Protokoll der Sitzung vom 12.11.2010

Herzlichen Dank, Herr Bäumer. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Herr Wenzel das Wort.

(Zuruf von der CDU: Mal gucken, ob er wieder seinen Kühlschrank füllt!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Bäumer, nun habe ich gedacht, dass wir heute einmal etwas Gemeinsames machen, weil es ja durchaus so aussah, als wenn es da Übereinstimmungen gäbe.

Wir hatten auch gar nicht vor, 60 Atomkraftwerke in Deutschland abzuschalten, weil es, ich glaube, nur 17 gibt.

(Beifall bei den GRÜNEN - Karl- Heinrich Langspecht [CDU]: In Europa!)

Von daher kommen wir da vielleicht auch noch überein. Wenn Sie bei den 17 mitmachen, dann sind wir ganz bei Ihnen.

(Zustimmung von Enno Hagenah [GRÜNE])

Ich spreche zu dem Antrag von CDU und FDP in der Drs. 16/1987 und zu dem Antrag meiner Fraktion in der Drs. 16/2994. Es ist bedauerlich, dass sich die CDU und die FDP einer gemeinsamen Beratung dieser Anträge im Vorfeld verweigert haben, obwohl es im Präsidium eigentlich die Verabredung gab, solche ähnlich gelagerten Themen im Plenum gemeinsam zu behandeln. Von daher rede ich jetzt zu beiden Anträgen, auch wenn wir unseren direkt überwiesen haben.

(Karl-Heinrich Langspecht [CDU]: Und jetzt zur Sache!)

Meine Damen und Herren, gerade beim Netzausbau macht es Sinn, über Gesamtlösungen und langfristige Ziele zu diskutieren. Der Bau von Interkonnektoren, von Seekabeln nach Norwegen, muss im Gesamtkonzept für den Netzausbau berücksichtigt werden. Sie können einen sehr wichtigen Beitrag leisten, um die Windkraft in die Grund

last zu bringen. Zu den Kapazitäten haben wir in Norwegen einiges gehört, was über das hinausging, was Herr Bäumer hier vorgetragen hat.

Entscheidend ist auch, ob wir das Netz, das wir künftig haben werden, aus dem Blickwinkel der großen Stromkonzerne betrachten und planen oder ob wir ein Netz planen, das auch den Wettbewerbern zugute kommt.

In einer Akzeptanzstudie hat die Deutsche Umwelthilfe festgestellt, dass der notwendige Stromnetzausbau nur dann eine mehrheitliche Zustimmung in der Bevölkerung findet, wenn er, wo immer möglich, erdverkabelt erfolgt und ausschließlich den erneuerbaren Energien dient.

(Zustimmung von Christian Meyer [GRÜNE])

Ein Stromnetzausbau durch Freileitungen für überflüssige Atom- und Kohlekraftwerke stößt zu Recht auf breiten Widerstand der Kommunen und der Bevölkerung.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Karl- Heinrich Langspecht [CDU]: Die ent- scheidende Frage ist, ob Erdverkabe- lung bezahlbar ist!)

Wir brauchen ein belastbares Netz für den Umstieg auf erneuerbare Energien. Wir wollen eine Verknüpfung der skandinavischen, mitteleuropäischen und britischen Stromnetze, um Lastmanagement, aber auch Handel zur Preisdämpfung zu erleichtern und zu ermöglichen. Die Herausforderungen einer dezentralen Energieversorgung sind andere als die Herausforderungen einer Versorgung mit Großkraftwerken.

Die bislang vorliegenden Pläne zum Netzausbau kranken jedoch an einer zu starken Ausrichtung an den Interessen der großen vier Stromkonzerne. Problematisch ist zudem, dass sich die südlichen Bundesländer dem Ausbau der Windkraft bislang fast vollständig verweigert haben. Ein Netzausbau, der in erster Linie dem Weiterbetrieb der Atomkraftwerke Krümmel, Brunsbüttel und Unterweser dient, wird kaum Akzeptanz finden. Mit Ihrer Entscheidung zur Laufzeitverlängerung erschweren Sie daher eine Verständigung über die vordringlichsten Projekte beim Netzausbau.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, jahrelang haben die Konzerne den Netzanschluss als Waffe gegen den Zubau von Anlagen zur Erzeugung regenerativer Energien benutzt. Windbauern, Solarbauern und

auch Betreiber von Blockheizkraftwerken können Ihnen ein Lied von den Tricks singen, die die Stromkonzerne angewandt haben, um neue Kapazitäten am Netz zu verhindern.

Der Stromkonzern E.ON hat im Jahre 2003 einen unterschriftsreifen Vertrag mit einem norwegischen Unternehmen aufgekündigt, der den Bau einer Seekabelverbindung zwischen norddeutschen Windkraftwerken und norwegischen Wasserkraftwerken vorsah.

(Enno Hagenah [GRÜNE]: Das sind die Verhinderer!)

Nach Berechnungen in Norwegen könnte der norddeutsche Windstrom zu 85 % in die Grundlastversorgung gebracht werden, wenn die deutsch-norwegische Kooperation verstärkt ausgebaut würde. Offenbar hat der Stromkonzern E.ON eine Kooperation gezielt verhindert, um Angebote, die in Wettbewerb zu bereits abgeschriebenen deutschen Atomkraftwerken treten könnten, zu unterbinden. Aus ähnlichen Gründen wurde von dort offenbar auch gegen eine Anpassung der Netznutzungsverordnung interveniert.

Norwegische Wasserkraftwerke, die Wasserstrom gegen Windstrom tauschen, könnten Last- und Preisschwankungen im norddeutschen Netz sehr effizient ausgleichen. In Norwegen wird sehr ernsthaft diskutiert, wie Norwegen zur Speicherbatterie für Mitteleuropa werden könnte.

(Zustimmung von Enno Hagenah [GRÜNE])

Norwegen produziert jährlich bis zu 141 TWh aus Wasserkraft, Schweden noch einmal die Hälfte. Norwegische Unternehmen schätzen das Leistungspotenzial auf 10 GW bis 25 GW mit Reserven von 7,5 GW.

Bislang aber haben die marktbeherrschenden Stromversorger immer behauptet, dass ihre Kohle- und Atomkraftwerke die einzigen seien, die die Grundlastversorgung sicherstellen können. Das ist definitiv falsch. Beim Netzausbau haben die Stromkonzerne notwendige Entwicklungen über viele Jahre verschlafen und blockiert.

Zum Ende des Jahres erwarten wir eine neue Studie der Deutschen Energie-Agentur, die denaNetzstudie II, die den weiteren Ausbaustandard der Stromnetze in Deutschland darstellen wird. Es ist damit zu rechnen, dass dort Empfehlungen für insgesamt 3 500 km neue Stromleitungen bis 2025 für erforderlich gehalten werden.

Wir erwarten daher, dass die dena-Netzstudie II einer unabhängigen Prüfung unterzogen wird. Dabei sind verschiedene Szenarien einer künftigen Entwicklung der Stromversorgung zu berücksichtigen, die den Bau der deutsch-norwegischen Interkonnektoren, den Ausbau der Windkraft im Süden, das Repowering in den alten Windländern und eine schnelle Abschaltung der Atomreaktoren betreffen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich vertraue in dieser Frage nicht allein auf Herrn Brüderle,

(Detlef Tanke [SPD]: Zu Recht!)

den Aufsichtsratsvorsitzenden der dena, Herrn Röttgen und Herrn Ramsauer, die ebenfalls im Aufsichtsrat der dena sitzen.

Ein Ausbau der Netze ist sowohl in Deutschland als auch in Norwegen notwendig. Bei allen Investitionen ist auf geringstmögliche Eingriffe in Natur und Landschaft, Priorität für Erdkabel und umfassende Bürgerbeteiligung zu achten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Eine planmäßige Abschaltung von Atomreaktoren und eine noch frühzeitigere Abschaltung der Altreaktoren ermöglicht zudem die Nutzung der Netzanbindungen und Umspannwerke für neue Technologien.

(Beifall bei den GRÜNEN - Detlef Tanke [SPD]: Genau!)

Beispielsweise könnte ab 2012 das Umspannwerk des Atomkraftwerks Esenshamm für die Anbindung des NorGer-Kabels genutzt werden, wenn das Atomkraftwerk, wie im Atomkonsens vorgesehen, vom Netz geht. Von daher haben wir die Möglichkeit, rechtzeitig auf zukunftsfähige Alternativen umzusatteln.

Ich danke Ihnen und würde mich freuen, wenn wir Unterstützung auch für den Antrag finden, den wir heute eingebracht haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Wenzel. - Für die SPD-Fraktion spricht Herr Meyer. Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Bäumer, üblicherweise haben Sie ja einen Verdacht, aber heute hatte ich den Eindruck, Sie haben neue Verschwörungstheorien entwickelt, wenn Sie die Grünen und die Linke in dieser Weise ansprechen. Das sollten Sie vielleicht noch einmal überdenken.

Bei der Vorbereitung hatte ich mich gefragt, was eigentlich der Sinn dieses Antrags ist. Wenn man sich durchliest, was dort formuliert wurde, dann heißt das zusammengefasst: Die Landesregierung möge wohlwollend und zeitoptimiert begleiten, sich bei der Bundesregierung dafür einsetzen und gegenüber der Bundesregierung und der EU herausarbeiten, dass grenzüberschreitende Kabelprojekte wie NorGer eine tolle Sache sind.

(Karl-Heinrich Langspecht [CDU]: Sehr gut! Das wollen wir! - Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Aber, Herr Kollege Langspecht, gibt es denn irgendjemand, der dagegen ist? Ist die Bundesregierung dagegen? - Nein. Ist Niedersachsen dagegen? - Nein. Ist die EU dagegen? - Nein. Was soll das also?

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN - Kreszentia Flauger [LINKE]: Wenn man auch auf sonst nichts stolz sein kann!)

Alle sind dafür. Jeder weiß, dass wir noch mehr von diesen Kabeln bekommen werden. Deshalb kann man zu diesem Antrag nur sagen: Er ist inhaltsarm und auch noch schludrig formuliert. Das finde ich heftig!

(Dr. Gero Clemens Hocker [FDP]: Was haben Sie denn vorzuweisen?)

- Herr Kollege Hocker, es freut mich, dass Sie diesen Zwischenruf gemacht haben. Reden Sie mal mit Ihrem Kollegen Falkenhagen. Der macht Ihre Pressemitteilungen unter seinem Namen und veröffentlicht Reden, die er nie gehalten hat. Also backen Sie bei diesen Geschichten doch einmal kleine Brötchen!

(Heiterkeit bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)