gemeinsam auf der ganzen Welt für unsere Rechte und für ein selbstbestimmtes Leben in Würde.

Begonnen hat alles mit den Streiks für bessere Arbeitsbedingungen und dem Anspruch auf das Frauenwahlrecht. Das Wahlrecht und mehr Freiheiten in Politik und Lebensführung sind in Europa erreicht. Hier und weltweit sind jedoch noch viele andere Forderungen offen.

Frauen erstreben jetzt und für die Zukunft eine Gesellschaft, in der es nicht von Nachteil ist, als Mädchen geboren worden zu sein, in der alle Ge

schlechter gleich sind in ihren Rechten und Chancen.

(Beifall bei der LINKEN)

Was uns davon trennt, sind Kapitalismus und Patriarchat, die im globalisierten Neoliberalismus zur Höchstform auflaufen. Sie produzieren immer mehr Ungerechtigkeit und damit weibliche Armut. Hier gilt es gegenzusteuern.

Aus diesem Grund und um in Niedersachsen etwas voranzubringen, haben wir diesen Antrag eingebracht. Er baut auf den Ideen von Clara Zetkin auf und nimmt den 100. Jahrestag zum Anlass, sich mit der Situation in Niedersachsen zu beschäftigen.

Ziehen wir die Bilanz: Das Frauenministerium wurde 1998 abgeschafft. Jetzt soll das Frauenressort aufgelöst und in ein Referat umgewandelt werden. Das wird nicht dadurch ausgeglichen, dass diesem Ministerium eine Frau als Ministerin vorsteht. In diesem männerdominierten Kabinett hat das höchstens Symbolkraft. Wir fordern die Wiedereinrichtung eines Frauenministeriums.

(Beifall bei der LINKEN)

Im Jahr 2005 erfolgte die Änderung der Niedersächsischen Gemeindeordnung. Damit verbunden war die Kürzung von 82 Stellen für hauptamtliche Gleichstellungsbeauftragte. Wir fordern die erneute Änderung und Wiedereinstellung von hauptamtlichen Gleichstellungsbeauftragten.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Frau König, ich möchte Sie gerne unterbrechen, weil Sie nicht hinreichend Aufmerksamkeit für Ihren Redebeitrag haben. - Ich bitte dringend um Ruhe.

Frau Kollegin, Sie dürfen fortfahren. Sie haben jetzt noch eine Restredezeit von 2:14 Minuten. Angemeldet hatten Sie vier Minuten. Bitte schön!

Von einem Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft sind wir weit entfernt. Es liegen noch nicht einmal verlässliche Zahlen vor. Die angestrebte Novellierung des Gleichstellungsgesetzes ist nicht hinnehmbar. Wir fordern, dass die Frauenförderung aufrechterhalten wird.

Kultur- und Bildungsprojekte sind in Niedersachsen patriarchal geprägt. Hier ist eine dringende Bearbeitung erforderlich. Frauenprojekte fielen der Rotstiftpolitik von Frau von der Leyen zum Opfer. Die Frauenquote, die zur Einführung einer gerechten Teilhabe von Frauen in Wirtschaft und Politik führt, ist in diesem Hause für CDU und FDP ein Fremdwort.

Frauen sind die Hälfte Niedersachsens. Bei den Erwerbstätigen liegt der Frauenanteil aber unter 50 %. Wo liegt der Frauenanteil in Niedersachsen einmal über 50 %? - Im Niedriglohnsektor!

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Toll!)

Im Jahr 2009 belief sich dieser Anteil auf 69,2 %.

Frauen haben ausweislich des Atlas zur Gleichstellung einen besseren Bildungsabschluss als jüngere Männer. Das ist erfreulich. Wie sich aber zeigt, spiegelt sich das nicht bei allen Indikatoren wider. Wie gesagt: Frauen sind in Niedersachsen in Führungspositionen unterrepräsentiert.

Und wie sieht es mit der Politik aus? - Schauen wir uns hier einmal um: Nur 31 % der Abgeordneten in diesem Haus sind weiblich. Bei kommunalen Mandaten beträgt der Frauenanteil in Niedersachsen sogar nur 24 %.

(Roland Riese [FDP]: Wer wählt die denn?)

Dies, meine Damen und Herren, ist eindeutig eine Negativbilanz in Niedersachsen. Ich könnte Ihnen noch mehrere Punkte aufzählen.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist beschämend und unsozial. Es ist Zeit zum Handeln.

Meine Damen und Herren auf der rechten Seite des Hauses, denken Sie an das Jahr 2013! Wenn in der Privatwirtschaft eine Bilanz nicht ausgeglichen wird, dann wird Konkurs angemeldet. Deshalb: Steuern Sie um! Denn mit dieser frauenfeindlichen Politik werden sonst auch Sie im Jahr 2013 Konkurs erleben.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt Frau Twesten. Sie haben das Wort, Frau Twesten!

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir sind jetzt im November 2010, und schon heute thematisieren Sie, meine Damen und Herren von der Linken, den Internationalen Frauentag am 8. März 2011. Dieser Zusammenhang ist hier und heute kaum auszumachen.

Wenn es Ihnen aber darum geht, Bilanz zu ziehen und der Regierung neue Denkanstöße zu geben, dann sind wir dabei.

Grundsätzlich können wir uns der Kritik und den Forderungen anschließen, halten die Initiative aber, wie gesagt, für verfrüht, für einen symbolischen Akt, versehen mit einer guten Portion Provokation. Falls Sie Ihre Wünsche ernsthaft umgesetzt haben wollen, fehlt an verschiedenen Stellen der Bezug zur Realität. Dann nutzt es gar nichts, wenn man mit einem solchen Antrag gerne der Zeit voraus sein möchte.

Nun zu einigen einzelnen Punkten.

Diese Regierung steht wie kaum eine andere für die Abschaffung von Frauenpolitik in Niedersachsen

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

und für die Etablierung der Vereinbarkeitspolitik. Beispiele hierfür: Zunächst die strukturelle Aufweichung des Frauenressorts. Bereits unter der SPD verschwand das Frauenministerium, Schwarz-Gelb schaffte aber jüngst sogar noch die Frauenabteilung im Sozialministerium ab und deklassierte die Abteilung zur Referatsgruppe.

Die neue Ministerin steht für vieles. Die Frauenpolitik ist jedoch nach einem guten halben Jahr im Amt ganz sicher kein Aushängeschild für Frau Özkan.